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Peter Henning - Tod eines Eisvogels
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Henning, Peter - Tod eines Eisvogels bestellen
Henning, Peter:
Tod eines Eisvogels

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(Bücher frei Haus)

Den Büchern von Peter Henning, in Hanau geborener, in Köln ansässiger Journalist und Rezensent bei renommierten Presseorganen, könnte man den Vorwurf machen, sie seien nicht echte Literatur, sie würden diese nur simulieren.

Blickt man hinüber zu einer Kontrastfigur wie Peter Handke, dann sieht man dort einen in den missionarischen Auftrag als mystischer Weiser kompromisslos vernarrten Nachfahren von Stifter und Rilke. Den Künder des Geheiligten gibt Handke schon immer. Bereits als Anfangszwanziger hat er nicht mehr die Zeit für den Abschluss seines Jurastudiums gefunden, weil diese Kunstpriestermission ihn rief.

Nicht so Peter Henning. Der könnte so allerlei anderes noch machen und gut leben dabei. Er könnte weiterhin die Bücher anderer benachworten (für Verlage wie Manesse) oder Kritiken schreiben für „Die Weltwoche“. Auch wäre er sehr kompetent als Leiter eines deutschen Literaturhauses oder Dozent für kreatives Schreiben. Über Schmetterlinge könnte er uns was beibringen. Immerhin ist der Eisvogel dieses Buches kein kleiner blauer Vogel, sondern ein Tagfalter.

Wie ein Road Movie, also wie Kino, nicht wie „deutsche Literatur“, erscheint einem „Tod eines Eisvogels“. Einer wollte gewisse Bilder mal deutlicher vor sich sehen. Diese eine kleine Geschichten von der Flucht ans Meer. Man hat nicht das Gefühl, in Hennig habe irgendein Anliegen rumort und danach verlangt, mit diesem Buch endlich ausgesprochen zu werden.

Rapsfelder und die weißen Wolken darüber, eine ewig lange Brücke, von der aus man das Land auf beiden Seiten schließlich nicht mehr erkennen kann. Klug kalkulierte Staffage kann man so was nennen. Wenn das Herz dieses kühlen Routiniers tatsächlich mal offen spricht, dann in den immer wieder auftauchenden Erinnerungssplittern aus einer kleinbürgerlichen Kindheit in den sechziger und frühen siebziger Jahren.

Zitat:

Verschmierte Teller und Kaffeetassen im Ablauf, Krümel auf dem Tisch, vergilbte Zeitungsstöße neben dem Nordmende-Radio und die kleine Plastikwaage, darin Mutters diverse Brillenetuis und in ein Papiertaschentuch eingewickelte Goldzähne: tausendmal gesehene Stilleben, Koordinaten unserer Leben, die in trister Gleichförmigkeit dort verliefen und irgendwann versanden würden.


Ein Schuhmacher aus Offenbach oder Hanau, Hennings Heimat, ist auf der Flucht. Nicht weil er in Zeiten von Minuten-Absatzanklebern und Wegwerfschuhen sich mit traditioneller Handwerkskunst nur schwer noch behaupten kann, sondern weil er mit seiner Schwester durchgebrannt ist. Er hat die junge Frau aus der Psychiatrie befreit, ohne sie zu fragen, ob sie das auch will.

Der utopische Freiheitshorizont des weiten Meeres, es geht hin zu den Ferienorten ihrer Kinderzeit, verengt sich im Verlauf des kleinen Buches in die Sackgasse hinein. Bruder und Schwester haben sich nichts mehr zu sagen. Dazu naht der körperliche Zusammenbruch, weil die Patientin ihre Medikamente nicht mehr einnimmt. Das Ziel dieser Fahrt bleibt unerreichbar, weil es sich in einer verlorenen Zeit befindet. Damals hatte die Schwester in der zusehends zerfasernden Familie für emotionale Sicherheit gestanden. Zwar hat die Mutter ebenfalls überlebt. Sie aber sitzt im Altersheim und will vom Sohn nichts mehr wissen.

Sechziger-Jahre-Nostalgie und problematische Mutterbindung mögen sich in der Lebensgeschichte des Peter Henning irgendwo in Ansätzen finden, sind aber nicht wirklich der Stoff, aus dem dieses Buch zugeschnitten ist. Vielmehr begegnen wir einer „Action“, die ziemlich abstrus, allerdings vergnüglich ausfabuliert ist. Als sich den Flüchtenden ein anderer Patient in den Weg stellt, schleudern sie ihm einen Hamster entgegen, das Tier kommt zu Tode. Wann würde ein Peter Handke mal so einen höhnischen Lacher riskieren? Dann die Tage des Fahrens ohne Plan, eine immer starrer werdende Kranke an der Seite des Fliehenden: als würde jener Norman Bates aus dem Film „Psycho“ einen Trip ans offene Meer versuchen.

[*] Diese Rezension schrieb: KlausMattes (2014-10-16)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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