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-- Rezensionen II
--- Tim Teeman - In Bed with Gore Vidal

ArnoAbendschoen - 27.01.2017 um 21:35 Uhr

Der Titel verengt auf etwas reißerische Art die Perspektive des Buchs, sein Untertitel erweitert sie dann wieder so: „Hustlers, Hollywood and the Private World of an American Master“. Auch damit ist noch nicht der gesamte Kreis bezeichnet, den Tim Teeman in seinem 2013 bei Magnus Books erschienenen Werk auf 279 Seiten abschreitet. Tatsächlich verschafft einem die Lektüre eine weitgehende Kenntnis der Biographie des 2012 verstorbenen US-Autors mit ihren Begegnungen, Hintergründen und Krisen. Der Schwerpunkt von Teemans Recherche liegt zwar auf Vidals persönlichen Beziehungen, doch kommt sein Werk nicht zu kurz. Einzelne seiner Bücher werden mehr oder weniger ausführlich vorgestellt und immer wieder in Beziehung gesetzt zum Lebenslauf.

Teeman ist ein Brite, der heute in New York lebt. Er hat lange für die Londoner „Times“ gearbeitet. Für diese Zeitung hat er Gore Vidal 2009 interviewt. Die Untersuchung zum privaten Vidal ist seine erste Buchpublikation. Er begann schon in den ersten Monaten nach Vidals Tod (31. Juli 2012) mit der Arbeit daran. Bereits im Dezember 2012 konnte er sich in Vidals kalifornischer Villa umsehen, deren weitere Verwertung damals noch ungeklärt war. Teeman hatte engen Kontakt zu den nächsten Verwandten, der Halbschwester Nina Straight und dem Neffen Burr Steers. Weiterhin führte er eine Vielzahl von Interviews mit Freunden, Bekannten oder anderen, die irgendwann Vidals Weg gekreuzt hatten. Ferner hat er umfangreiches Archivmaterial ausgewertet, vor allem Korrespondenz. (Der Nachlass liegt in der Bibliothek der Harvard-Universität.)

Teeman ist kein Literaturwissenschaftler, sondern Journalist. Als solcher breitet er vor allem das umfangreiche Material vor uns aus, lässt zahlreiche Widersprüche offen, die sich aus den Quellen ergeben, und nimmt nur bei zentralen Fragen selbst gelegentlich Stellung. So ergibt sich ein kontrastreich zusammengesetztes Bild des Verstorbenen. Im Ergebnis hat das gerade für den schon länger mit Vidals Werk Vertrauten manch Irritierendes. Es mag sein, dass er ihn und seine Positionen nach der Lektüre kritischer sieht, ihm auch weniger Sympathie entgegenbringt.

Im Einzelnen werden abgehandelt: die so prominente wie problematische Herkunft aus der US-Oberschicht, der Mythos Jimmy Trimble (Vidals angebliche einzige Liebe im Leben), die Bedeutung seines jahrzehntelangen Lebenspartners Howard Austen, Vidals Promiskuität, sein Verhältnis zu Frauen, seine widersprüchliche Positionierung gegenüber Gay Liberation, die Querverbindungen zwischen Werk und Lebenslauf, seine literarischen und politischen Fehden, Alkoholismus, geistiger wie körperlicher Verfall am Ende. Eine Nebenrolle spielen auch die Verfahren, die Nina Straight und Burr Steers angestrengt haben, um sich einen Teil des Erbes zu sichern. (Harvard hat infolge später Testamentsänderung fast alles bekommen, also ca. 30 Millionen Dollar plus alle weiteren Tantiemen.) Möglicherweise in diesem Zusammenhang haben sie Teeman mit brisanten Informationen über den Verstorbenen versorgt. Sie zu unterdrücken, wäre mit journalistischem Ethos nicht zu vereinbaren gewesen, aber Teeman konnte natürlich nicht klären, ob Vidal evtl. pädophil war. So bleibt es im Buch bei isolierten Andeutungen, die in den USA dennoch für beträchtliches Aufsehen gesorgt haben.

Die Darstellung ist insgesamt professionell und inspiriert geschrieben. Eines vermisst man, obwohl bei dieser Gattung nicht unbedingt zu erwarten: ein Personenregister. Es würde mehrere Seiten umfassen und an bei uns schon bekannten Namen u.a. enthalten: Tennessee Williams, Truman Capote, Christopher Isherwood, Edmund White, Paul Newman, Anaïs Nin, Prinzessin Margaret, die Kennedys. Noch bereichernder könnten Entdeckungen werden, die man machen kann, z.B. die des Malers Hugh Steers (1963 – 1995), eines weiteren Neffen von Gore Vidal.

Das Buch liegt bisher nicht in deutscher Übersetzung vor.




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