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Corinna Belz - Gerhard Richter Painting
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Belz, Corinna - Gerhard Richter Painting bestellen
Belz, Corinna:
Gerhard Richter Painting

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(Bücher frei Haus)

„Man kann sich nichts dabei danken, denn malen ist ja eine andere Form des Denkens. Ich finde die Bilder schlecht, die ich begreifen kann“, sagt Gerhard Richter vor einem seiner Bilder und bearbeitet es gleich wieder neu mit seiner Riesenspachtel, genannt Rakel. Das intime Porträt des 1932 in der DDR aufgewachsen Vertreters des ironisch titulierten kapitalistischen Realismus verrät einiges über die Technik des derzeit wohl weltweit geschätztesten deutschen Malers. Dass diese an sich scheue und bescheidene Person, der „Meister des permanenten Stilwechsels“, sich auf einen solchen Dokumentarfilm - der ihn sogar kontemplativ während seiner Arbeit zeigt - möglich wurde ist sicherlich der Überredungskunst der Regisseurin Corinna Belz zu verdanken. Sie hat dafür auch nicht umsonst den Deutschen Filmpreis 2012 für diese Dokumentation erhalten.

Die Bilder, die machen, was sie wollen
Der Rakel, mit dem Richter die komplexen Farbschichten aufträgt und abkratzt, werde in der Dokumentation zu einem Instrument des Widerspruchs und der Selbstbehauptung, schreibt die Regisseurin im Begleittext. „Sicher hat Richters seltene Fähigkeit, den Status Quo in Frage zu stellen und gleichzeitig Kontinuität und Zuverlässigkeit an den Tag zu legen, sein überragendes, reiches Werk ermöglicht“, so Belz. Der Maler wurde über drei Jahre von ihr begleitet, im Zeitraum 2009 bis 2011 entstand so ein sensibles Porträt, das durchaus auch unterhaltsame Stellen enthält. Schon die zu Beginn gestellte Frage „Bleibt das jetzt so?“ wird vom Assistenten Richters mit einer weiteren Frage zurechtgewiesen: „Sehen irgendwie fertig aus, die Bilder, oder?“ Später stellt Corinna Belz fest, dass sich die Bilder plötzlich ganz schön verändert haben. Richter dazu: „Ja, die machen ja was sie wollen.“ Bis zu sechs Wochen lässt der Maler seine Bilder in seinen verschiedenen Ateliers hängen, erst danach entscheidet er, ob sie wieder übermalt werden oder „gut genug“ sind.

Mit der Zeit weiß man`s dann
„Wenn`s schön ist und jemandem gefällt, muss man es zerstören“, sagt der Assistent Richters und erinnert damit etwas an einen Dialog in dem Film „Fight Club“ (R: David Fincher, 1999). Ja, aber warum denn, frägt die Regisseurin entsetzt, „weil`s ja jedem so geht: man findet es toll, steigert sich rein, und am nächsten Tag wieder weniger, am Tag darauf wieder mehr. Es braucht einfach Zeit. Mit der Zeit weiß man`s dann.“ Auch Richter selbst lehnt die Kraft des Unbewussten als Schöpfungsgrundlage seiner Bilder ab. Für ihn entscheidet einfach die Qualität. Das Urteil „Jetzt ist es ein Bild“, das mache das Bild zu einem „echten Richter“, „wenn nach meinem Level nichts mehr falsch ist. Es sieht nicht gut aus: dann ist das falsch.“ Der Produzent und der Konsument werden durch die Bilder verbunden, wenn sie Qualität erkennen und sie als gut zu erkennen glauben. „Gut“ sei auch Wahrheit. Einen Wahrheitswert müsse das Bild artikulieren, um gut zu sein. Vielleicht lässt Richter seine Bilder auch deswegen ein paar Wochen hängen. Aber an die Wand müssen sie ja ohnehin, egal ob sie übermalt werden, meint Richter lapidar. Platz hat er dafür wahrlich genug, denn Corinna Belz zeigt auch einige seiner wunderschönen Ateliers in der Nähe von Köln, Atelier Hahnwald, Atelier Bismarckstraße, etc.

Das traurige Schicksal eines politischen Flüchtlings
Als Richter damals aus Dresden froh, war ihm nicht bewusst, dass er seine. Eltern nie mehr wiedersehen würde. Er war Flüchtling, C-Schein, politischer, keine Genehmigung, keine Einreise. Erst 1987 ging es mal, erzählt Richter, eine Ausstellung, der Botschafter, plötzlich ging alles, aber „da waren alle schon tot“. „Mir war nicht klar, dass ich die nie mehr wiedersehe. Als ich sie verließ waren sie jung, aber ich wusste ja nicht, dass die mal sterben würden, daran dachte man in meinem Alter nicht.“ In einem der intimsten Momente des Films verhält sich Corinna Belz` Kamera seriös, zeigt Richter nur von der Seite und dieser ist selbst jetzt noch politisch: „Als Kind…man muss den Eltern misstrauen. Man kann die auch ganz gut erkennen.“ Seine Frau trinkt schwarzen Kaffee vor seinen weißen Bildern, den weißen zugeschneiten, das wirkt wie eine Häresie. Aber das Werk von Richter ist so vielseitig, dass das auch egal ist. Es gebe auch verpfuschte Bilder, so Richter. Aus Ratlosigkeit? „Naja, das ist ja immer, das wäre nicht das Problem“, meint er humorvoll. „Malen sei eher eine geheime Angelegenheit, wenn die Kamera dabei ist, dann gehe ich anders“, zweifelt Richter, „ertappt, gesehen werden; die Qualität gesehen, die Fehler übersehen, sich dahinter verstecken, hinter den Bildern.“ „Das habe ich aber jetzt nicht ganz verstanden.“ Was das bedeutet? „Ich auch nicht.“, schmunzelt er.

„Ohne Plan ohne Grund“, aber mit geplanter Grundierung
Das Malen sei ein aggressives Geschäft. Jedes Bild sei der Todfeind des anderen, es hat etwas mit Vernichtung zu tun, dulde nichts neben sich. Richter verweist auf Adorno. Manchmal verwendet er auch Vorlagen, aber meistens könne man diese dann nicht mehr erkennen. „Die versauten Gegenständlichen“, belustigt sich Richter über die Kunstkritik, „ohne Plan ohne Grund“, aber mit geplanter Grundierung möchte man hinzufügen. Klassische Farben wie Kadmiumtöne, Titanweiß, Zitronengelb. Wenn Richter mit großflächigem Pinsel Farben aufträgt trägt er Handschuhe, enttäuschend, aber bei der Farbmenge verständlich. Leitern überall. Stehen lassen müsse man das Bild, doch dann benutzt er diese große Glasscheibe, die Rakel, zum Verschmieren, nachdem er mit Pinsel auch darauf Farben aufgetragen hat.

Draußen in der Welt
Corinna Belz ist ein meditativ ruhiger Film gelungen, nicht nur für einen verkaterten Morgen. Sie benutzt auch alte Archivaufnahmen in S/W, zeigt Richters andere Schaffensperioden. Die fotografische Periode, die Porträts. Aber auch die „graue Phase“. „Alles graue Flächen“, sagt Richter, aber die eine war besser als die andere. Alte Familienfotos hat er auf einem riesigen Tisch ausgebreitet, „Fotos sind ein Eingriff in unser Bewusstsein“, so Richter, vielleicht sei es besser sie wegzuwerfen. Doch dann kommen seine Erinnerungen an die Jugend: „Drucker? Ne. Man muss ja einen Beruf haben, nützt ja nix. Zahntechniker, Zittau. Tour durch Betriebe. Der Realitätseinbruch.“ Richter wird nachdenklich. Er male eben keine bunten Bilder, auch wenn das draußen in der Welt „mehr angesagt“ sei. Dabei ist er selbst doch der beste Beweis, dass es gar nicht so ist, draußen in der Welt.

Die Dokumentation zeigt auch die Galeristenarbeit wie man Bilder wo aufhängt, auch werden extra Modelle gebastelt von den Galerien, damit genau geplant werden kann, wo welches Bild angebracht werden wird. „Man muss glauben, ja super, jeden Tag, aber wenn‘s geht mit etwas Skepsis.“ Seine letzten Worte: „Mann, macht das Spaß!“ Auch das Zusehen hat eine sehr meditative beruhigende Wirkung, die Extras der DVD zeigen auch Bilder , ein Interview, den Kinotrailer und natürlich hat Piffl Medien auch nicht auf eine schöne Verpackung und ein ebensolches Booklet vergessen.

Corinna Belz
"Gerhard Richter Painting"
DVD 97 min plus Extras
www.piffl-medien.de

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-08-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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