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Literaturforum: Die Kunst, Recht zu behalten


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Forum > Sonstiges > Die Kunst, Recht zu behalten
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 Thema: Die Kunst, Recht zu behalten
Jasmin
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 20.06.2005 um 16:49 Uhr

Eristische Dialektik

Eristische Dialektik1) ist die Kunst zu disputieren, und zwar so zu disputieren, daß man Recht behält, also per fas et nefas.2) Man kann nämlich in der Sache selbst objective Recht haben und doch in den Augen der Beisteher, ja bisweilen in seinen eignen, Unrecht behalten. Wann nämlich der Gegner meinen Beweis widerlegt, und dies als Widerlegung der Behauptung selbst gilt, für die es jedoch andre Beweise geben kann; in welchem Fall natürlich für den Gegner das Verhältnis umgekehrt ist: er behält Recht, bei objektivem Unrecht. Also die objektive Wahrheit eines Satzes und die Gültigkeit desselben in der Approbation der Streiter und Hörer sind zweierlei. (Auf letztere ist die Dialektik gerichtet.)

Woher kommt das? – Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund aus ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehn, die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele: dies würde gleichgültig, oder wenigstens ganz und gar Nebensache sein. Aber jetzt ist es Hauptsache. Die angeborne Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt, sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe. Hienach hätte nun zwar bloß jeder sich zu bemühen, nicht anders als richtig zu urteilen: wozu er erst denken und nachher sprechen müßte. Aber zur angebornen Eitelkeit gesellt sich bei den Meisten Geschwätzigkeit und angeborne Unredlichkeit. Sie reden, ehe sie gedacht haben, und wenn sie auch hinterher merken, daß ihre Behauptung falsch ist und sie Unrecht haben; so soll es doch scheinen, als wäre es umgekehrt. Das Interesse für die Wahrheit, welches wohl meistens bei Aufstellung des vermeintlich wahren Satzes das einzige Motiv gewesen, weicht jetzt ganz dem Interesse der Eitelkeit: wahr soll falsch und falsch soll wahr scheinen.


Arthur Schopenhauer

http://gutenberg.spiegel.de/schopenh/eristik/eristik.htm


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Annemarie
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 28.06.2005 um 12:26 Uhr

Liebe Jasmin,

die Kunst, Recht zu behalten, scheitert dort, wo der Ansatz zum Verstehenwollen da ist.
Wenn der andere es verbal versteht, Recht zu behalten, müssen wir uns nicht auf die gleiche Ebene mit ihm begeben. Wir können versuchen, das, was er sagt, zu verstehen, nicht nur akkustisch. So ist diese Art von Kommunikaton entwaffnend geworden. Recht behalten muß nur jemand, der sich in die Enge gedrängt fühlt. Geben wir ihm genug Raum, hat er das nicht mehr nötig.

Annemarie

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Jasmin
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 18:29 Uhr

Liebe Annemarie,

ja, das stimmt. Da, wo der Wunsch existiert, die andere, fremde Gegenposition zu verstehen, da ist kein Bedürfnis, Recht zu behalten. Ich frage mich inzwischen auch, was es überhaupt für einen Sinn haben kann, Recht zu behalten. Das Wesentliche ist, sein Wissen und seine Kenntnisse zu erweitern, neue Perspektiven und Sichtweisen zu entdecken. Es ist auch wichtig, seinen eigenen Standpunkt zu verlassen und sich in die Position des Dialogpartners begeben zu können. Vor allem sollte man sich nicht allzu sehr mit seinen eigenen Meinungen und Ansichten identifizieren und auch Gegensätzliches gelten lassen.

Liebe Grüße
Jasmin

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Kenon
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 20:10 Uhr

Mao meinte zu dieser Problematik:
Zitat:

Es kann nicht den geringsten Zweifel geben, daß wir falsche Ideen aller Art kritisieren müssen. Es geht natürlich nicht, sich der Kritik zu enthalten, untätig zuzuschauen, wie überall falsche Ansichten um sich greifen, und zu gestatten, daß sie das Feld beherrschen. Fehler müssen kritisiert und Giftpflanzen bekämpft werden, wo immer sie auftauchen. Aber eine solche Kritik soll nicht dogmatisch sein. [...] Was wir brauchen, ist eine wissenschaftliche Analyse, sind restlos überzeugende Argumente.

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Jasmin
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 20:15 Uhr

Diese Nachricht wurde von Jasmin um 20:17:59 am 04.07.2005 editiert

Aber da fängt es ja schon an. Mao sagt damit, dass er weiß, was richtig und was falsch ist. Kann es das aber geben? Absolute Richtigkeit? Ich meine, nein. Die Einen glauben an die Mao-Fibel, die anderen an die Christen-Bibel. Wer hat Recht?

Die Antwort koennte heissen: Was wir brauchen, ist eine wissenschaftliche Analyse, sind restlos überzeugende Argumente. Wer also die besten Argumente hat, der hat Recht. Das grenzt natuerlich automatisch alles Metaphysische aus.

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Kenon
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 20:25 Uhr

Jeder muss gemäß seiner Überzeugung handeln. Manchmal besteht dieses Handeln darin, nicht zu handeln. Mit einem faulen Frieden ist niemandem gedient.

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Jasmin
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 20:33 Uhr

Ich bewundere Menschen, die eine feste Ueberzeugung haben. Diese absolute, dauerhafte Sicherheit kenne ich nicht.

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Kenon
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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 20:43 Uhr

Diese Nachricht wurde von Arne um 20:43:55 am 04.07.2005 editiert

Eine Überzeugung muss sich entwickeln, darf nicht erstarren, sonst ist sie tot und hat demzufolge nichts mehr mit dem Leben gemein. Ein grundlegendes Argument gegen jede Bibel.

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Jasmin
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 04.07.2005 um 23:36 Uhr

Das ist sicher ein gutes Argument. Auf der anderen Seite gibt es vielleicht Wahrheiten, die die Zeit überdauern. Oder ist das ein Trugschluss?

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Kenon
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 05.07.2005 um 11:23 Uhr

Diese Bücherreligionen mit ihrem Absolutheitsanspruch führen zu einem oft sehr seltsamen menschlichen Verhalten. Ich habe mal eine Anekdote aus den 1930er Jahren in der Sowjetunion gelesen, da ging es um das Beheben eines wirtschaftlichen Problems. Man analysierte aber nicht die eigene Lage und suchte auf dieser Grundlage nach geeigneten Lösungen, sondern verfiel darauf, in Karl Marxs Nachlass zu wühlen, ob darin nicht eine Antwort zu finden sei. Was aber hätte Karl Marx von diesem speziellen Problem wissen können?

Der Fehler der Buchreligiösen ist, dass sie sich die Wirklichkeit nach ihren sogenannten Wahrheiten zurechtbiegen müssen, um den Glauben an ihre Bücher aufrecht erhalten zu können. Eine dogmatische Religion ist immer eine bewusste Lüge.

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