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Bertrand Blier - Die Ausgebufften / Les valseuses
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Blier, Bertrand - Die Ausgebufften / Les valseuses bestellen
Blier, Bertrand:
Die Ausgebufften / Les
valseuses

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(Bücher frei Haus)

In der EDITION CINEMA FRANCAIS von „Filmconfect“ ist der Skandalfilm aus Frankreich erstmals in einer ungeschnittenen Fassung auf DVD erschienen, in Deutschland war der Film aus dem Jahre 1974 bis 2012 sogar indiziert. Im französischen Original heißt der Film eigentlich „Die Walzertänzerinnen“ (Les Valseuses), was ein Argot oder Slangausdruck für „Eier“ resp. „Hoden“ ist. Tatsächlich wird Pierrot (Patrick Dewaere) von einer Kugel genau an der Stelle getroffen, auf die der Titel anspielt und muss leider einige Zeit auf die Freuden des Lebens verzichten. Doch dann genest er bald wieder und vergnügt sich gemeinsam mit Jean-Claude (Gérard Depardieu) an der noch ganz unschuldig wirkenden Marie-Ange (Miou-Miou), der sie eigentlich beibringen wollen, dass Sex auch Spaß machen kann. Doch genau das gelingt ihnen nicht, dafür dem harmlosen Jacques (Jacques Chailleux), dem Sohn von Jeanne Pirolle (Jeanne Moreau), den die beiden Kleinganoven nach dem Selbstmord seiner Mutter unter ihre Fittiche genommen haben.

Goldschweinchen…
„Mein Freund und ich haben immer Schwein, und wenn wir zusammenrücken, dann wird’s Goldschwein“, meint Jean-Claude zu Marie-Ange, nachdem sie dem Mäzen der Friseuse das Auto erst gestohlen und dann wieder zurückgebracht haben. Als dieser sie dann mit der Pistole bedroht, hilft Marie-Ange den beiden sympathischen Gammlern bei der Flucht und wird zum Dank an einen Autohehler verschachert. Der Umgang mit Marie-Ange und auch mit anderen Frauen ist für einen Film aus den 70er eher untypisch, denn nach 1968 hatte sich die Rolle der Frau im Film ja grundlegend geändert. Bei Bertrand Blier’s Ausgebufften bleiben Frauen aber bloße „Ware“, die hin und her verschoben wird, natürlich mit der nötigen Ironie, die dem Ganzen dann auch so etwas wie subtile Gesellschaftskritik einhaucht. „It’s a Man’s World“ wäre wohl der passende Soundtrack für einige der sehr witzigen Szenen, die so absurd sind, dass sie schon wieder glaubhaft wirken.

„Schluss mit den kleinen Friseusinnen“
„Da kann ich ja gleich einen nassen Schwamm vögeln“, beschwert sich der Auto-Hehler über Marie-Ange’s Bettleistungen und auch sonst ist die Sprache des Films nicht gerade für zartbesaitete Ohren geeignet: „Da geh ich doch lieber pissen, da fühl‘ ich wenigstens was“, meint etwa Pierrot nach einem Beischlaf mit Marie-Ange und Unterhosen von Frauen werden als „Pflaumentüten“ bezeichnet. Marie-Ange lassen sie schließlich in ihrem Friseur-Geschäft gefesselt zurück, nachdem sie den Zaster ihres Chefs eingesteckt haben. „Schluss mit den kleinen Friseusinnen“, heißt es dannach nur noch lapidar über ihre Bettgespielin, denn Pierrot und Jean-Claude wollen sich eine „scharfe Bürste, eine die möglichst lange in der Wüste gehockt hat“ besorgen und kommen so auf die Idee, vor einem Frauengefängnis auf die nächstbeste zu warten. Heraus tritt dann Jeanne Pirolle (Jeanne Moreau) und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Wieder bluten können…
Während des Films fühlt man sich teilweise an „Der Tee im Harem des Archimedes“ erinnert, weil auch dort das Thema Freundschaft zwischen zwei „Jungs“ eine große Rolle spielt. Es gibt auch eine Antonioni-Hommage, als sich die beiden in der Wüste im Sand wälzen und natürlich kommt auch der Hass auf den Staat nicht zu kurz. „Scheißland, Scheißfrankreich“ schreit Pierrot als er die Scheiben einer Tankstelle einwirft, dabei sind es doch gerade Typen wie die beiden, die am meisten von diesem Sozialstaat profitieren, denn sie leben wie Taugenichtse und bereichern sich auf Kosten der anderen. Als Jeanne sie fragt, warum sie eigentlich so nett zu ihr sind, sagen sie: „Wir wollen uns halt um dich kümmern“ und Jeanne antwortet: „Danke, man hat sich lange genug um mich gekümmert, es wird Zeit, dass ich selbst die Verantwortung übernehme.“ Das tragische Ende von Jeanne wird mit den Worten „Das einzig Tragische ist, nicht mehr bluten zu können“ schon vorangekündigt. Auch in einer anderen Einstellung nimmt die Bildarbeit den wahrscheinlichen Handlungsverlauf schon vorweg: Der Gefängniswächter schließt die Türe gar nicht erst hinter Jacques, denn er weiß ja, dass alle drei wiederkommen werden. Auch wenn Pierrot eingangs noch meinte: „Uns kann keiner ein Loch in den Arsch bohren, wir haben schon eins!“ befinden sie sich am Ende wieder auf der Flucht, weil sie wegen Mordes gesucht werden. Da hört selbst für die beiden der Spaß auf, denn sie waren es gar nicht…

Ein Kultfilm aus den 70ern, der die sexuelle Befreiung auf die Schippe nimmt und für Gerard Depardieu den Beginn seiner langen Karriere bedeuten sollte. Bertrand Blier spricht in seiner lustigen Gaunerkomödie, seinem Regiedebüt, Dinge an, die man sich heute nicht einmal mehr zu denken wagen würde. Kino ohne Tabu, ein Film eben für wahre Cineasten. Zudem ist die Ausgabe von Filmconfect in sehr schönen Karton gebunden und mit ein paar Fotos und einem Artikel zum Film sowie Kurzbiographen zu den Protagonisten versehen. So sollten DVDs eigentlich aussehen: wie Bücher, nur eben mit Bildern. Eine wirklich schöne Edition, in Deutsch und französischem Originalton, für Conaisseure und die es noch werden wollen!

Bertrand Blier
Die Ausgebufften/ Les valseuses
Komödie, Frankreich 1974
Lauflänge: 111 Min.
Sprachen: Deutsch, Französisch

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-01-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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