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Klaus Albrecht Schröder - Van Gogh: Gezeichnete Bilder
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Schröder, Klaus Albrecht:
Van Gogh: Gezeichnete
Bilder

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(Bücher frei Haus)

Hrsg. von Klaus Albrecht Schröder, Sjraar van Heugten, Marine Vellekoop, Heinz Widauer.

“Wozu könnte ich taugen, könnte ich nicht auf irgendeine Art dienen und nützlich sein?“ So habe Vincent van Gogh (1853 – 1890) im 133. seiner 650 Briefe an seinen Bruder Theo über sein Leben sinniert. Tatsächlich hatte der spätere Maler bis zu seiner eigentlichen Berufung ein abenteuerliches Leben geführt. Über 22 Wohnorte, einige gescheiterte Liebesaffären, darunter mit einer Prostituierten namens Sien, mehrere Geschlechtskrankheiten, familiäre Konflikte - Bruderkrieg inbegriffen.

Van Gogh der Schulabbrecher
Außerdem war van Gogh gewissermaßen ein „Schulabbrecher“. Nicht weniger als drei Mal hatte er versucht, sein Selbststudium mit akademischen Kursen zu untermauern, aber niemals hatte er sie abgeschlossen. Er besuchte den ersten Anfängerkurs 1880 in Brüssel, die erste Malklasse im Januar 1886 an der Kunstakademie von Antwerpen und dazwischen unterrichtete ihn sein angeheirateter Vetter oder er übte an der Privatakademie des erfolgreichen Pariser Salonmalers Fernand Cormon (1845 bis 1924), wo er die „Kommilitonen“ Henri de Toulouse-Lautrec, Georges Seurat, Emile Bernard und Paul Signac, die seine Freunde wurden, traf. Den „Schulstress“ hielt Van Gogh aber nur drei Monate durch, auch von der Akademie in Brüssel hatte er nach knapp einem halben Jahr genug gehabt, von der Antwerpener Hochschule nach etwa acht Wochen. Nachdem er sich als Kunsthändler und Theologiestudent versucht hatte, verdammte er schließlich „die ganze Universität als unbeschreiblichen Schwindel wo lauter Pharisäertum gezüchtet wird“ - und schmiss alles hin.

Der folgenreichste Flop seines Lebens ereignete sich 1879 im belgischen Bergbaubezirk Borinage, wo er als Evangelist und Laienprediger Fuß fassen wollte. Bereits nach neun Monaten wurde er gekündigt und sah sich erstmals tatsächlich vor den Trümmern seiner Existenz und stellte sich wohl nicht zum ersten Mal die eingangs zitierte Frage.

Maler der teuersten Gemälde der Welt
Der geborene Pastorensohn verharrte Zeit seines Lebens in der Abhängigkeit von seiner Familie. Die Hilfsbereitschaft seiner Eltern, die ihn schon früher mit Wäschepaketen und Überweisungen unterstützten wurde nach dem Tod des Vaters (1885) durch seinen Bruder Theo lückenlos fortgeführt. Vincent bekam 2660 Franc in die Provence nachgeschickt. Das war zwar ein stattliches Gehalt, Vincent kam aber dennoch nicht damit aus. Man kann aber deswegen nicht behaupten, dass er unter Not litt, wie die Legende vom armen Künstler besagt. Theo besuchte seinen „gestrandeten Bruder“ einmal und soll ihm vorgeschlagen haben, sein „Rentnerdasein“ doch zu beenden und einfach Bäcker zu werden. Die schlimmste Krise mit Theo erfuhr die Beziehung in Den Haag, wo Vincent 1882 dort eine schwangere Prostituierte heiraten wollte. Als er sich am 27. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise mit 37 Jahren an einem Ackerrand die tödliche Kugel gab, starb ein Maler, der angeblich nur die Krähen verscheuchen wollte, die sein Motiv störten. Der sprichwörtliche „Schuss ins Kornfeld“ wurde zum „Schuss im Kornfeld“. Und Van Gogh nach seinem Tod zum berühmtesten und teuersten Maler: 82,5 Millionen Dollar erzielte 1990 Vincents Porträt des Mediziners Paul-Ferdinand Gachet bei Christie&apos in New York. Van Goghs Gachet-Bild war lange das teuerste Kunstwerk der Moderne, bis es dann von Picassos „Junge mit Pfeife“ und kurzfristig auch von Klimts „Goldener Adele“ 2006 abgelöst wurde. Heute rangiert es auf Platz 5 der teuersten Gemälde der Welt. Van Gogh, der nie studiert, nie ausgestellt und zeitlebens nur ein einziges Ölbild verkauft hat, schuf immerhin drei der zehn teuersten Gemälde der Welt.

Van Gogh’s Selbstbild
Er selbst empfand sich zeitlebens übrigens nie als besonders sympathisch. Er, der 1879 als Evangelist im belgischen Bergwerksdistrikt Borinage anscheinend jede Raupe mitfühlend vom Weg geklaubt und auf einen Baum gerettet haben soll (wie sich 45 Jahre später ein Pastor erinnerte), der sich in Arles sechs Kerzen an den Strohhut steckte, um bei einbrechender Dunkelheit noch schnell ein Nachtstück zu vollenden und dessen vermeintlicher Freitod wohl eher ein Unfall als ein Suizid gewesen war, empfand sich selbst als „grässlich und reizbar“, was ihn übrigens nicht davon abhielt, immerhin 37 Selbstporträts zu malen. Vincent van Gogh selbst attestierte sich „Schwermut“, wie sie sich auch im Antlitz seines ihn behandelnden Arztes Paul-Ferdinand Gachet abzeichnet, den er 1890 in Auvers durch jenes „teure“ Porträt so gut getroffen hatte. Aber Van Gogh litt nicht nur an sich selbst, sondern auch an „Schwächezuständen“ und Gebissproblemen, Verdauungsstörungen, Zahnweh, Schwindelanfällen, Epilepsie und den Spätfolgen einer Syphilis bis hin zu einer Bleivergiftung mit metallhaltigen Farben und Halluzinationen. Hungerphasen vor dem Eintreffen von Theos monatlichen Schecks soll er übrigens mit 23 (!) Tassen Kaffee überbrückt haben. Wohl nachdem er sich am Abend zuvor mit Wein und Absinth ordentlich zugedröhnt hatte. Denn wer braucht sonst so viel Koffein? „Akute intermittierende Porphyrie“ attestierte ihm übrigens posthum ein Arzt des späteren 20. Jahrhunderts. Die Stoffwechslerkrankung werde vor allem durch Fehlernährung ausgelöst, bezüglich Van Goh wohl sicher eine zutreffende Diagnose.

Das Vorbild Japan
Die Ausstellung in der Albertina ist seit dem 5. September 2008 zu sehen und läuft noch bis zum 8. Dezember 2008. Die Ausstellung widmet sich vor allem dem Zeichner Van Gogh und veranschaulicht mit 150 Werken, wie sehr die expressive Pinselführung in seinen Gemälden durch seine ebenfalls ausdrucksstarke Zeichenkunst vorbereitet wird. 50 Gemälde und 100 der bedeutendsten Aquarelle und Zeichnungen von über 60 Leihgebern aus aller Welt zeigen das Verhältnis zwischen Van Goghs neuer Koloristik und seiner ausdrucksstarken Linienkunst in ihrer unauflösbaren künstlerischen Einheit, und natürlich sind die meisten davon auch im vorliegenden Katalog abgedruckt. In Paris hatte sich der Maler neben der Ölmalerei zunehmend mit Aquarellfarben beschäftigt und so entstand vor allem eine Reihe lichterfüllter Stadtansichten, die durch Farbholzschnitte von japanischen Meistern wie Hiroshige beeinflusst waren. „Meine ganze Arbeit baut sich sozusagen auf den Japanern auf.“, soll Van Gogh selbst einmal über sein Werk gesagt haben. Van Gogh experimentierte mit allerlei Zeichengeräten und Materialien, überpinselte Graphitlinien mit Milch, um sie zu fixieren und ihnen den störenden Glanz zu nehmen. Besonders schätzte er – passend zu den bäuerlichen Motiven seiner Frühzeit – eher rustikale Mittel wie den klobigen Zimmermannsbleistift oder die fettreiche Lithokreide, deren tiefes Schwarz einige seiner besten Figurenstudien prägt.

Die Ausstellung in der Albertina, Wien
Auch mit der breiten Rohrfeder suchte van Gogh den von ihm bewunderten Japanern nachzueifern, obwohl diese nur mit dem Pinsel getuscht hatten. Die Landschaftsblätter dieser Zeit zeigen deutlich die Wechselwirkung zwischen Zeichnung und Malerei. Die Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Van Gogh-Museum Amsterdam erarbeitet und sie ist die größte Präsentation des Werkes Van Goghs seit der Amsterdamer Jubiläumsausstellung 1990. Außerdem seit über einem halben Jahrhundert die erste Van Gogh-Ausstellung in Österreich. Leihgeber sind u.a.: Van Gogh Museum (Amsterdam), Kröller-Müller Museum (Otterlo), Metropolitan Museum of Art (New York), Musée d’Orsay (Paris), National Gallery of Art (Washington), Guggenheim Museum (New York), Puschkin Museum (Moskau), Armand Hammer Museum (Los Angeles) und private Sammlungen. Der vorliegende prächtige Katalog zur Ausstellung beinhaltet u. a. Beiträge von Klaus Albrecht Schröder, Martin Bailey, Sjraar van Heugten, Fred Leeman, Teio Meedendorp, Marije Vellekoop und Heinz Widauer. Katalogbeitr. von Stefanie Chaloupek, Fred Leeman, Heinz Widauer und Denise Willemstein und ist natürlich reich illustriert und mit seinem Großformat und den 470 Seiten wohl eine der schönsten und komplettesten Sammlungen der Werke Van Goghs.

DuMont Literatur und Kunst Verlag
470 Seiten, viele Illustrationen
ISBN 978-3-8321-9157-3

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2008-11-19)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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