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Rezensionen


 
André Heller - Heller liest Artmann

„Du Huandsbua“ soll der Rudi einem mit seinem Dackel im Prater dahinspazierenden Molotov gesagt haben, erzählt der André Heller leutselig in einer seiner Anekdoten auf der hier vom ORF aufgezeichneten Lesung von Gedichten Artmanns beim Salzburger Literaturfest 2010. Ob die Geschichte stimmt oder nicht, das will man erst am Ende glauben, denn neben dem Rudi und dem H.C. Artmann soll auch der Helmut Qualtinger dabei gewesen sein und der war ja besonders bekannt für seine „Anekdoten“. Das Weltgericht ging zwar am Außenminister Molotov, der bei allen Sauereinen Stalins dabei war, vorbei, nicht jedoch die drei Wiener Buam im Prater, die`s ihm so richtig reinsagen. Immerhin, der Rudi konnte auch Russisch und beschimpfte den Molotov fast 15 Minuten lang. „Oallem bin i auskummn, nur den drei Wiener Noarnn nid“, soll der Qualtinger an der Stelle des Molotov laut gedacht haben. Das Publikum zerreißt`s vor Lachen und der Hörer freut sich auf`s nächste Gedicht und weitere Anekdoten.

Artmann leuchtet noch heller durch Heller
„Am besten liest mich der Heller“, soll H.C. Artmann (12. Juni 1921 in Wien -Breitensee; † 4. Dezember 2000) selbst gesagt haben. Wohlan, „do hommas Gscheer“, würde man gerne hinzufügen wollen, denn tatsächlich ist die Aufnahme - live - und der Heller, der die „Sperrbezirke seiner Phantasien und Traumverwirklichungen verlässt und leibhaftig auf einer Bühne erscheint“ (Hilde Spiel), kommt voll in Fahrt, auch wenn sein Wienerisch, nicht wirklich an das eines Artmanns heranreicht. Heller, der Enkel aus der Familie der Wiener Süßwarenhersteller „Gustav & Wilhelm Heller“, die durch die Erfindung der Dragées weltbekannt wurde, ist besonders als Tausendsassa bekannt, der sowohl als Dichter, Chansonnier als auch Großveranstalter international Furore machte. Hellers Familiengeschichte liest sich fast genauso spannend und traurig wie die Gedichte Artmanns, denn seine Familie und die Fabrik, die ihre Energie zur Erzeugung der Süßigkeiten mittels Dampf aus dem damaligen Beatrixbad in Wien Landstraße (3. Bezirk) bezog, hat Kontinuitäten bis heute, denn eben dieses Bad soll 2012 wieder eröffnet werden, diesmal auch wieder mit Dampf, aber ohne Süßwarenherstellung. Natürlich gibt es auch Heller`s Konfekt noch, aber der Familienbesitz wurde arisiert.

„Vergroabts mi liaba in an Luftballoan“
„wos bsundas“, schreibt der Artmann in seinem gleichnamigen Gedicht und meint damit eine „schnupfnbazülln“ (Schnupfenbazille). „wo is den da greissla?“ dürfte auch heute eine berechtigte Frage sein, denn leider mussten schon zu viele Wiener Einzelhändler (Greißler) in der Innenstadt den internationalen Supermarktketten weichen. Nur in der Vorstadt, da gibt es sie noch, die richtigen Wiener, die echten Radio, nur „die Radio sann o do“ und „hean dann nimma auf“. Am Wochenende besonders laut, das Jammern über die Radios, „wenns nua scho wieda Montag wär“. In einem der letzten Gedichte, die der Heller liest, geht es natürlich auch um des Wieners liebstes Kind, um`s Sterben: „waun e schdeam soit“ (wenn ich sterben sollte): „waun i amoi a bankl reiß…“ setzt er an, dann bittet er nur um eines, der Artmann, „jo nua ka earngroab am zentroi“. Kan Tanz, kann Aufwand, ka Ponfinebra, ka Süwa-Taxi. „Vergroabts mi liaba in an Luftballoan“: beerdigt mich lieber in einem Luftballon.

Der Tod und die Liebe
Einzigartig übrigens auch die Umdichtung ins Wienerische von Francois Villons „Ballade von Villon und seiner dicken Margot“ und natürlich das unvergessliche „aum eaxtn is s ma r one dia“: „olle amseln schrein um viera in da friah im summa in der fruah alleinich kennt i ma s heazz ausereißn.“ Ohne dir anstatt ohne dich. Eine Amsel statt der Nachtigall. In „med an briof fon mia zu dia“ spielt der Artmann das Liebesmotiv weiter und zeigt, dass es im Wienerischen nur um die wirklich wesentlichen Dinge des Lebens geht: den Tod und die Liebe. Und hier schreibt er erstmals auch mit „ana roatn tintn“: a Vogerl fliagt zu dia, sei es nun eine Amsel, Drossel oder Taube.

Heller liest Artmann – Das Ereignis vom Salzburger Literaturfest am 28. Mai 2010 im Republic
ORF 1 Radio Österreich 1

http://shop.orf.at/1/shop.tmpl?art=5648&lang=DE

[*] Diese Rezension schrieb: Juergen WEber (2012-03-20)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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