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Benjamin Kunkel - unentschlossen
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Kunkel, Benjamin - unentschlossen bestellen
Kunkel, Benjamin:
unentschlossen

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(Bücher frei Haus)

„Das Hinauszögern ist unser Ersatz für die Unsterblichkeit, wir verhalten uns, als mangele es uns nicht an Zeit“, denkt sich der 28-jährige Dwight, Protagonist des hier vorliegenden Debütromans von Benjamin Kunkel aus Colorado. Vor dem Hintergrund des 911 Attentats in New York philosophiert der junge Dwight über den deutschen Philosophen Otto Knittel und seine eigene Unentschlossenheit, seinen „Dwightismus“, den er selbst mit den Worten definiert: „es fügte meinem sonst so durchsichtigen Charakter das Prestige des Unergründlichen hinzu“. Denn Dwight wirft eine Münze und überlegt sich die Dinge so gründlich, damit niemand ihm eine Entscheidung aufzwingen kann und er in aller Ruhe herausfinden kann, ob er „es“ nun will oder eben nicht. Eine kaputte Uhr geht ja auch mindestens zweimal am Tag richtig, wie er noch anmerkt.

"Die Reise nach Quito"
„Pessimistisch und verwahrlost musste man damals sein, das war cool und in manchen Kreisen anscheinend obligatorisch.“ In den Neunzigern, in denen sich die Epigonen des Jahrzehnts schon vor der Mitte des Jahrzehnts „with a self-inflicted shot-gun“ beiseite schafften (Kurdt Cobain), fiel es sehr schwer, bis zu 911 auch wirklich durchzuhalten, aber vielleicht war „das“ Ereignis ja nur die Krönung eines Jahrzehnts, obwohl es bereits in einem anderen stattfand. Der infinite Regress ist mainstream geworden, so steht es selbst in der Times und als Dwight schließlich erkennt, dass er an Abulie erkrankt ist, findet er Diagnose und Heilung in einem: einem Medikament namens Abulinix. „Leute die einen kennen lenken einen in seinem Verhalten oft so, dass man seiner wirren Vergangenheit gerecht wird“, resümiert Dwight und besteigt kurzerhand ein Flugzeug nach Quito von dem er nicht einmal genau weiß, wo es eigentlich liegt, um sich die Zeit für einen Neubeginn zu verschaffen, die er braucht, um noch mal „alles genau durchzudenken“. Seine Freundin Vaneetha lässt er mit ihrer „Schmusekatzigkeit“, die gleichzeitig eine „Klammeraffigkeit“ zurück und wirft sich in die Arme von Natasha, die alles andere macht, als gerade auf ihn zu warten.

"Lebensentwürfe im Kalten Krieg"
In Ecuador angekommen kämpft sich Dwight mit dem Indigena Edwin und der Belgierin Brigid durch den Dschungel und entdeckt eine viel versprechende Enthaarungscreme und entdeckt, dass „die Zukunft ein Ort ist, wo nie jemand war und nie jemand zurückkehrt“. Dwight resümiert bald über sein bisheriges Leben („Wie ein Kettenraucher hatte ich eine Affäre am Stummel der anderen angezündet und war zwischendurch kaum zum Luftholen gekommen.“), bald über die Achtziger und die Politik der Abschreckung des Kalten Krieges: „Weißt du noch, wie die Erwachsenen uns gefragt haben, was wir später mal werden wollen? Hattest du nicht auch immer das Gefühl, du sagst ihnen zuliebe irgendwas? Und dann der Schock, als die Mauer fiel und wir auf halbem Weg in die Prep School plötzlich einsehen mussten, dass es "etwas gab, worauf man sich vorbereiten musste. Aber man hatte keine Pläne für das spätere Leben – gar keine. (…) So was wie langfristig gab es nicht." Am Ende wird Dwight trotz seines Horrors vor Spinnen (die ihn mit ihren acht Beinen an zwei ineinander verkeilte Liebende erinnern) Opfer einer Verschwörung beachtenswerter Frauen und allein durch die wunderbare Macht der „grundlosen Liebe“ geheilt. Ein intelligenter und sehr lesenswerter Debütroman über die Adoleszenz, voller Charme und Witz, besser als Abulinix oder jedes andere Medikament.

Benjamin Kunkel
unentschlossen
Roman.
Aus dem Amerikanischen von Stefanie Röder
Berlin Verlag Taschenbuch
2015

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-04-04)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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