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ArnoAbendschoen - 03.06.2011 um 09:46 Uhr

- Zum Beispiel Berlin: Gewalt im öffentlichen Raum -

Wie komme ich dazu, in Hohenschönhausen Kaffee zu trinken? Recht einfach, mit der Bahn. Sie hat mich vom Land zurückgebracht und dies ist der erste Bahnhof in Berlin. Nachher gehe ich in der Nähe spazieren, sehe mir die monumentalen Wohnblocks an, das viele Grün um sie herum. Dann stehe ich schon am Rand. Da ist eine Endschleife der Straßenbahn und in ihr ein China-Restaurant, das ich mir fürs Abendessen vormerke.

Ich streife einige Zeit durch die freie Landschaft. Es gibt einen großen See und einen kleinen Wald und vor allem ungenutzte Flächen, in denen Bäume und Büsche nach Lust und Laune wachsen dürfen. Es ist später Samstagnachmittag, der Tag vor der Walpurgisnacht. Die Sonne scheint intensiv, doch es weht zugleich ein kalter Wind aus Nordost. Der Landschaftspark ist recht belebt, die meisten vermutlich aus dem Stadtteil. Die Atmosphäre ist friedlich, sehr entspannt. Kein Lärm, keine Vermüllung. Normalität kann so angenehm sein.

Ich nähere mich wieder den Häusern. Es ist noch zu früh, essen zu gehen. Ich könnte doch woanders hinfahren. Die Straßenbahn geht in zwei Minuten. Der Zug wartet für mich unsichtbar hinter Gebüsch. Die Haltestelle ist vom vielen Grün förmlich eingepackt. Von weiter abgelegenen Wohnblocks kommen bloß die oberen Etagen ins Blickfeld. Nur ein junger Mann wartet schon, er sitzt im Wartehäuschen, ich bleibe außerhalb stehen.

Dann kommt noch einer. Ich sehe kurz hin: Bei dem eisigen Wind geht der mit bloßem Oberkörper … Er wird höchstens fünfundzwanzig sein. Ich beachte ihn nicht weiter, stehe acht oder zehn Meter von ihm entfernt. Allmählich dringt mir ins Ohr, dass er unaufhörlich redet, sonderbar brabbelt. Hat wohl etwas geschluckt. Was sagt er da, meint er mich? Ich sehe bewusst nicht hin.

Jetzt steigt er ins Gleisbett, bückt sich nach Steinen. Er bricht die Aktion schon ab, geht ins Häuschen und beginnt, mit voller Wucht gegen die Plexiglaswände zu treten. Er probiert, ob er sie eintreten kann. Es misslingt. Er brabbelt weiter und meint jetzt doch mich: „Mit dir kann man gar nichts anfangen!“ Dann steigt er wieder ins Gleisbett, wählt einen Stein aus. Der andere junge Mann ruft ihm zu: „Mach keinen Scheiß!“ Der Schotterstein fliegt in meine Richtung. Er hat nicht auf meinen Kopf gezielt, nur auf die Füße – der Stein bleibt einen halben Meter vor mir liegen. Ich könnte das für ein Spiel halten, hätte er nicht eben Wände eintreten wollen. Ruhig bleiben, die Tram kann jeden Moment kommen.

Und sie kommt und zugleich noch ein dritter junger Mann. Es ist ein Trio, das die Walpurgisnacht drinnen in der Stadt feiern will. Dem einen von ihnen will ich lieber nicht wieder begegnen, und schon gar nicht zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens auf einem U-Bahnhof. Muss ich ja auch nicht. Aber andere vielleicht.




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