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Literaturforum: was macht lyrik aus?


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Forum > Sonstiges > was macht lyrik aus?
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 Thema: was macht lyrik aus?
Jasmin
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70. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 19.06.2005 um 14:25 Uhr

Zitat:

Also ist Lyrik nur eine Sache der Aufmachung.

Ein "Zettelpoet" verbreitet seine sozialkritische Lyrik in ganz Wien - und handelt sich damit mächtig Ärger ein. Über 2000 Anzeigen in 30 Jahren konnten ihn aber nicht von seiner Alltagskunst für jedermann abbringen.

Seine Gedichte hängen zu Hunderten in U-Bahn-Stationen, an Bäumen und Baugerüsten. Jedermann soll eins "pflücken" und mitnehmen. Seit 30 Jahren klebt der 52-jährige Helmuth Seethaler seine Lyrik direkt in die Öffentlichkeit - und zieht damit den Ärger der Wiener Behörden auf sich.

"Damit erreiche ich auch diejenigen, die sonst nie lesen."

Der Dichter verwendet Doppelklebeband. Innerhalb weniger Sekunden hat er die Säule in der U-Bahnstation Stephansplatz eingewickelt und beginnt eifrig, seine bedruckten Zettelchen darauf zu kleben. Darunter mindestens zwei bis drei Mal pro Säule die Aufforderung "Pflück dir ein Gedicht". Im Vorbeigehen schauen Leute fragend herüber, einige bleiben stehen und lesen und pflücken Gedichte. "Meine Kunst kann jeder haben", sagt Helmuth Seethaler. "Damit erreiche ich auch diejenigen, die sonst nie lesen."

Nach dem Abitur veröffentlichte Seethaler 1974 erste Gedichte in einem Buch. Doch er wollte die Menschen direkter ansprechen und begann, seine meist sozialkritische Lyrik an die Wände Wiens zu kleben. Das aber brachte Polizei, Wiener Verkehrsbetriebe, Stadtverwaltung und Privatpersonen auf den Plan: Sie haben Seethalers Werke immer wieder abgerissen und ihn angezeigt, unter anderem wegen vorschriftswidrigen Plakatierens, Sachbeschädigung und Verunreinigung. Über 2000 Anzeigen hat er sich so eingehandelt. Abgesehen von etwa zehn Verurteilungen wurde er in allen anderen Fällen jedoch in zweiter Instanz freigesprochen.

[...]

"Der Wiener sucht halt etwas zum Nörgeln. Früher hat das wehgetan, aber heute genieße ich es", sagt Seethaler. Schließlich beschwert er sich als Wiener auch selbst gern. Auf einem Zettel der neben den Gedichten klebt, schreibt er in dicken Lettern: "Ich kann nicht mehr. ZERMÜRBT, FERTIGGEMACHT, GEDEMÜTIGT von Polizei-Kunstexperten." Dabei waren die vergangenen Jahre für ihn sehr ruhig. Seitdem der oberste Gerichtshof Österreichs 1998 seine Zettelgedichte als Kunst anerkannt hat, wird er immer seltener angezeigt.



http://www.stern.de/unterhaltung/buecher/540347.html?nv=nl_hp_rt

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Jasmin
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71. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 19.06.2005 um 17:18 Uhr

Zitat:

Von so einer Abhängigkeit ist es meist nur ein kleiner Schritt bis zum tatsächlichen Missbrauch. Dieser Gefahr sollte man sich bewusst sein.

Man sollte sich aber auch immer der Gefahr bewusst sein, dass man andere Menschen durch sein Verhalten, durch bewusste unterlassene Hilfeleistung, in den Tod treiben kann.

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Kenon
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72. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 20.06.2005 um 18:27 Uhr

Zitat:

Man sollte sich aber auch immer der Gefahr bewusst sein, dass man andere Menschen durch sein Verhalten, durch bewusste unterlassene Hilfeleistung, in den Tod treiben kann.

Man muss sich auf seine Erfahrung und Intuition verlassen. Man hilft jemandem, dessen Hilfeschrei nur eine Überfalltaktik ist, vielleicht dennoch einmal, auch zweimal wider besseren Wissens, aber irgendwann nicht mehr. Man ist des Spielchens überdrüssig geworden.

Helfen ist nicht gleich Helfen. Man kann einem Hungernden mit einem Stück Brot oder bei der Durchführung eines Terroranschlages helfen. Ebenso ist - um zum Thema zurückzukehren - Gedicht nicht gleich Gedicht. Eines bemüht sich um Transzendenz, ein anderes suhlt sich im Sumpf menschlicher Schäbigkeit.

Zu diesem Hilfe-Thema ist mir folgendes Geschichtchen eingefallen:

"Ein Panzergrenadier auf Amokfahrt; erst die Menschen plattwalzen und später dann verfluchen, weil sie ihm bei der nächsten Panne nicht mehr hilfsbereit zur Seite springen könnnen/wollen - wie auch immer. Oh, grau-grausame Welt! Wie soll der arme Panzergrenadier die Ketten ganz allein wieder aufziehen, um die Menschen einmal mehr überfahren zu können? Iter et reiter ad infinitum."

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Jasmin
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73. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 25.06.2005 um 01:36 Uhr

Zitat:

Man hilft jemandem, dessen Hilfeschrei nur eine Überfalltaktik ist, vielleicht dennoch einmal, auch zweimal wider besseres Wissen, aber irgendwann nicht mehr. Man ist des Spielchens überdrüssig geworden.

So ein Pech aber auch, wenn der Betreffende sich beim ersten, zweiten Mal noch nicht umgebracht hat. Vielleicht schafft er es ja im dritten Anlauf? Hat man dann zwei Mal sich umsonst Sorgen gemacht.

Zitat:

Gedicht nicht gleich Gedicht. Eines bemüht sich um Transzendenz, ein anderes suhlt sich im Sumpf menschlicher Schäbigkeit.

Ja, natürlich. So ist es. Man möge sich auf seelengruende.de umschauen, um zu sehen, wie man transzendente Gedichte zu schreiben hat.

Zitat:

Wie soll der arme Panzergrenadier die Ketten ganz allein wieder aufziehen, um die Menschen einmal mehr überfahren zu können? Iter et reiter ad infinitum."

Er schafft es auch so, wenn man ihn nur genügend provoziert. Und dann ist er wieder schuld an allem. Man spuckt ihm ins Gesicht und gibt ihm Schxxxxe zu fressen. Aber er ist schuld an allem. Einzig und allein nur er. Hauptsache man findet einen Sündenbock.

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Kenon
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74. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 25.06.2005 um 02:18 Uhr

Was macht Lyrik aus?

Zitat:

Der Dichter meidet strahlende Akkorde.
Er stößt durch Tuben, peitscht die Trommel schrill.
Er reißt das Volk auf mit gehackten Sätzen.

Johannes R. Becher in seiner futuristischen Phase. (Aus: "An Europa", 1916)

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Kenon
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75. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.06.2005 um 22:06 Uhr

Fundstück 608.243:

»Die wenigen, die das Gedicht brauchen, haben zu allen Zeiten Mittel und Wege gefunden, sich der Poesie zu versichern. Mehr kann der Dichter nicht erwarten. Warum also klagen?« (Reiner Kunze, zitiert in Gefällter Riese)

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Jasmin
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76. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.07.2005 um 10:14 Uhr

Hier ein Hinweis auf einen interessanten Artikel, leider aus der konservativen Welt, was ihm aber keinen Abbruch tut:

Freiheit fόr Verse

Die Literaturwerkstatt Berlin macht im Internet viele Gedichte zugδnglich

von Wieland Freund

Wenn die Literatur, όberrannt von den apokalyptischen Reitern der neuen Medien, in den Untergrund geht, dann geht die Lyrik zuerst. Einst war sie die Kφnigin, jetzt ist sie das Aschenputtel der Literatur.


Ein tausendmal verkaufter Gedichtband gilt heute als Erfolg, auf der Website lyrikline.org macht man sich keine Illusionen: "Seit langem", heiίt es da, "macht in der Verlagslandschaft die Klage die Runde, daί Lyrik sich nicht mehr verkaufen lasse. Die Drosselung von Editionen und Auflagen scheint konsequent, der Verlust an Rezeptionsmφglichkeiten unausweichlich. Das Segment Lyrik ist auf dem Buchmarkt derart zusammengeschrumpft, daί es nicht einmal mehr die Aufmerksamkeit eingehender statistischer Erhebungen auf sich zieht."

Andererseits kφnnte gelten: Die Poesie geht bloί voran und hat, vor die Wahl "Freiheit oder Kapitalismus" gestellt, als erste literarische Gattung allein die Freiheit gewδhlt. Sie wδre dann schon im Untergrund und suchte nach anderen Distributionsmφglichkeiten, von denen das Internet ihr wohl die nδchste ist.


Quelle:

http://www.welt.de/data/2005/07/08/742581.html



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Kenon
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77. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.07.2005 um 10:51 Uhr

Tja, der Kapitalismus --- [Grinsgesicht]

Ich habe gestern einen Artikel von einer Deutschrussin über die gewandelte Rolle der Literatur in der Sowjetunion/Russland gelesen:

"Jetzt wird die Flut der modernen Literatur in russischen Läden unüberschaubar. Die Qualität lässt nach. Ich habe den Eindruck, man suche Leichtigkeit und Zerstreuung in der Lektüre, wenn es schon im Leben schwer und hektisch zugeht. Eine Schar Schriftsteller liefert Texte, die wie eine Bildzeitung beim Morgenkaffee rutschen oder abends in den ruhigen Schlaf helfen. Ich befürchte, diese Bücher seien wenig langlebiger als eine Zeitung. Das Gelesene werde vergessen wie ein flüchtiger Traum der letzten Nacht. " (Irena Ostmeyer)


***

Der Sinn der Poesie – ist Poesie. Puschkin

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Uve Eichler
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78. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.07.2005 um 19:14 Uhr

Ich hatte vor mehreren Jahren ein Gespräch mit einem Deutschrussen.
Das Gespräch lief eigentlich nur in eine Richtung. Die Literatur in seinem Heimatland war vorgeschrieben. Somit konnte man seine Gedanken im Voraus erahnen.


Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin nur zurechtfinden.
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Kenon
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79. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.07.2005 um 20:52 Uhr

Zitat:

Die Literatur in seinem Heimatland war vorgeschrieben.

Ja, das war sie. Heute hat man die Freiheit, gar nicht oder Schund zu lesen.

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