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-- Politik & Gesellschaft
--- Von der UdSSR lernen, heißt ...

ArnoAbendschoen - 15.12.2015 um 00:51 Uhr

Berlin, nun freue dich – es gibt Senatsknete reichlich, und zwar für die MUFs. Was das ist? Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge. Das Land Berlin plant, 2016 an 60 Standorten Wohnplätze für 24.000 Menschen bauen zu lassen. Die aus vorgefertigten Teilen zu errichtenden Gebäude sollen 100 Jahre halten und je nach Entwicklung später auch anderen Wohnraum suchenden Bevölkerungsgruppen als Unterkunft dienen. Von Wohnungen i.e.S. kann indessen nicht die Rede sein – es handelt sich schlicht um Zimmer von 11 oder 16 Quadratmetern, für eine oder zwei Personen. Und: Die Kochgelegenheit befindet sich immer um die Ecke, in der Gemeinschaftsküche. Womit wir wieder im frühen 20. Jahrhundert angelangt sind. Willkommen in der Kommunalka! Swetlana Alexijewitsch (Nobelpreis für Literatur 2015) hat in „Secondhand-Zeit“ die konstitutive Rolle der Küche und der Küchengespräche für den Realsozialismus im Niedergang anschaulich beschrieben ...

Bemerkenswert ist die Verteilung der MUFs im Stadtgebiet. Etwa die Hälfte soll im Nordosten von Berlin errichtet werden, in der Nachbarschaft der Plattenbausiedlungen von Buch, Neu-Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf. Da kommt dort sicherlich Freude auf. Ist es die pure Not oder der Geschmack am Kontrast oder ein anderes Kalkül, das den Senat den Großteil der Flüchtlinge in die Walachei abschieben lässt, gleich neben ihre, wie bekannt, größten Sympathisanten? Ist „Balkanization“ vielleicht die zugrunde liegende Strategie? Die MUFs werden ja einen Sperrriegel zwischen den genannten Vierteln aus der späten DDR und dem feindlichen Brandenburg bilden. Mir fällt dabei die alte Habsburger Militärgrenze auf dem Balkan ein …

Kann aus Hilflosigkeit, aus Instinktlosigkeit und ignorantem Trotz jemals Gutes erwachsen?




Kenon - 15.12.2015 um 12:54 Uhr

Kleine Wohnungen wurden auch im Westen gebaut. Ich habe zum Beispiel während meines Architekturstudiums in Braunschweig auf 14,36qm gelebt. Da war die Kochnische schon mit dabei. Wirklich schön war es nicht, aber günstig und besser, als auf der Straße zu leben.

Grundriss: http://www.atekon.de/oldthings/wohnungspl/images/plan17.jpg




ArnoAbendschoen - 15.12.2015 um 17:05 Uhr

Ganz recht, Kenon, der Bezug auf Ost-Verhältnisse von damals ist hier nur eine mögliche Assoziation. Ich habe vor Jahrzehnten selbst mal in West-Berlin ein ähnliches Appartement wie deines in Braunschweig bewohnt, etwa neun Monate lang. Eine Maklerin nannte es "Vogelbauer".

Zu bedenken ist allerdings, dass in den MUFs auf 16 oder nur 15 qm zwei Personen für länger untergebracht werden sollen. Und: Mein Miniappartement lag sehr zentral nahe am Wittenbergplatz, von den geplanten MUFs besonders viele in Wartenberg oder Buch (für Fremde: jottwede).

Arno Abendschön




Kenon - 19.12.2015 um 01:07 Uhr

16qm für zwei Personen sind extrem wenig, wahrscheinlich fällt das bereits unter den Begriff "Schlafkammer" und ist nicht mehr Wohnung zu nennen.

Zitat:

"Verfügte 1965 jeder Einwohner noch im Durchschnitt über eine Wohnfläche von 22,3 Quadratmetern - liegt sie 50 Jahre später mit knapp 47 Quadratmetern schon mehr als doppelt so hoch."

Quelle: Wohnen auf wenig Raum




ArnoAbendschoen - 15.05.2016 um 20:53 Uhr

Der Inhalt des Beitrags muss akualisiert werden. Wie vor Tagen bekannt wurde, hat der Berliner Senat seine Pläne dahingehend geändert, dass das Verhältnis einfache Zimmer (mit Gemeinschaftseinrichtungen) zu kompletten Wohnungen umgekehrt wird. In den MUF´s wird es also doch überwiegend abgeschlossene Wohnungen geben. Das ist im Hinblick auf die soziale Entwicklung dieser Quartiere vernünftig und zu begrüßen.

Bei der Auswahl der Standorte ist noch vieles im Fluss. Nach meinem Eindruck besteht eine Tendenz zur Massierung an einzelnen ausgewählten Standorten. Das scheint mir wieder ein Rückschritt zu sein.

Arno Abendschön




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