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Jasmin - 08.04.2005 um 00:02 Uhr

Manche verlieren ihr Herz an jemanden und werden herz-los.

Lieber ein gebrochenes Herz, als gar kein Herz.




Annemarie - 08.04.2005 um 14:40 Uhr

Noch was zum Herz:

Manche Menschen tragen ihr Herz auf der Zunge. Manche in der Hose. Und noch andere tragen es im Kopf. Und letztere sind wohl die Glücklichsten, weil sie einen gefühlvollen Verstand haben. Die "Logique du Coer", wie Blaise Pascal dies einmal, ich glaube, in einem Essay, nannte.

Oft geht es um das Verquicken von Dingen bzw. Zuständen, von denen wir glauben, sie passten nicht zueinander. Wie beispielsweise in den asiatischen Kampfsportarten die absolute innere Ruhe nötig ist, um hieraus dann blitzschnell zu (re-)agieren, so brauchen wir den absoluten Verstand, damit uns unser Herz nicht abhanden kommt, damit es sich voll entfalten kann.

Vielleicht sind das die jeweiligen "Komplementärfarben", die erst in ihrem Zusammenspiel dann das ergeben, was angedacht war.





Jasmin - 08.04.2005 um 20:01 Uhr

Vielleicht ist die Trennung zwischen Kopf und Herz oder Gefühl und Verstand nur eine Illusion. Manchmal denkt man, dass man der Stimme seiner Vernunft gefolgt ist, dabei war es das Herz, das einem die entsprechende Entscheidung diktiert hat. Die allermeisten Menschen folgen ihrem Gefühl, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind und denken, dass sie eine rationale Wahl getroffen haben.

Der Text „Herz-los“ entstand aus einem Wortspiel heraus. Manchen Menschen wird vorgeworfen, sie seien herzlos. Wie wird jemand herzlos? Er schenkt jemandem sein Herz, verliert es an ihn, sodass er dann in der Folge ohne Herz ist. Solche Fälle gibt es, wo sich jemand ein einziges Mal in seinem Leben verliebt, alles gibt und leer zurück bleibt. Wenn jemand einem alles gibt, was er hat, dann bleibt im mathematischen Sinne nichts übrig.

Aber dann gibt es wiederum andere Fälle, bei denen das Herz nur gebrochen wird, weil es nicht die Möglichkeit hatte, sich zu verschenken.

Der Satz „Lieber ein gebrochenes Herz, als gar kein Herz“ ist jedoch bitter-ironisch gemeint. Weder das eine, noch das andere stellt eine sinnvolle Alternative dar.




Annemarie - 11.04.2005 um 11:13 Uhr

Liebe Jasmin,

ja, es ist manchmal interessant, Worte wörtlich zu nehmen. Kürzlich dachte ich,
daß mir mein Vater wirklich ans Herz
gewachsen ist. Und jetzt schmerzt genau
die Stelle, an der wir zusammengewachsen
waren....

Annemarie




Jasmin - 11.04.2005 um 11:26 Uhr

Liebe Annemarie,

das mache ich sehr oft, Worte wörtlich nehmen und in Bilder übersetzen.
Den Begriff „ans Herz wachsen“, finde ich sehr schön. Er zeigt einen Prozess an.
Anders als bei der Liebe auf den ersten Blick, die einen wie aus heiterem Himmel trifft,
ist die Vorstellung des Wachsens mit einem längeren Zeitraum verbunden. Etwas wächst
nicht von heute auf morgen, es wächst stetig, es wird gepflegt, beschützt, behütet.
Dieses „ans Herz wachsen“ beinhaltet auch die Idee der Symbiose. Einer ist der Wirt und
gibt dem anderen Nahrung mit seinem Herzblut, wie die Pelikanmutter.

Das Schmerzvolle bei einer Trennung, wie jetzt in Deinem Fall, ist der Vorgang, den man
von siamesischen Zwillingen kennt, die getrennt wurden. Der Zurückgebliebene bleibt
verwundet zurück.

Mit jedem Tag aber, der vergeht, heilt die Wunde ein wenig mehr…




Annemarie - 11.04.2005 um 13:45 Uhr

Liebe Jasmin,

die Wunde wird heilen, ja. Aber die Sehnsucht, das Bedürfnis, mit ihm noch eine schöne gemeinsame Zeit gehabt zu haben und die Tatsache, daß das nicht mehr geht,
die wird wohl bleiben.

Ist das wahr, daß Pelikane Blut verlieren beim Füttern? Ich kann mir das gar nicht vorstellen.

Gruß
Annemarie




Uve Eichler - 11.04.2005 um 14:39 Uhr

Manche Menschen leben aus dem Herzen.
Sie haben noch nicht vergessen, dass es etwas wichtigeres gibt als freudestrahlende Ich-Bezogenheit.
Eben,...einfach nur leben und Freude spenden.





Annemarie - 11.04.2005 um 16:51 Uhr

Lieber Uve,

"einfach nur leben und Freude spenden",
wie leicht das klingt und schwer das
doch ist.

In der Bergpredigt, in diesem, wie ich
finde, radikalen Text, lesen wir, daß
wir dem Schlechten,dem Bösen immer
nur das Gute entgegensetzen sollen.
Um das so leben zu können, müssten
die meisten Menschen wahrscheinlich
entweder zehn Jahre lang zur Analyse
gehen oder eine göttliche Erleuchtung
oder etwas ähnliches erhalten.

Im Angesicht der eigenen Unvollkommen-
heiten ist es nahezu aussichtslos, voll-
kommen zu sein, zu wirken, zu leben,
sich zu vergeben - mit Güte im Herzen.
Trotzdem: es gibt Ansätze, und wenn ich
solche spüre bei anderen Menschen, dann
ist es als wenn ein Schatten von mir weicht.

Annemarie




Jasmin - 11.04.2005 um 23:31 Uhr

Zitat:


Ist das wahr, daß Pelikane Blut verlieren beim Füttern? Ich kann mir das gar nicht vorstellen.

Liebe Annemarie,

der Pelikan füttert seine Jungen im metaphorischen Sinne mit seinem Herzblut und zwar indem er Futter herauf würgt. Dabei stößt sein Schnabel immer an die Stelle seines Herzens. Das Blut seiner Beute bleibt an dieser Stelle im Gefieder hängen.

Es gibt übrigens ein Theaterstück von Strindberg. Das heißt „Der Pelikan“. Darin geht es um eine selbstsüchtige Mutter, die sich selbst und ihren Kindern die Rolle der aufopfernden Beschützerin vorspielt. Das Herzblut ist also genau wie beim Pelikan kein wirkliches Herzblut, sondern nur ein Fake:

Strindberg schreibt einmal:

„Die Menschen verwechseln ihre Lügen und Betrügereien mit Illusionen, deshalb schreien sie, wenn man ihnen den Deckmantel abreißt. Die Illusionen im eigentlichen Sinne sind keine Lügen, sondern bestehen aus mangelhaften Spiegelungen der vollkommenen Urbilder. Die Liebe ist kein Betrug, sondern eine schwache Wirklichkeit, die etwas vom ewigen Leben in sich hat; eine Illusion durch ihre Unvollkommenheit.”




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