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Literaturforum: Unwesentlich sicherer


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 Thema: Unwesentlich sicherer
1943Karl
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 27.06.2008 um 18:42 Uhr

Ob du als Frau einen zusätzlichen Ring am deutschen Eheringfinger brauchst, um den zu locker sitzenden Ehehring zu sichern, mag für die Menschheit ein unwesentlichen Problem sein. Für Gerda, die nicht nur um die Taille herum Jahr für Jahr ein paar Kilos von ihren an sich nicht wenigen verlor, war es ein wesentliches.
Ihr Mann Hans-Norbert, genannt Hanno, war am Tag nach seinem fünfzigsten Geburtstag arbeitslos geworden. Die Papierfabrik baute hundertzwanzig Stellen ab. Die Abfindung verbrauchten sie in einem Jahr. Danach konnte er nicht mehr genügend Geld für den goldenen Sicherheitsring aufbringen.
Ich werde immer um dich kämpfen. Immer. Du, du bist doch mein Leben. Das waren seine Gänsehautsätze, die sie manchmal von ihm zu hören bekam, vergaß er
An ihrem fünfzehnten Hochzeitstag kam er später von der Arbeit nach Hause, krempelte die Hemdsärmel hoch und zeigte auf ein frisches Tattoo auf seinem Unterarm. „Dein Brustbild. Damit ich dich immer bei mir habe!“
„Aber so schlank bin ich doch gar nicht!“ wandte Gerda selbstkritisch ein. „In meinen Träumen schon.“ Sie bekam eine Gänsehaut, murmelte: „In meinen Träumen auch.“ und spürte eine Träne über ihre linke Wange laufen.
Sie begann abzunehmen. Am Anfang wenig. Später mehr.
Hanno war damals noch in der Gewerkschaft. „Wenn die Stellen abbaun, streiken wir!“ Er schlug mit der Faust auf den Küchentisch und lachte.
Das tat er später überhaupt nicht mehr. Und aus der Gewerkschaft trat er sogar aus. „Die können ja auch nix für uns tun.“
Gerda nahm das Zahngold zweier ihrer Backzähne, das der Zahnarzt vor ein paar Jahre gegen eine Porzellanfüllung austauschte und trug es zur Goldschmiedin ihres Vertrauens.
Natürlich erzählte sie Hanno, welche tollen Goldringe mit zwei und sogar drei Brillianten sie bei der Goldschmiedin gesehen hatte. Er sollte wissen, zu welchem Verzicht sie bereit war, indem sie nur die vergleichsweise geringen Herstellungskosten für den schlichten Zahngoldring von ihm erwartete. Für ihren ausgesprochenen Lieblingsring aus Platin und mit drei Edelsteinen hätte sie über dreitausend Euro hinlegen müssen. Und damit, versicherte sie Hanno, sei ihr die eigentlich sehr nette Goldschmiedin schon um ein paar hundert Euro entgegen gekommen. (Zweihundert genau. Doch das musste Hanno nicht unbedingt wissen.)
Hanno zuckte mit den Schultern, setzte seinen depressivsten Gesichtsausdruck auf, schüttelte den Kopf, nahm demonstrativ sein abgewetztes Lederportemonnaie aus der Gesäßtasche, zog den letzten Zwanzig-Euro-Schein heraus, kippte ein paar Münzen auf den Küchentisch, zählte Gerda ganz langsam vor, dass sie zusammen nicht einmal zwei Euro ergaben und steckte .
Geld und Portemonnaie wortlos wieder ein.
Gerda spürte eine Träne auf ihrer rechten Wange. Über ihre linke Wange war schon lange keine mehr gelaufen. „Wenn ich jetzt meinen - unseren - Ehering verliere?“ Sie holte tief Luft durch den Mund. Ihre Lippen zitterten.
Hanno sah sie nur kurz an, drehte sich um und verließ schlurfend die Küche. Gerda gab den Ring dennoch in Auftrag und vereinbarte Ratenzahlung.
Das war vor knapp einem halben Jahr.
Seit zwei Wochen trägt Gerda nur noch den Sicherungsring und wohnt jetzt bei Friedhelm.
Er war Hannos Kollege, wurde nicht entlassen und ist zehn Jahre jünger als Hanno und dreizehn Jahre jünger als Gerda. Die letzten Raten für den Sicherungsring zahlte er. „Ich liebe dich doch. Da spielt Geld keine Rolle!“ sagte er leise. Gerda bekam keine Gänsehaut und Friedhelm küsste ihr die Tränen von der rechten Wange.
Und da sie inzwischen noch schlanker geworden war, saß auch der Sicherungsring schon wieder locker.


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