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-- Literaturgeschichte & -theorie
--- August Graf von Platen

Kenon - 08.02.2005 um 15:01 Uhr

August Graf von Platen (1796-1835) ist einer jener deutschen Dichter, den die Zeit verkannt hat. Er war ein bedingungslos empfindender Ästhet, ein Ritter der Schönheit, der an ihr zugrunde gehen musste. Früh ist er gestorben, man redet von falscher Selbstmedikation - es könnte auch auf anderes deuten; und dennoch hat er uns überviele Werke hinterlassen. Werke, die wiederentdeckt werden wollen, weil sie mit der Zeit nichts verloren haben, weil sie uns einen zutiefst fühlenden Geist konserviert haben, weil sie positiv einzigartig in der Geschichte der deutschen Literatur sind. Will man von Platen in die Nähe eines anderen Dichters setzen, so muss man nach Italien schauen und findet dort Giacomo Leopardi. Die beiden waren Zeitgenossen und da von Platen im italienischen Exil lebte, konnten sie auch miteinander bekannt werden. Es ist natürlich nur ein zufälliges Detail: Leopardi wurde zwei Jahre später als von Platen geboren und starb genauso zwei Jahre später ... Beide Dichter hatten ihr Leben ganz dem Ideal der Schönheit geweiht.

Meines Wissens ist derzeit keine Gesamtausgabe von Platens Werk im Druck, so muss man sich mit einer bescheidenen Auswahl begnügen, wie sie die Sammlung Wer wusste je das Leben? bietet. Einen direkten ungeschönten Einblick in die platensche Seelenwelt offenbart sein Tagebuch Memorandum meines Lebens, welches ebenfalls nur in Auszügen erhältlich ist.

***

Wie stürzte sonst mich in so viel Gefahr
Ein krausgelocktes Haar,
Und eines Feuerauges dunkler Blitz,
Und ach, zum Lächeln stets bereit,
Der Rede holder Sitz,
Ein süßer Mund voll schöner Sinnlichkeit!
Da wähnt ich noch, als wäre der Besitz
Das einz´ge Gut auf diesem Lebensgang.
Und nach ihm rang
Mein junger Sinn und mein betörter Witz.

Da sah ich bald im Wandel der Gestalt
Vor mir die Jugend alt,
Und jede schön geschwungne Form verschwand;
Und ach, wonach ich griff in Hast,
Entfloh dem Unverstand,
Und nie Beseßnes wurde mir zur Last:
Bis ich zuletzt, nicht ohne Schmerz, empfand,
Daß alles Schöne, was der Welt gehört,
Sich selbst zerstört,
Und nicht erträgt die rohe Menschenhand.

So ward ich ruhiger und kalt zuletzt,
Und gerne möcht ich jetzt
Die Welt, wie außer ihr, von ferne schaun:
Erlitten hat das bange Herz
Begier und Furcht und Graun,
Erlitten hat es seinen Teil von Schmerz,
Und in das Leben setzt es kein Vertraun;
Ihm werde die gewaltige Natur
Zum Mittel nur,
Aus eigner Kraft sich eine Welt zu baun.

***

Zahlreiche weitere Gedichte von Platens finden sich im
Archiv klassischer Werke auf versalia.




Kenon - 20.08.2005 um 17:18 Uhr

Zitat:

Ich habe Platen von jung auf geliebt und werde immer unter seinem Namen die Idee eines strengen, schmerzlichen und stolzen Künstlertums verehren, eines Lebens, beherrscht von dem menschlichen hochherzigsten Drang nach Vollkommenheit.

Thomas Mann




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