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Literaturforum: was macht lyrik aus?


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Forum > Sonstiges > was macht lyrik aus?
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 Thema: was macht lyrik aus?
Jasmin
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40. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 01.06.2005 um 23:23 Uhr

Ich lese gerade ein Interview mit Jörg Schön, Herausgeber des Gedichtbandes Literarische Steine. Aus dem Fundus des Münchner Literaturbüros hat er aus 4.000 Werken 120 Gedichte ausgesucht.

Auf die Frage nach welchen Kriterien er die Gedichte ausgesucht habe, antwortet Schön:

Ein Werk muss mich berühren, muss mich aufhorchen lassen, mich innehalten lassen, muss wie ein Schlag vor die Brust sein, muss im Moment des Lesens alle anderen Gedanken löschen.

Auf die Frage, woher ein Gedicht seiner Meinung nach diese Kraft nehme, erklärt er:

Wenn die Dichterin, der Dichter von einem intensiven Gefühl bei der Entstehung des Werkes gepackt ist, in der Literaturwissenschaft spricht man von Emphase, dann finden sich auch die Worte und deren Reihung und so überträgt sich dieses intensive Gefühl über das Werk auch auf die Leserin, den Zuhörer. Es heißt ja: „Nur wer selber brennt, kann andere entzünden.“

Daraufhin wirft der Fragesteller ein, dass es offenbar den meisten an intensiven Gefühlen fehle oder er wohl die falschen Gedichte lese. Er fragt, ob es nicht auch den Fall geben könne, dass jemand zwar ganz intensiv etwas empfinde, das Gedicht aber dennoch nichts sagend bliebe.

Dazu Schön:

Das könnte die Situation eines Anfängers sein. Er braucht Jahre, um seine Sprache, ja überhaupt Vertrauen in seine Sprache zu finden, den Weg in sein Innerstes aufzuspüren, den Mut sich dann damit auseinander zu setzen und es vor allem auch preiszugeben. Im Übrigen haben wir auch Dichterinnen und Dichter, die wie unter einem unheiligen Zwang stehen: Sie schreiben sich die eigenen Werke kaputt. Der eine leidet unter dem Gefühl, dass mehr Belesenheit durchscheinen müsse, die andere glaubt, dass jedes Werk noch eine soziale Komponente brauche, ein anderer hat sich einen bestimmten Schreibstil in den Kopf gesetzt.

Aus: Sandra Uschtrin, Michael Joe Küspert (Hrsg.), Handbuch für Autorinnen und Autoren



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Immer
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41. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.06.2005 um 03:03 Uhr

einen dichter zeichnet aus, dass er die wahrheit sagt. dies mag nun ein wenig relativ erscheinen (im besonderen in dieser post-(post?) modernen) zeit. aber es ist so- ein dichter hat die wahrheit zu sagen und sich selbst metaphorisch zu verprügeln. ich bin der meinung, dass es unmöglich ist zu lernen dichter zu sein, jedoch kann man lyrik so wie jede kunst bis zu einem gewissen grad erlernen und verfeinern. (nur absolute barbaren glauben, dass kunst nicht auch anstrengung und große übung erfordert).

nun wharheit: meiner meinung nach ist sogenannte wahrheit im speziellen in dieser form der informationübermittlung (der dichtung) verstärkt zu finden: im mythos, in der magie und in der kunst. das sind die paradigmen, welche unabhängig von zeitlichen und wissenschaftlichen strömungen einsichten zu transportieren vermögen.(dazu gehört natürl. auch d lit) aber dichtung ist wie d name sagt- konzentrierter, eben ver-dichteter.

so führt das alte red book of hergest drei charakteristika für eine guten dichter an:
1. mythen
2. poietische kraft (schöpferisches, kreatives potential)
3. repertoire an alten versen (tradition)

Abgesehen von jenem wahrheitsanspruch kommt dann noch der der musikalität des klanges hinzu (obwohl dies sich schon etwas relativiert hat- va im 20.Jhdt)

es wäre noch sehr viel über dieses thema zu sagen, aber ich habe keine lust mehr- ein dichter zu sein ist nicht jedem gegönnt- das ist meine meinung- und es ist sowieso nicht wünschenswert, ja gewissermaßen ein fluch, einer zu sein- aber trotzdem bin ich zufrieden damit- nur die materielle armut geht mir auf die nerven...:) (ihr könnt mich, ich geb smilies rein wann ICH will) ;) (denn auch sie sind eine form der effektiven kommunikation)

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Kenon
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42. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.06.2005 um 11:47 Uhr

Zitat:

einen dichter zeichnet aus, dass er die wahrheit sagt.

Das unterschreibe ich gern.

Wahrheit, rücksichtslose Wahrheit, wie hässlich Du oft bist!

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Jasmin
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43. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.06.2005 um 20:10 Uhr

Keiner kennt die Wahrheit.
Manche verwechseln die Wirklichkeit mit der Wahrheit. Den Traum mit der Wirklichkeit.
Aber die Wirklichkeit ist nicht die Wahrheit.

Dichtung ist erfundene Wahrheit.

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Kenon
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44. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.06.2005 um 20:23 Uhr

Es geht um die persönliche Wahrheit – und die kann man sehr wohl entdecken. Die meisten Menschen sind allerdings zu bequem dazu, ihnen ist das Lügen zur Gewohnheit geworden, sie spinnen sich selbst und andere Menschen in ihre fürchterliche Falschheit ein.

"Alle verstellten die Stimme und logen gegeneinander. So ein feines, zirpendes Stimmchen machten manche, um sich einzuschmeicheln - manchmal brüllten auch die Lehrer, obwohl es ihnen gar nicht so brüllend zumute war. Wozu das? Die vielen verstellten Stimmen? Verfügt jeder Mensch über mehrere - und die eigene, die verschweigt er, oder hat sie verloren?"

Aus: Johannes R. Becher, Abschied, 1940

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Jasmin
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45. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 02.06.2005 um 23:31 Uhr

Es kann auch andere Gründe haben, warum ein Mensch seine persönliche Wahrheit noch nicht entdeckt hat. Es muss nicht allein Bequemlichkeit und Falschheit dahinter stecken. Manche Menschen werden gezwungen, sich immer wieder hinter Masken zu verstecken, um ihr Überleben zu sichern. Sie schalten das System des Fühlens ab und spielen Rollen, weil gewisse Schmerzen die Grenze des Erträglichen überschreiten.

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Sabine Marya
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46. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 03.06.2005 um 15:57 Uhr

So ist es z.B. mit allen traumatisierten Menschen. Die mussten sich selber ja verstecken, um zu überleben. Jedes Fühlen ist zu gefährlich, und jedes sich selber Spüren ebenfalls.
Manche schaffen es in der Therapie, sich selber zu entdecken + sich auf die Gefühle ein zu lassen. Andere sind gefangen in psychischen + psychiatrischen Erkrankungen oder sterben, bevor sie die Chance hatten, sich selber + die eigene Gefühlswelt erforschen zu können.


LEBE! Heute!!!
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Jasmin
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47. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 03.06.2005 um 21:33 Uhr

Insbesondere wenn man schon sehr früh und sehr oft traumatisiert wurde, geht einiges kaputt, das später kaum noch reparabel ist. Es entstehen Narben, eine nach der anderen - und Narbengewebe ist nicht empfindsam.

Wenn Eltern ihre Kinder dazu bringen, sich schlecht und schuldig zu fühlen, dann werden diese Kinder wahrscheinlich später immer wieder Situationen produzieren und anziehen, in denen sie sich schlecht und schuldig fühlen müssen. Es ist wie ein Zwang, denn wer tief in seinem Inneren von der eigenen Schlechtigkeit überzeugt ist, der wird immer wieder in menschlichen Beziehungen diese Schlechtigkeit unter Beweis stellen wollen.

Schmerzhaft ist das dann für die Menschen, die mit dieser Schlechtigkeit nicht gerechnet haben, da sie ja nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, sondern erst, wenn man diesem Wesen zu nahe kommt.

Von sich aus greifen Quallen nicht an. Erst, wenn man mit ihnen in Berührung kommt, wenn etwas gegen ihren Stachel kommt, berstet die Nesselzelle und feuert eine kleine Spitze an einem Faden heraus. Die Spitze verletzt das Beutetier und das Gift, das in die Wunde kommt, vergiftet es.

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Sabine Marya
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48. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.06.2005 um 11:42 Uhr

Ein Weg heraus aus dieser Destruktivität von verletzten Menschen kann sein, Psychotherapie zu machen + die alten Programme zu löschen und/ oder durch neue gesunde zu ersetzen. Das ist möglich. Das zeigt sich z.B. an sich selbst verletzenden Menschen, die leren, in kleinen Schritten, sich z.B. nich mehr mit dem Messer zu schneiden. Erst lernen sie, sich nur noch ein wenig zu verletzen, also z.B. nicht mehr so schlimm, dass es genäht werden muss. Dann oder parallel dazu lernen sie Ersatzhandlungen wie Cololpacks auflegen, rote Striche aufmalen, sich mit einem Gummiband schnipsen etc. oder sich zu bewegen (laufen, joggen, brüllen...) oder ewtwas anderes kaputt zu machen, z.B. Glasmüll oder Holzhacken, bis der Schnippeldruck immer weniger wird, auch, weil sie lernen, solche Situationen zu meiden oder abzulehnen, die in ihnen Schnippeldruck auslösen.
Sie lernen, sich selber zu verzeihen + mit dne inneren + äußerne narben zu leben. Und ein Rückfall bedeutet nicht das Ende, sondern ist ein Warnhinweis, besser hin zu schauen, wo noch mehr auf sich aufgepasst werden muß.
Das Ganze ist aber ein Prozeß von Jahren, und es ist wichtig, dass sie dann nicht aufgeben.


LEBE! Heute!!!
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Immer
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49. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 05.06.2005 um 04:12 Uhr

Diese Nachricht wurde von Immer um 04:14:12 am 05.06.2005 editiert

Zitat:

Es geht um die persönliche Wahrheit – und die kann man sehr wohl entdecken. Die meisten Menschen sind allerdings zu bequem dazu, ihnen ist das Lügen zur Gewohnheit geworden, [...]
Arne: Das sehe ich ähnlich. Mein Leben und alles, was es beinhaltet, ist meine Wahrheit, und damit sage ich nicht, dass es die einzige absolute Wahrheit wäre. Ich glaube Schiller sagt dasselbe in einem seiner empfehlenswerten Aufsätze. Die Wirklichkeit ist auch relativ: aber wir können an ihr gemeinsam teilhaben, indem wir dieselben Worte teilen, doch sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir je genau die selben Erfahrungen teilen oder haben können. Dichtung hat im Gegensatz zu Literatur den Vorteil (der zugleich ein Nachteil ist), dass sie immer höchst persönlich und offener für verschiedenste Interpretationen ist. Aber zugleich hat sie auch eine größere mystische (oder wenn man nicht an Religion etc glaubt: ) eine ketzerische, subversive, sich selbst auflösende Komponente. Durch sie ist es uns gewissermaßen gegeben ihr Medium- die Sprache selbst zu transzendieren, zu übersteigen und dies durch sie- dieses Ungreifbare, zwischen den Zeilen sich Befindliche macht einen anderen ihrer Anreize aus..

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