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Literaturforum: Minimaler Ausschnitt aus LovecraftTAPE1


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 Thema: Minimaler Ausschnitt aus LovecraftTAPE1
DataBoo
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 20.05.2007 um 11:30 Uhr

Die unerfüllte Hoffnung blickt aus tausend Augen aus dunklen Fenstern. Der Traum vom goldenen Esel blieb ein Traum. Kinder rauchen Zigaretten vor den einsturzgefährdeten Häuserruinen in den Slums. Sie brennen Ice und Chrystal Zero zum Vergessen, kämpfen in den Straßen oder dealen mit Schnellfeuerwaffen in konspirativen Wohnungen. In ihren Köpfen rollen stumpfe Augen gegen den Tag der Bildungsferne. Manchen von ihnen fließt das Gehirn aus den Ohren, aus den Poren. So wie sie sich nicht an ihre Kindheit erinnern, vergessen die Mieter im Supercenter das Dasein der Sonne, unter dem Stern der Dunkelheit. Supercenter. Ein Wohnsilo mit über 100 Stockwerken und einer Bauhöhe von über 900m. Dramageschwängertes Prunkstück architektonischer Geiselnahme. Hier trinken Obdachlose im Hinterhof den ersten Schluck des Tages zu Revierkämpfen bei den Müllcontainern. Bis die Herzen erlöschen wird geschlagen und gestochen. Im feuchten Treppenhaus stapeln sich faulende Prospekte der Konsumindustrie. Von den Kellern herauf dringt ein Geruch von Scheiße und Kotze. Du weißt schon lange nicht mehr, wer alles in diesem Gebäude wohnt. Du wünschst dir einen Wolf an deiner Seite, für das Leben in dieser Gegend. Nachts erwacht dein Nachbar, er singt zur Hawaii - Musik die Deutsche Nationalhymne, und schreit zu Wagners Lohengrin ein Kochrezept für einen Pflaumenkuchen seiner Mutter. Gegen morgen dann löst sich dein Nachbar in Tränenseligkeit auf, bevor man ihn vier Jahre später im Müllschacht findet. Schicksale schweifen vorbei, hinterlassen Schatten am Mauerwerk. Glitschig und gelblich strecken sich Fliegenlarven gegen den Tagesanbruch. In den erkalteten Mahlzeiten zurückliegender Konfliktbeendigungen irgendwelcher Bandenkriege feiern sie ihr Fest des Nahrungsüberschusses. Die Polizei errichtet Straßensperren um das Supercenter und den angrenzenden Hafen. Vor den Absperrungen begrüßen sich Informanten mit versteckten Gesten. In schwarzen Limousinen telefonieren Geheimdienstmitarbeiter mit der Regierung und anderen Unbekannten. Wenig später treffen Spezialeinsatzkommandos ein. 9:22h morgens Ortszeit. Scharfschützen der Eliteeinheiten erreichen ihren Posten auf den Dächern der Gebäude um das Supercenter.
Von irgendwoher aus der Kanalisation dringt das leise Wimmern der entführten Frauen aus dem Vorort.

Flackerndes Glühbirnenlicht, nasse Wände, Abfall, Ratten und - CUT.

Supercentersymphonie:

Spielend töten Kinder einen Hund im Fahrstuhl, sein letzter Biss trennte zwei Finger von der Hand eines behinderten Mädchens seines Peinigerkollektives.

Stockwerk 43: Ein aus seinem Dienst enthobener Pfarrer entleiht sich täglich die beiden rachitischen Zwillingsmädchen aus der Wohnung über ihn. Dort wohnt eine Witwe mit ihren beiden Töchtern. Man sagt ihr nach, sie hätte ihren Mann verspeist, beweisen konnte man ihr nichts, wenngleich ihre Mitgliedschaft in der weltweit operierenden KC-Group (Kannibal Connection Group) nicht ungesehen blieb. Ihr Mann verschwand einfach auf wundersame Weise; das Untersuchungsverfahren wurde eingestellt. In einem verschlüsselten Kodex sprach man auf der Homepage der KC-Group von einer Ausweitung der Kampfzone und dem Siegeszug, dem Einfahren der Beute.

Stockwerk 45/ Wohnung 123b: Ein Sadistenpärchen häutet eine 24jährige Frau bei lebendigem Leib. Im Blutrausch töten sie Ihr Opfer anschließend mit einer Bohrmaschine. Der Sadist penetriert in seinem Wahn den Leichnam in alle 19 Löcher. Zwischen dem Paar entbrennt eine Eifersuchtsszene. Bar jeglicher Emotionen sticht sich das Paar gegenseitig, angetrieben von blinder Wut im Kampf, alle verfügbaren Fleischermesser in die Körper. Schwerverletzt erhängen sie sich gegenseitig, während ein gemeinsamer Freund des freien Organversands ihre Agonie digital aufzeichnet. Ein besonderer Film, für besondere Kunden, mit besonderen Vorlieben und besonders viel Geld.

Es dreht sich die Arithmetik der Entmenschlichung um die Achse des Verfalls.

Stockwerk 47/ Wohnung 23b: Wirtschaftsstudenten lassen auf einer feucht fröhlichen Party die Korken knallen. Ein Aktiengewinn lässt sie feiern. Der Gastgeber gibt seine Hochzeit bekannt, die Gastgeberin verkündet freudig ihre Schwangerschaft. Tosender Beifall, glitzernder Schmuck auf sonnengebräunter Haut. Teure Düfte, hüllenlose Bedienungen, Goldzahnlachen und ein Zwinkern rüber zur Theke. Zwischen Tanzschritten und den Latinorhythmen reiben sich steife Schwänze an der Phantasie. Die Haustür wird aufgebrochen. Der Mann am Boden betritt den Raum. Allen Anstands beraubt, erschlägt er die feiernde Gesellschaft mit der Schwere seiner fallenden Moral. Er suhlt sich im Blut seiner Opfer, er schneidet und sägt, manchmal isst er sie oder vergeht sich an ihnen. Versunken wie ein Zahlenmystiker schreibt er dann Zwischenergebnisse einer Wahrscheinlichkeitsrechnung an die Wände. Eine Berechnung, die sich eindeutig gegen ein langfristiges Überleben der Menschheit auf einem Niveau von mehreren Milliarden Menschen ausspricht.

Sekunden vergehen…1…2…3…

Zwei Blocks weiter höre ich Schüsse, erst vereinzelt, dann bricht plötzlich ein Inferno los. Am Fuß des Supercenters explodiert eine Autobombe. Fast zeitgleich explodiert ein weiterer Sprengsatz durch einen Selbstmörder im Zentrum des Schwarzmarktes für Menschenhandel. Glas- und Metallsplitter durchschneiden die Luft und trennen 824 Zivilistenseelen aus den Körpern. Betonstaub vernebelt die Sicht. Ein einfaches Transistorradio in einem völlig zerstörten Taxi quäkt eine aktuelle Nachricht: 326 Polizisten sterben im Kugelhagel bei einem Stürmungsversuch einer Lagerhalle bei den Docks.

Rauschen…1…2…3.


Stille.


Sekunden vergehen…1…2…3…4…5…

Noch benebelt von der Wucht der Detonation durchschreite ich langsam, unsicherer Schritte, das Foyer im Supercenter. Ich habe das Gefühl mich in Zeitlupe zu bewegen. Grauschleier in meinem Blick, in meinen Ohren dröhnt die Explosion nach. Ich weiß nicht wo ich herkomme, die Nacht war lang. Ich entschließe mich nicht den Fahrstuhl zu nehmen, sondern das Treppenhaus zu nutzen. Ich taste mich halb blind dorthin. Mit angehaltenem Atem und brennend, verklebten Augen erreiche ich atemlos die zweite Etage. Der Betonstaub schwindet hier, erleichtert hole ich Luft. So gut es geht versuche ich mir den grauen Staub vom nun ruinierten, schwarzen Anzug zu klopfen. Am Hals, am ganzen Kopf und an meinen Händen spüre ich unangenehm einen stetig zunehmenden Juckreiz. Fluchend begebe ich mich im Treppenhaus weiter nach oben. Im vierten Stockwerk begegne ich einem schlecht tätowierten, einarmigen Mann. Zwei gekreuzte Säbel zieren seine rechte Halsseite; auf seiner vernarbten Stirn droht ein Hakenkreuz. Er stellt sich mir in den Weg, ich blicke in ein unerfülltes Leben.

- Du kannst hier nicht durch mein Junge, ab
hier ist Sperrgebiet…

Mehr konnte ich von dem Alten nicht verstehen, der Rest seiner Ausführung ertrank in gurgelnden Lauten. Aus seinem stinkenden braunen Mantel fischt er geschickt eine Flasche billigen Whiskys und gießt sich torkelnd den halben Inhalt in einem Zug hinunter. (rülpst)

- Für den Führer!

- Ich möchte zu meiner Wohnung, bitte lassen
Sie mich durch!

- Nein!

Aus dem Eingangsbereich von unten dringt das Geschrei von Kindern, die sich um die Hundeleiche streiten.

- Du kannst nicht durch Junge, du würdest dir
den Tod holen, obwohl, wenn ich es mir so
überlege…du wohnst wo?

- 53. Stock.

- Aha. Nun jeder sollte eine Heimat haben,
hahaha, wie alt bist du mein Junge?

- 26 Jahre.

- Mach den Mund auf! Mach den Mund auf,
komm schon, hast doch gute Zähnchen,
oder?

- Was?

- Aha, gute Zähne haste also auch
noch…hehehe…bringst ´nen hübsches
Sümmchen!

- Bitte? Hören Sie, ich will ja nicht unhöflich
sein, aber -

- Halts Maul du Fotze! Ich muss nachdenken.
Ok, hör zu: (wie ein mahnender Lehrer streckt
der Alte mir seinen schmutzigen Zeigefinger
entgegen.) Oben sieht’s übel aus, etwas geht
dort vor sich (rülpst). Überall auf den Fluren
sind blutige Schleifspuren, die führen in alle
möglichen Wohnungen. Alle Türen sind
abgeschlossen und es ist totenstill, kein Nix
kein Garnix war zu hören. Ab den 50. Stock
gibt es kein Licht; und kein Licht = kein
Durchkommen. Ich weiß nicht was hier läuft,
aber ich hab da ein ganz komisches Gefühl.
Hier nimm ´nen Schluck. Der Alte hält mir die
Fuselflasche hin.

- Ach, weg damit, sie sind doch betrunken, sie
reden wirres Zeug.

- Hüte deine Zunge Bürschchen! Der Alte beugt
sich über das Geländer und schreit nach
oben: Lucyanna! Bring ihn runter!

Plötzlich lag ein schneidendes Sirren in der Luft.

Ich konnte nichts mehr sehen, alles verschwamm vor meinen Augen. Ein Meer bunter Punkte spülte sich in mein Blickfeld. Ich fühlte mein Blut kochen, mir drang der Schweiß aus allen Poren und mit einem Mal ganz klar, sah ich meinen Bruder, gefangen in einer Ektoplasmablase, vom oberen Stockwerk durch das Geländer tropfen.

____

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem noch unvollendeten Werk. Diese Szenerie markiert den Anfangspunkt und soll den Atmorahmen skizzieren (und das ist nur 1Bsp. aus dem LovecraftTAPE1-universum). Figurenentwicklung und Handlung sind nach wie vor in Arbeit. Das Schaffen wird sich sicherlich noch bis 2008 hinziehen.

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Waldgaenger
4 10.12.2007 um 11:14 Uhr
von almebo


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