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-- Aesthetik
--- Der Maler Albert Weisgerber

ArnoAbendschoen - 06.08.2011 um 11:36 Uhr

Albert Weisgerber, geb. 1878 in St. Ingbert/Saar, zählte als Maler und Graphiker zu den großen Talenten des frühen 20. Jahrhunderts. Er kam bereits 1894 nach München, um sich hier ausbilden zu lassen, u.a. von Franz von Stuck. München blieb auch später sein Lebensmittelpunkt. Die Liste der Berühmtheiten, mit denen er näher verkehrte, ist lang: Klee, Kandinsky, Slevogt, Kubin, Ringelnatz, der junge Theodor Heuss (den er porträtierte). Er bestritt seinen Lebensunterhalt mit Arbeiten für die Zeitschrift „Die Jugend“.

Weisgerber, ein fleißiger Maler und Zeichner, steht zwischen dem späten Impressionismus und dem frühen Expressionismus. Er verarbeitete Anregungen sowohl aus der älteren Malerei (z.B. El Greco) wie aus den neuesten Strömungen in Frankreich (vor allem Cézanne). Seine Werke weisen einen farbig-dekorativen Übergangsstil auf und überzeugen auch durch die Vielfalt der Motive. Sie reicht von Selbstporträts über Park- und Biergartenszenerien bis zu religiösen Themen. Über den Hl. Sebastian hat er einen ganzen Zyklus geschaffen. Er unternahm Studienreisen nach Paris und Italien. In den letzten Jahren vor dem 1. Weltkrieg häuften sich Ausstellungen in renommierten Galerien. Einige große Museen kauften bereits Bilder von ihm für ihren Bestand.

Er fiel 1915 in Flandern, ein für die deutsche Kunstgeschichte ebenso unersetzlicher Verlust wie der von Franz Marc. Wie Marcs Bilder wurden auch seine Werke von den Nazis als entartete Kunst eingestuft. Was seine Witwe bei ihrer Emigration von seinen Werken zurückließ, fiel als „Judengut“ an den Staat. Seine Geburtsstadt St. Ingbert erwarb die Sammlung. Nach dem Krieg wurde dieser Grundstock durch Zukäufe erweitert und in einem Museum ausgestellt. Es ist inzwischen geschlossen, doch soll in naher Zukunft ein neues Haus die Sammlung wieder zugänglich machen.

Einzelne Gemälde von ihm kann man in Kunstmuseen in Berlin, Hamburg, Oldenburg, Hannover, Halle, Dresden, Gelsenkirchen, Mannheim, Ludwigshafen, Kaiserslautern, Saarbrücken, Stuttgart und München sehen – falls sie nicht hier und da in den Depots verstauben. Der St. Ingberter Bestand geht bis zur Neueröffnung seines Museum auf Reisen, war schon in Schweinfurt, Berlin, Dachau, Radebeul, Neu-Ulm sowie in Polen zu erleben. Wer sich für herausragende Malerei der frühen Moderne interessiert, sollte die Chance einer Begegnung nutzen. Weisgerber ist unbedingt eine Wiederentdeckung wert.

Einige seiner Werke können ohne viel Mühe im Internet angesehen werden, möglichst vergrößert, z.B. bei Wikipedia. Dort ist auch das „Selbstporträt am Attersee“ zu finden. Hier tritt Weisgerber, wie auch auf anderen Selbstbildnissen, als scheu und introvertiert vor uns hin, ein vital-sensibler Fin-de-siècle-Künstler, seltsam unbehaust zwischen den Zeiten.




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