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Transient - Kurzfilm von Craig Boreham
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Thema: Transient - Kurzfilm von Craig Boreham
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ArnoAbendschoen
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718 Forenbeiträge seit dem 02.05.2010
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 18.09.2017 um 16:47 Uhr |
Gedreht 2004, auf der Berlinale 2005 vorgestellt, dort nominiert für den Teddy Award in der Sparte Kurzfilm, später bei uns als Bonus-Material zur DVD von Simon Chungs „End of Love“ erhältlich, inzwischen auch gratis im Netz anzusehen – der australische Kurzfilm ist so aktuell wie zur Zeit seiner Produktion; außerdem cineastisch rundum gelungen.
Der Filmemacher Boreham verkörpert selbst die Hauptfigur Daniel. Das ist ein noch junger Mann, eine Figur wie auf Bildern von Edward Hopper. Er streift allein, beziehungslos, in einer Stimmung wechselnd zwischen Melancholie und Anflug von Heiterkeit durch Sidney, fährt mit der U-Bahn zu einem Hallenbad, dreht im Becken Runden, schlendert durch Straßen, über einen Asia-Markt, isst fernöstlich und erinnert sich an Saigon. Als er dort lebte und sich einsam fühlte, stellte ihm Monica, seine lesbische Freundin, John vor (Phoenix Leonard). Die beiden wurden rasch ein Paar, verstanden sich als die zwei Hälften aus Platons Symposion. Das Gebilde wurde in Vietnam durch den Druck einer fremden, ablehnenden Außenwelt zusammengehalten. Sie dachten, in Australien müsste das Leben für sie einfacher sein. Zurückgekehrt und materiell abgesichert entfremdeten sie sich rasch einander. Daniel: „Wir waren die Parodie einer Hetero-Ehe.“ In dem Maß, wie jeder von ihnen die Möglichkeiten einer toleranten, liberalen und letztlich auch einer Gesellschaft der Beliebigkeit für sich nutzte, zerfiel ihre Bindung. Sie verloren für einander ihre Identität und nahmen sich nicht mehr wirklich wahr. Dieser zwangsläufige Ablauf, in kleinen, undramatischen Schritten erfolgend, ist der wesentliche Inhalt des Films. Nur angedeutet, mehr durch Bilder als durch Worte, wird Kritik geübt an grundlegenden Umständen des Lebens im Kapitalismus oder Kommunismus. Am Ende teilt Monica auf einer Postkarte mit, John sei wieder in Saigon: traurig. Die Trennung der beiden Platonschen Hälften ist jetzt vollkommen.
Es gibt keinen Dialog, nur einen Erzähler (Ian Roberts), der Daniels Gedanken wunderbar mitschwingend vorträgt. Komplettiert wird der starke ästhetische Eindruck durch eine Filmmusik, die diesen Stoff von Sehnsucht und Entsagung zum Klingen bringt. Hinterher wundert man sich, wie kurz ein großartiger Film sein kann – nur neun Minuten!
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