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Rezensionen


 
Richard Linklater - Waking Life
Buchinformation
Linklater, Richard - Waking Life bestellen
Linklater, Richard:
Waking Life

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(Bücher frei Haus)

„Hey! You! A dreamer?“ „Yeah.“ „things have been tough lately, for dreamers. It has just been forgotten, removed from our language, so nobody knows it still exists. Dreamers are vanished to obscurity. I am trying to change that. By dreaming. Every day.“, meint ein Flaneuer zum Protagonisten, der durch diesen Film wie durch einen Traum gleitet und einfach nicht aufwachen kann, weil er so viel darin erlebt. Er begegnet den interessantesten Personen des 21. Jahrhunderts und führt die ganze Zeit philosophische Gespräche, dass es eine wahre Freude ist. Zudem ist der Film nachkoloriert, ein animiertes Farbengewitter voll geballter Sprengkraft, die die Welt zu verändern mag. Oder zumindest das Individuum. Kein Film wäre wohl besser geeignet auf BluRay veröffentlicht zu werden, denn das Filmmaterial wurde zuerst mit Schauspielern auf Video (Mini DV) aufgenommen und dann komplett digital bearbeitet, wodurch aus einem „normalen“ Spielfilm ein Animationsfilm wurde. Tatsächlich ist es Capelight gelungen, eine überaus leistungsstarke Version dieses sehr ungewöhnlichen, genreübergreifenden Films in technisch brillanter Art und Weise auf den Markt zu bringen. Ein wirklich leuchtstarkes, extrem lebendiges Filmerlebnis, das keiner versäumen sollte. Hier noch ein paar Leckerbissen daraus. I’m not saying you don’t know what you are talking about. But [iI am not.“

Memories in another body
Streichquartette klassischer Musik mit Tango Argentina Touch, Höhenflüge durch die Straßen der Stadt, wackelnde und wabernde Bilder, extreme Farbintensität, im Bett mit Julie Delpy und Ethan Hawke, die sich über das Leben in Körper von anderen aus der Perspektive von einer alten Frauen unterhalten: „As if my waking life is her memories“, sagt Julie. Und Ethan erwidert, dass selbst ein toter Körper noch bis zu 12 Minuten Hirnaktivität aufweist, obwohl alle körperlichen Funktionen längst ausgeschalten sind. „Was um Himmel’s Willen machen wir dann die letzten 6-12 Minuten unseres irdischen Lebens?“, frägt sich wohl nicht nur Ethan. Ein anderer Verrückter fährt mit einem Werbelautsprecher auf seinem Autodach durch die Stadt und verkündet die Freiheit von Herrschaft und den Anbeginn des Zeitalters des eigenen Denkens. „A well armed citizen is the best instrument against tyranny“, lautet der Dialog in einer Bar zwischen Bartender und Gast und am Ende schießen sich beide über den Haufen. Benedict Anderson: Zwischen einem Schimpansen und einem normalen Menschen ist weniger Unterschied als zwischen einem normalen Menschen und Nietzsche.

„Sweep me up, Kierkegard!“
Wenn man das Licht nicht abschalten kann, ist man in einem Traum, lautet der Rat eines Gesprächspartners. „The Holy Moment – let’s have one. Film frames it. It’s all aboout layers.“ Oder: „To quote Stevenson: Suicide carried away many, but drinks and devil took care of the rest.“ Resümee: „I don’t want to an ant.“ Andere halten es mit D.H. Lawrence: „It’s not always about reacting verbally. It’s not necessarily passive to not react verbally. We are communicating on so many levels simultaneously…you are probably perceiving directly.“ Dann zerläuft immer wieder die Digitaluhr, die Ziffern lösen sich auf und der Protagonist träumt wieder weiter. Communication is the key: „Life is raging all around me and every moment is magical!“ What I love the most connecting with people“, auch wenn sich dabei herausstellt: „Realizing that you are probably a dream-figure in another person’s dream: that is self-awareness!“ Am Ende wieder das Streichquartett: (Der kongeniale Soundtrack stammt übrigens von Glover Gill und den Österreichern TOSCA): „Just wake up. It’s so easy.“

Manifest des latenten Träumens
Abgesehen von der ästhetischen Präsentation geht es in Waking Life aber auch um nichts weniger als die Essenz des Lebens, die ProtagonistInnen unterhalten sich über den Tod, die Philosophie, das Leben und die Liebe. Die Geschichte eines jungen Mannes, der sein Leben nur träumt und nicht aus diesem Traum aufwachen kann ist eine Reise durch die Welt der Alchemie des 20. Jahrhunderts: im Zentrum steht der Geist und seine Rezeption der Realität, eigentlich genau das, was allgemein Konstruktivismus genannt wird. In den teilweise sehr surrealen Traum- und Wachsequenzen trifft der Protagonist auf Freunde, aber auch auf Philosophen und Universitätsprofessoren. Einer davon erklärt etwa den Existentialismus eines Jean-Paul Sartre zu einer Philosophie des freien Willens, denn wer darin eine Verzweiflung sehe, habe diese französische Philosophierichtung falsch verstanden. Vielmehr gehe es um die Erkenntnis, dass sich jeder seine Realität selbst konstruiere und insofern auch frei sei, frei sich für dieses oder jenes zu entscheiden, frei auch, zu wählen. Diese Philosophie lasse dem Menschen ein große Freiheit, zu tun, was er wolle.

Extras und Preise
Auch Julie Delpy und Ethan Hawke, die der Regisseur Richard Linklater schon in seiner Trilogie „Before Sunrise-Before Sunset-Before Midnight“ über mehr als 20 Jahre hinweg porträtiert hat, spielen in Waking Life wieder mit. Auch sie philosophieren über den Sinn des Lebens, die Reinkarnation, Wahrnehmung, Realität oder über die condition humaine (die menschliche Existenz) im Allgemeinen. Extras: - Audiokommentar von Regisseur Richard Linklater, - Animationsregisseur Bob Sabistan, Darsteller Wiley Wiggins und Produzent Tommy Pallotta, - Audiokommentar der Film-Animatoren, - deutschsprachiger Trivia-Track über dem gesamten Film, - Live Action Greatest Hits: 12 min, - Animationssoftware Tutorial: 20 min, - Featurette: 4 min, - 19 entfallene, alternative und Test-Szenen; - Kinotrailer. Waking Life erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen, etwa den National Society of Film Critics Award, den New York Film Critics Circle Award und den CinemAvvenire Award der Filmfestspiele von Venedig. Kurz gesagt: Ein geniales Meisterwerk, das man sich gleich mehrmals anschauen sollte, um es in seiner ganzen Vielseitigkeit zu verstehen.

Richard Linklater
Waking Life.
Blu-Ray 2001/2015,
www.capelight.de
101 min, FSK: Ab 12 Jahren

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-11-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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