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Literaturforum: Schriftbesitz, Schriftbesessenheit


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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Schriftbesitz, Schriftbesessenheit
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 Thema: Schriftbesitz, Schriftbesessenheit
Kenon
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 13.01.2006 um 16:36 Uhr

Nicht mehr als ein anfänglicher Versuch:

Das Denken verdinglicht sich in der Schrift, es trennt sich in ihr vom Subjekt, welches es hervorgebracht. Das verschriftlichte Denken ist ein entörtlichtes und entzeitlichtes, also leblose Substanz, die erst durch den Leser zu neuem Leben erweckt werden kann, sofern er über die dafür notwendigen Kenntnisse der Sprache und sonstige erforderte Bildung verfügt, aber dieses Leben muss, da die Kenntnisse und die Bildung als auch der Charakter wie die Stimmung des Lesenden zwangsläufig nie mit denen des Autoren beim Verfassen einer Schrift identisch sein können, dadurch ein immer anderes, ein abweichendes sein.

Das verschriftlichte Denken ist als Hort des Wissens, d.h. gesammelter Empirie und Spekulation, eine Grundsäule menschlicher Zivilisation. Wer als erwachsener Mensch außerhalb des Lesens und Schreibens steht, wird von der entwickelten Gesellschaft als nicht an ihr teilhabend betrachtet, möglichst seine Unwissenheit verstecken suchen, um nicht allenthalben als ein Barbar behandelt zu werden. Barbar - das ist der brabbelnde Mensch und auch der, welcher seine Sprache nicht zu verdinglichen bzw. die Schrift nicht zu entdinglichen weiß.

Der zivilisierte Mensch erkennt in der Lebensform des Barbaren die überwundene Vergangenheit, die ursprüngliche Harmonie, für deren Zerstörung er keine rationalen Gründe anzuführen vermag. Dieser ursprünglichen Harmonie gilt seine heimliche Sehnsucht, aber die Technik des Lesens und Schreibens, indem sie die Grenzen individuell-menschlicher Erfahrung durch Akkumulation ins potentiell Grenzenlose dehnt, verwehrt ihm die Rückkehr zur Einfachheit. Diese gehemmte Bewegung, deren Ziel das Unmögliche ist, schlägt um in Feindschaft, die dessen eines will: des Barbaren Vernichtung oder seine Vernichtung durch Assimilation, d.h. die Anstrengung seiner Alphabetisierung.

Zitat:

An erster Stelle stören ihn [den Zivilisationsmenschen] die Schriftunkundigen, denen es besonders widerstrebt, in seine Falle zu gehen; also wird er sie dazu zwingen, er wird sie nötigen, Lesen und Schreiben zu lernen, damit sie sich in den Netzen des Wissens verfangen und keiner von ihnen mehr dem allgemeinen Missgeschick [dem Unglück, das die Zivilisation ist] entrinnt.

Quelle: E.M. Cioran, Der Absturz in die Zeit, Stuttgart, 1980

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