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--- Unter sich

1943Karl - 07.06.2008 um 18:45 Uhr

Geborgenheit tut gut. Man/frau ist unter sich, fühlt sich verstanden, muss keine großen Erklärungen für sein Verhalten abgeben und kann mit ein paar vielsagenden Andeutungen sagen, was die Lieben schon richtig auszulegen wissen.
Das gilt zu Hause und für Literaturgruppen, in denen nicht wenige Schreiber, Autoren und Literaten jene Vertrautheit genießen.
In seiner Literaturgruppe kann jeder seine Lyrik und Prosa vorlesen, hier findet jeder die Texte erst einmal gut – bis auf Kleinigkeiten, die einem immer wieder unterlaufen und die jedem Gruppenmitglied längst bestens bekannt sind. Jeder schätzt den feinsinnigen oder auch deftigeren Humor, den gewohnten Hang zu Tragik und Herzschmerz, den untrüglich persönlichen Stil. Hier kennt jeder die lebensgeschichtlichen und philosophischen Hinter- und Abgründe und selbstverständlich die ganz besonderen Empfindlichkeiten jedes Einzelnen.
In der Gruppe werden Mitglieder und deren Texte liebevoll geschont, um von Mit-Literaten mit allzu harscher Kritik verschont zu werden. Verrisse sind unerwünscht und allenfalls bei Gedichten solcher Autorinnen und Autoren üblich, die ohnehin besser längst die Gruppe verlassen hätten. Und der Star der Gruppe mit mindestens einem Buch, das in einem richtigen Verlag, und einigen Büchern, die im Selbstverlag per Books on Demand verlegt wurden, ist über jede Kritik erhaben, darf selbst aber am heftigsten austeilen. Er hat das allerletzte Wort, wenn es zu entscheiden gilt, welcher Text bei den traditionellen Gruppenlesungen vorgetragen wird. Seine Kritik wird verständnisvoll Kopf nickend akzeptiert. Und geschickt wie er ist, lässt er sich gelegentlich auf einige Flüchtigkeitsfehler aufmerksam machen, um zu zeigen, dass selbst er nicht vollkommen ist.
Man/frau kennt sich, hilft sich, schont sich und entwickelt sich dabei wenig und wenn, dann im Höchstfall bis an jene heimlichen Grenzen, die den nun einmal sensiblen Autorinnen und Autoren eigen sind.
Soziale Gebilde geraten bekanntlich häufig schnell zu jener treuen Beharrlichkeit, die allem Ungewohnten und Fremden jeglichen Einfluss verwehrt. Und hat eine solche Gruppe erst einmal entschieden, was wahre Literatur ist, beginnt sie sich von lebendiger Literatur zu verabschieden.
Dies ist übrigens kein grundsätzliches Plädoyer gegen Literaturgruppen oder gar ein mühsam getarntes gegen Literaturforen.
Zum Glück gibt es derer auch sehr lebendige, die ungewöhnliche Ideen und neue Mitglieder aufnehmen und die besonders treue Mitglieder erleichtert verabschieden, wenn die sich, da sie Kritiken nicht ertrugen, beleidigt zurückzuziehen drohen.




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