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Literaturforum: Der Tag, an dem die Kanzlerin zurücktrat


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Forum > Prosa > Der Tag, an dem die Kanzlerin zurücktrat
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 Thema: Der Tag, an dem die Kanzlerin zurücktrat
ArnoAbendschoen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 06.11.2015 um 21:01 Uhr

„He, was macht denn der auf dem Friedhof … Und so wie er aussieht, ist es ein Gerichtsvollzieher!“ Lars hielt den Rettungswagen vor der Einfahrt zum halb abgebrochenen Osttor an, durch das eben ein älterer Mann herauskam. „Retten wir wenigstens ihn – viel zu gefährlich, da noch spazieren zu gehen, selbst am Tag.“

Wir waren umsonst in die Hegelstraße gefahren. Um die zwei Erstochenen in der Villa kümmerte sich jetzt die Polizei.

Der Alte kam, von Lars herbeigerufen, zum heruntergelassenen Wagenfenster. Er konnte um die siebzig sein, trug schäbig gewordene Bürokleidung, einen abgewetzten Hut und in der Hand eine schmale Aktentasche aus schwarzem Kunstleder. Er wollte wissen, warum der U-Bahneingang versperrt sei.

„Das wissen Sie nicht, dass die Strecke seit Monaten gesperrt ist, nach dem Anschlag? Der Ersatzbus fährt alle halbe Stunde gegenüber. Kommen Sie, Meister, steigen Sie ein, fahren Sie ein Stück mit, wenigstens aus der Zone B raus …“ Der Alte sah verständnislos drein. „Zone B? Was heißt das?“ Er stieg zu uns ein.

„Sie sind wohl nicht von hier?“ fragte ich ihn. - „Doch, bin seit zwanzig Jahren gemeldet, zahle Steuern, gehe immer zur Wahl …“ Er versuchte ein Lächeln, es misslang, wurde zur hilflosen Grimasse.

„Wer meldet sich denn heute noch an“, murmelte Lars. Er erklärte ihm nicht, dass wir nur noch in der relativ sicheren Zone A arbeiteten, die Zone B nur noch durchquerten und die C selbst mit dem Wagen mieden. Und der Friedhof war seit einem halben Jahr der schlimmsten Kategorie zugeordnet.

„Ich war eine Zeitlang in der Klinik, wurde heute entlassen …“ – „Luisenstift?“ hakte ich nach. Er nickte. Vorhin hatten wir von der Zentrale gehört, dass sie dort am Morgen diverse Abteilungen aus Kostengründen geschlossen hatten.

„Die leichteren Fälle sollten mit Bussen verlegt werden. Es kam aber keiner und es war keine Auskunft zu bekommen. Nach Stunden bin ich weggegangen. Ich wohne ja ganz in der Nähe – Gustav-Freytag-Weg.“ Lars und ich, wir sahen uns an: Dort war bei den Novemberunruhen fast alles verwüstet worden. Die meisten Häuser waren nur noch Brandruinen.

In diesem Augenblick eine Meldung aus der Zentrale: Schaltet mal euer Radio ein. Wir hörten dann mitten in eine Sondersendung hinein: „ … erklärte heute um 12.05 Uhr ihren Rücktritt. Anschließend fuhr die Kanzlerin von ihrem Amtssitz unmittelbar zum Flughafen. Die Regierungsmaschine steht schon startklar bereit für den Flug nach London.“

Unser Alter belebte sich: „Merkel ist zurückgetreten? Warum denn das?“

„Was denn, was denn, Merkel? Wer war denn noch mal Merkel? Nee, die jetzige heißt Hering-Läppert. Und dazwischen hatten wir noch einen anderen. Vergessen wir ihn, Schwamm drüber.“

„Meister, sagen Sie mal“, fing Lars wieder an, „welches Datum haben wir heute?“ – „Na ja, vielleicht Dienstag oder Mittwoch. In der Klinik ist ein Tag wie der andere.“ – „Nee, genaues Datum, wenigstens Monat und Jahr, meine ich.“ Es war Frühling, so viel stand fest, die Rosskastanien blühten wie immer um diese Zeit.

„Mai 2015?“ kam es fragend. Lars schüttelte den Kopf. Der Alte versuchte zu raten: „2016 natürlich … Doch nicht schon 2017?“

„Mein lieber Herr“, sagte ich nun, „es ist April 2018. Und Sie waren wohl seit Jahren nicht mehr draußen unterwegs. Sonst würden Sie Gegenden wie diese meiden. Wozu wollten Sie eigentlich als Erstes auf den Friedhof? Kein vernünftiger Mensch geht da noch hin.“

„Sein Grab suchen. Er ist bald nach meiner Einlieferung gestorben, nur das haben sie mir gesagt … Aber es ist nicht mehr der Friedhof von früher, das habe ich schon bemerkt. Auf einem Teil stehen jetzt Wohnungen, falls man das so nennen kann.“

„Behelfsbauten für die, die seitdem gekommen sind“, schaltete Lars sich ein. „Und jede Nacht machen jetzt die Faschos Jagd auf die Midschis, quer über den Friedhof.“ – „Midschis?“ – „Ein Faschoausdruck für die Fremden – ich kann Ihnen jetzt nicht alles erklären. Auf jeden Fall lässt man sich auch am Tag da besser nicht blicken.“

Lars drehte das Radio lauter und wir hörten: „ … nach unbestätigten Meldungen hat Hering-Läppert von London aus einen Privatflug nach Neuseeland gebucht … Mit baldigen Neuwahlen ist zu rechnen.“ – „Ach, nicht schon wieder! Und dann mit noch weniger als neunzehn Prozent Wahlbeteiligung?“

Wie es bei uns weiterging? Da war eine Straßensperre mit Umleitung. Wir kamen durch sein Wohnviertel. Als er die Ruinen sah, wollte er nicht aussteigen. Er wollte stattdessen zurück zum Ostfriedhof, ließ sich mit keinem Argument davon abbringen. Und wir taten ihm schließlich den Gefallen und setzten ihn am Haupteingang ab. „Den sehen wir im Leben nicht wieder“, sagte Lars.

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Gast33
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 17.11.2016 um 18:56 Uhr

Hat sie Dir schon einen Termin gegeben,
wann sie endlich bei uns ist nicht mehr zugegen.
Dann teile es mir bitte vorzeitig mit,
ich bin einer von denen, die bei der Merkel so litt!.
Ich honeriere es dir, du kannst dich verlassen,
ich möchte ihren Rücktritt bestimmt nicht verpassen !

Liebe Grüße MAX

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ArnoAbendschoen
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 17.11.2016 um 22:37 Uhr

Nun, Max, der Titel hier ist ja eine Finte, da es in dieser in einer näheren Zukunft spielenden Geschichte nicht um Merkel geht, sie wird dann schon Vergangenheit sein. Die Idee zu dem Stoff verdanke ich einem jungen Hamburger Möbelpacker. Ich habe letzten Herbst bei einem Umzug geholfen, bin dabei mit dem Mann ins Gespräch über Politik gekommen und er hat kommenden Bürgerkrieg prophezeit. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, darüber ein wenig zu phantasieren.

Unabhängig davon scheint mir heute schon Frau Merkel politisch wie moralisch an einem Ende angelangt zu sein. Eine nochmalige Kanzlerkandidatur würde zumindest für ihre Partei eine Katastrophe bedeuten. Früher hätte mich das kalt gelassen, doch angesichts unserer insgesamt prekären Lage bedaure ich es.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön

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Gast33
Mitglied

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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 18.11.2016 um 09:23 Uhr

Diese Nachricht wurde von Max um 09:25:25 am 18.11.2016 editiert

Ganz meiner Meinung, lieber Abendschön,
das müsste wirklich so auch gehen,
dass "Sie" macht ihren Platz bald frei,
und ihr Thron der letzte Schrei.
endlich wieder frei gemacht,
damit auch die AFD erwacht,
und etwas tut, das die Querelen,
in Germany sich das erzählen,
was uns so auf den Nägeln brennt,
weil jeder hier politisch pennt.!

Liebe Grüße
"der Max"

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ArnoAbendschoen
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 18.11.2016 um 11:06 Uhr

Max, es sei fern von mir, im Internet und schon gar nicht bei Versalia für eine bestimmte politische Richtung oder Partei zu werben. Ich bin nirgendwo Mitglied und bemühe mich in jeder Sachfrage um das mir erreichbare Maß an unabhängigem Denken.

Andererseits will ich nicht verschweigen, dass ich von jeher etwas links von der politischen Mitte stand. An dieser allgemeinen Grundausrichtung hat sich nichts geändert, nur muss ich leider erkennen, dass in der gegenwärtigen sehr kritischen Verfassung der westlichen Gesellschaften möglicherweise eine vorsichtige, kluge konservative Politik bis auf Weiteres das beste erreichbare Ergebnis verspricht.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön

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Gast33
Mitglied

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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 18.11.2016 um 14:39 Uhr

Damit man mich richtig versteht, ich werbe nicht, sondern mach von meiner privaten Denke Gebrauch. Und das ist mir vorbehalten, ohne wenn und aber. Ich möchte um Gottes Willen keinen beeinflussen. Das muss jeder selber wissen. Jedes Forum bietet dazu Möglichkeiten, was mit der eigentlichen Versalia nichts zu tun hat. Es steht jedem frei darauf zu reflektieren. Und wer dem nicht nachkommen will. der lässt es bitte schön bleiben.

Lg
Max

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Kenon
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1481 Forenbeiträge
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 25.11.2016 um 19:52 Uhr

2017 wird ein gefährlich spannendes Jahr. Nicht nur, weil Merkel noch einmal antritt (wer sonst?), sondern auch, weil zur Bundestagswahl ein intensiver Informationskrieg des Kremls zu befürchten ist, für den ich unsere Medien noch immer nicht gewappnet sehe.

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ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
seit dem 02.05.2010

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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.11.2016 um 12:03 Uhr

Kenon, man sollte im Hinblick auf Gefährdung auch die Himmelsrichtung Süden im Auge behalten. Allein da liegt schon genug realer Sprengstoff bereit. Weder die deutsche Politik noch die deutsche Gesellschaft sind darauf vorbereitet, dass auch nur ein Teil davon hochgeht.

Es ist nicht alles nur eine Frage von Medien, Propaganda und Kampagnen. Wovon war das letzte Vierteljahrhundert geprägt? Von nicht enden wollenden Kriegen mit Millionen Toten, -zig Millionen Flüchtlingen und einem tiefgreifend zerrütteten Weltfinanzsystem. Die Rechnungen werden allmählich fällig. Deutschland wird nicht zu den Gewinnern gehören. Und angesichts der düsteren außen-, wirtschafts- und finanzpolitischen Perspektiven wird die K-Frage stark an Bedeutung verlieren. Wer auch immer Kanzler in Berlin sein wird, er wird ein Getriebener sein.

Arno Abendschön

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Max
Mitglied

6 Forenbeiträge
seit dem 07.01.2017

     
8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 08.01.2017 um 10:20 Uhr

Meine Meinung deutet darauf hin,
dass ich für manches gar nicht bin-
Deswegen habe ich den Glauben hier:
Dem gehen wir mal ans Visier-

Ich wurde, aus welchen Gründen auch immer
von Versalia gelöscht und musste mich mit großen Anstrengungen wieder anmelden.
Noch bin ich, noch nicht dahinter
gekommen, wer sich daran beteiligt hat
Meine Meinung ist allgemein bekannt mit der ich offen auftrete. Ich mache also kein Hehl daraus. Aber Zivilcourage ist leider nicht mehr "in"


Lieber ein eckiges Etwas, als ein rundes Nichts
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ArnoAbendschoen
Mitglied

718 Forenbeiträge
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 10.01.2017 um 11:35 Uhr

Max, ich kenne die Hintergründe dieser Abläufe nicht und war an ihnen auch nicht beteiligt. Mit deinem jetzigen Kommentar hier verfolgst du evtl. einen falschen Ansatz, vermute ich.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön

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