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Sergio Leone - Es war einmal in Amerika
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Leone, Sergio:
Es war einmal in Amerika

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(Bücher frei Haus)

„Noodles, Noodles, Noodles“, das dürften sich auch die amerikanischen Kinobetreiber gedacht haben und so kürzten sie Sergio Leone`s Meisterwerk ganz einfach zusammen. Die amerikanische Kinofassung dieses amerikanischen Gangster-Epos aus italienischer Hand wurde von 251 Minuten auf 139 Minuten reduziert. Die europäische Kinofassung immerhin im Ausmaß von 229 Minuten gezeigt. Man kann sich aber vorstellen wie sich der Regisseur geärgert haben muss. Erst 2012 gab Martin Scorsese eine Originalfassung in Auftrag, die dann bei den Filmfestspielen in Cannes auch in voller Länge gezeigt wurde. „Noodles, Noodles, Noodles“- die ersten im Film gesprochenen Worte beziehen sich auf den Spitznamen von David „Noodles“ Aaronson (Robert de Niro), der sich in einer Opiumhöhle dem Vergessen hingibt und von einem chinesischen „Kellner“ seine Pfeife neu gestopft kriegt und mit dem dreimaligen Aufrufen seines Namens versucht, Noodles etwas Tee – und keine Nudeln – einzuflössen. „Noodles, Noodles, Noodles“ ist der eigentliche Protagonist der Geschichte, der im Widerstreit mit Maximilian „Max“ Bercowicz/Staatssekretär Bailey (James Woods), um sein Leben betrogen wird. Wie so oft bei Sergio Leone ist besonders die Beziehung der beiden Antipoden, die Konkurrenz, aber auch die Freundschaft, Liebe und Verrat der Freunde im Zentrum der Handlung. Die anderen drei Gangmitglieder stehen im Hintergrund und sprechen sehr wenig, einer davon, Philip „Cockeye“ Stein (William Forsythe), spielt gar nur die Flöte und zwar ein musikalisches Motiv, das im Film immer wieder für Schauer und Erschaudern sorgt. Ennio Morricone lässt grüßen.
Peeping Noodles
Durch einen losen Ziegel auf der Toilette der jüdischen Familie Gelly beobachtet Noodles seine geliebte Deborah (Jennifer Connelly, später: Elizabeth McGovern) und dieses auf Amerikanisch als „peeping“ bezeichnete Hobby des jungen Noodles (Scott Tiler) wird als Rückblende erzählt, eine Technik derer sich Leone mehrmals im Film bedient, sodass drei verschiedene Erzählebenen entstehen. Der „lose Ziegel“ wird später in Film zu einem Guckloch in einem Spiegel, der den Blick in ein Puff freigibt, das auch aus einem von Leones Western stammen könnte. Auch „Es war einmal in Amerika“ ist wie ein Western konzipiert und Teil seiner 1968, 1971 und eben 1984 entstandenen „Es war einmal“-Trilogie, die zwar keine handlungsrelevanten, aber durchaus inhaltliche und stilistische Parallelen aufweist. „Wenn ich so eine Kakerlake bin, warum hast du mir dann Dein `tush´ gezeigt“, frägt young Noodles Deborah, aber mit ihrer Antwort lässt sie ihn mehrere Jahre im Ungewissen. Ein besonders witziger Einfall ist das Pastry (Kuchen)-Geschenk für Peggy, das der Junge – immer noch mehr Knabe als Mann – schließlich selbst verzehrt. Noch beschränkt sich die Libido auf Süßes, aber das wird sich bald ändern.
„L’chaim!“ und Kosher Nostra
Schon früh zeichnet sich die Konkurrenz zwischen Max und Noodles ab, in Kindheitstagen ging es um die Uhr, später um Macht, Einfluss, Geld und Frauen. „I came to divvy up“ wird bald ein geflügeltes Wort von Max, der auf keinen Fall von Noodles „verrückt“ genannt werden möchte. Auf der Wiedersehensfeier nach Noodles‘ Gefängnisaufenthalt prosten sie sich mit dem hebräischen Trinkspruch „L'chaim“ (deutsch: Auf das Leben!) zu, aber „Shtunck“ liegt jetzt schon in der Luft. Die Handlung des Filmes basiert auf dem teilweise autobiografischen Roman „The Hoods“ von Herschel Goldberg, daher rühren wohl auch die vielen jiddischen Ausdrücke, die Leone im Film verwendete, obwohl er die Rechte für den Roman nie bekam und so das ganze Drehbuch von Leonardo Benvenuti, Piero De Bernardi, Enrico Medioli, und Franco Arcalli und Franco Ferrini neu schrieben ließ. Dass die Kosher Nostra sich auf die Seite des Gewerkschafters . Jimmy "clean hands" Conway schlägt und so quasi die socialist workers Party unterstützt ist nicht ganz so weit hergeholt, wenn man denkt, dass sich auch der reale Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa der Cosa Nostra bedient hatte, um seine gewerkschaftlichen Ziele im Arbeitskampf durchzusetzen. Ein „Yutz“ (fool) also, wer glaubt Leone hätte seine Hausaufgaben nicht gemacht. Dass auch Leones Herz ohnehin links schlug wird auch durch einen Dialog zwischen Max und Noodles deutlich. „You still think like some schmock from the streets“, meint Max giftig. „I like the smell of the streets, it makes me feel good and I like it because it opens up my lungs. And it gives me a hard on.“
Showdown in Gänsefedern
Sergio Leone verwendet immer wieder fantastische Bilder. So führt eine Verfolgungsjagd mit anderen Gangstern etwa ausgerechnet in eine Bettfedernfabrik und was könnte poetischer sein, als ein Tod bedeckt durch Gänsedaunen. Bei all der Brutalität legt Sergio Leone aber auch immer wieder sehr viel Augenmerk auf die Liebe. Absurde und komische Szenen wie die Babyvertauschungsszene, um den amtierenden Cop New Yorks zu erpressen wechseln sich mit einem romantischen Dinner vor und in der Kulisse des Excelsior in Venedig ab. Noodles hat kurzerhand das ganze Restaurant des Nobelhotels am Lido reserviert und so kann Deborah sich einen von 40 Tischen aussuchen. Noodles, der zuvor noch gegenüber der Hure von Max beim „4er-Schwanzvermessen“ („There is only one of you, I got to know personally, though“) äußerte, dass er „not that kind of guy“ sei, vergewaltigt später im Auto Deborah und zeigt auch dadurch seine Verzweiflung. „We've been hanging out to long together, we are starting to look like each other“, meinte Noodles noch zuvor und schob ein „(…)besides I'm afraid, if I give you a crack, you will like it“. Das große Dinner im Excelsior endet ebenso in einer Tragödie wie die Bestellung beim Kellner: „Chateaubriand, pommes frites a nature“. „Where did you learn that parlez vous Francais-dishes ?“ frägt Noodles mit dem unterdrückten Zorn des emporgekommenen Proletariers, der nie eine solche Erziehung genossen hatte. Aber später bekennt er – vor dem Excelsior liegend – dass er im Gefängnis nur an zwei Dinge dachte: das „: I slipped“ von Dominic als er von Bugsy getötet wurde und sie, Deborah. Ihre Antwort: „I was off to leave tomorrow, I want let you know.“ And off she goes to Hollywood…
Alkohol und Politik
Mit dem Volstead Act – der Aufhebung der Prohibition die von 1919-1933 dauerte – werden die Bootlegger um Max und Noodles arbeitslos. Die Prohibition wird sogar in einem Sarg zu Grabe getragen und damit auch die Freundschaft zwischen Max und Noodles. Das Kaffeelöffel umrühren in der Szene zuvor ist so nervenaufreibend, dass sich der ganze Körper dabei anspannt. Nach 30 Jahre begegnen sich auch Deborah und Noodles wieder „We were both getting old. What we have is our memories.“ In der großen Begegnung der beiden Kontrahenten am Ende des Films zeigt der eine Gnade, der andere Verzweiflung. Die Müllschluckerszene mit der Hymne „Good bless America“ hat Kinogeschichte geschrieben, genauso wie „Robert de Niro’s smile“ am Ende des Films, die letzte Eisntellung, wieder in der chinesischen Opiumhöhle, kurz nach dem Verrat, der seine Freunde vor der FRB retten sollten. Aber am Ende ist auch der Verräter ein Verratener, wie Noodles bald herausfindet. Max hatte ihm alles genommen, und doch liegt mehr Seligkeit im Verzeihen und Vertrauen, als in Rache und Selbstjustiz.

Sergio Leone
Mit Robert De Niro, James Woods, Elizabeth McGovern, Joe Pesci

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-01-13)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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