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Literaturforum: Fest der gemischten Gefühle


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Forum > Prosa > Fest der gemischten Gefühle
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 Autor
 Thema: Fest der gemischten Gefühle
mala
Mitglied

128 Forenbeiträge
seit dem 03.12.2006

     
Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 13.12.2007 um 10:15 Uhr

Fest der gemischten Gefühle

´klatsch´ – Das hat wieder gesessen. Der Mutter ist die Tasse aus der Hand gerutscht. Wenn ihr so etwas passiert, wird sie immer wütend. Sie haben nicht so viele Tassen und Teller, und deshalb müssen sie allesamt auch aufpassen auf das, was da ist. Andreas ist froh, dass es nicht ihm passiert ist. So gab es nur eine Ohrfeige; wer weiß, was passiert wäre, hätte er nicht nur in ihrer Nähe gestanden. Und doch ist er schuld, eben, weil er gerade dort stand. Sicher hat sie sich erschrocken. Seinetwegen.

Er hält sich die glühende Wange und rennt hinaus, direkt ins Bad, schließt sich ein. Dort versucht er, Tränen kommen zu lassen, aber es will ihm nicht gelingen. Er macht sich bettfertig: ´Pippi machen, Hände waschen, Zähne putzen und dann ab ins Bett´ – wie Papa immer sagt. Der Vater hat das in der Küche nicht mitbekommen.
Schlafen ist am wenigsten gefährlich. Noch weniger als Lesen. Außer den Träumen. Die machen ihm Angst. Weil sie so oft böse sind. Andreas betet jedes Mal, so, wie es sich gehört und wie er soll: ´Ich bin klein, mein Herz ist rein, darf niemand drin wohnen, als Jesus allein.´ Auch heute wieder. Er hofft, dass ihm der liebe Gott hilft, das eines Tages wahr werden zu lassen.

´Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir wohl ergehe und du lange lebest auf Erden.´
´Was soll ich denn nun? Gott oder meine Mutter. Oder ist das dasselbe? Vielleicht bin ich der Hölle geweiht, und vielleicht kommen meine Träume daher, dass ich einfach nicht gut sein kann – oder nicht gut genug.´
Immer wieder überkommen ihn diese Zweifel.
´Du machst mich krank´, schrie seine Mutter eben. ´Geh´ mir aus dem Weg!´
Er versteht sie. Und doch: Heute denkt er wieder, es wäre gar nicht schlecht, wenn sie krank würde. Wenn sie einfach nicht mehr da wäre. Einfach so.

Bald ist Weihnachten. Da gibt es viel zu tun. Seit Tagen ist das Wohnzimmer abgeschlossen. Sein Vater ist dort zusammen mit dem Christkind. Er oder das Christkind oder Beide schmücken den Baum und dekorieren den Gabentisch. Keiner sonst darf dort hinein, auch seine älteren Geschwister nicht.

Morgen ist es also so weit. Sie werden erst in die Kirche gehen. Danach wird Bescherung sein. Er wünscht sich wie jedes Jahr, dass seine Eltern sich nur ein einziges Mal in den Arm nähmen. Vielleicht würde das was ändern. Aber sie schreien sich immer an - manchmal hauen sie sich sogar - oder reden nicht miteinander.
Auch diese Stille ist so laut, dass Andreas am liebsten abhauen würde.

Ob er diesmal das Christkind noch sehen wird? Letztes Jahr sagte sein Vater: ´Gerade ist es aus dem Fenster geflogen!´ Er war auf den Balkon gelaufen, wollte es noch sehen, ihm winken. ´Danke´ hinterherrufen. Er hat es nicht mehr gesehen. Geweint hat er deshalb.

Etwas bleibt ihm. Diese Hoffnung. Die, dass es noch etwas Anderes gibt im Leben, irgendwo. Vielleicht findet er es irgendwann einmal.


Es gibt nichts, was es nicht gäbe, und nichts ist weniger ergründbar als die Komplexität und der Facettenreichtum zwischenmenschlicher Beziehungen, und seien es Liebesbeziehungen.
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Arjuna
Mitglied

485 Forenbeiträge
seit dem 27.02.2007

Das ist Arjuna

Profil      
1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 13.12.2007 um 11:04 Uhr

Diese Nachricht wurde von Arjuna um 11:07:54 am 13.12.2007 editiert

Ein trauriges Leben für ein Kind - da es noch betet
"Ich bin klein, mein Herz ist rein..." wird er wohl noch nicht im Schulalter sein?

Zitat:

Vielleicht bin ich der Hölle geweiht, und vielleicht kommen meine Träume daher, dass ich einfach nicht gut sein kann – oder nicht gut genug.´
Immer wieder überkommen ihn diese Zweifel.

Ein Kind das Zweifel kennt, müsste eigentlich schon älter sein.
Vor allem wenn es die Geste des In - den - Armnehmens auch als solche einordnen kann.

Gleichwohl: ein leidenschaftlicher Aufruf für die Achtung der Kinder und ihre Verlettzlichkeit..
Kinder haben keine Lobby .


- Ich bin nicht immer meiner Meinung - Paul Valéry
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DataBoo
Mitglied

554 Forenbeiträge
seit dem 11.04.2007

Das ist DataBoo

Profil      
2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 13.12.2007 um 21:03 Uhr

hallo mala,

gewöhnlich halte ich nix von irgendwelchen weihnachtstexten, gewöhnlich finde weihnachtstexte einfach nur schlicht zum kotzen, in diesen texten wird mir gewöhnlich meist zu viel geleiert und geseiert. anfangs wollte ich diesen text auch nicht lesen, nun gut, man sagte mir ich habe es dann doch getan (;-) ...und nicht bereut.

*Schlafen ist am wenigsten gefährlich. Noch weniger als Lesen. Außer den Träumen. Die machen ihm Angst. Weil sie so oft böse sind.*
ist also das schlafen doch nicht so ungefährlich?

*Vielleicht bin ich der Hölle geweiht, und vielleicht kommen meine Träume daher, dass ich einfach nicht gut sein kann – oder nicht gut genug.´
Immer wieder überkommen ihn diese Zweifel.*

angst (machen) + zweifel (streuen) = wunderbare kombi, wenn du das kreuz trägst und dich dem glauben überläßt.

insg. gefällt mir der andere blick auf das fest. genug der vielen worte, daher: dein text gefällt mir.

Gruß
DataBoo

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annahome
Mitglied

720 Forenbeiträge
seit dem 19.06.2007

Das ist annahome

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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 14.12.2007 um 01:39 Uhr

hallo mala

ein "schön zwiespaltiger" text.
danke für diese trübselige sicht.
in mir macht es gedanken.
danke dafür.

gruß
annahome


statt kulturarmut - mut zur stadtkultur
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mala
Mitglied

128 Forenbeiträge
seit dem 03.12.2006

     
4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 14.12.2007 um 10:28 Uhr

Oha, hallo!
Ich danke Euch für die Kommentare und freue mich, dass Euch der Text gefallen hat, wo er doch so unprätentiös daherkommt, so still... wie die ´Stille Nacht´, die unheilige, manchmal unheilvolle...
Grüße
Mala


Es gibt nichts, was es nicht gäbe, und nichts ist weniger ergründbar als die Komplexität und der Facettenreichtum zwischenmenschlicher Beziehungen, und seien es Liebesbeziehungen.
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