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--- Einkaufen in Berlins Osten

Kenon - 09.10.2016 um 13:30 Uhr

In einer Lichtenberger Edeka-Filiale, also in Ostberlin, soll ein junger Filial-Leiter einen Moldawier, den er beim Diebstahl erwischte, so schwer geprügelt haben, dass er zwei Tage später an den Folgen verstarb.

"Die Welt" berichtete am 30.09.2016:

Zitat:

Über den verhafteten Chef will keiner sprechen. Auch die Stammkunden schweigen. „Ich hab nix mitgekriegt“, sagt ein Mann, der oft am Bahnhof ist.

Ich habe diesen Filial-Leiter inkognito kennengelernt, auf den Bildern der Berichterstattung über den Vorfall habe ich ihn erkannt. Er hielt sich öfter hinter den Backauslagen auf und hat von dort aus das korrekte Verhalten der Kunden überwacht. Mich hat er auch zweimal ungeheuerlich laut und böse angeschnauzt: "Das Brötchen mit der Zange nehmen, auch wenn es das letzte ist". Ich dachte mir: Was ist denn das für eine widerwärtige Person? Verwechselt sie den Kasernenhof oder den Strafvollzug in einer Diktatur mit einem Supermarkt? Wer stellt so jemanden in einem Bereich ein, in dem es um den Dienst am Kunden geht - müsste man nicht den Filial-Leiter informieren? Natürlich habe ich mich dann nur innerlich kurz aufgeregt und habe mein Brötchen an der Kasse bezahlt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich es gerade mit dem Filial-Leiter zu tun hatte. Erst nach dem der Fall in die Medien kam, beschlich mich eine dunkle Ahnung.

Etliche Wochen später war ich wieder am Backregal beim Edeka. Es war dort einigermaßen Betrieb. Ein Mann entschuldigte sich bei einem anderen Kunden, dass es leider etwas dauert, er müsse die Brötchen mit der Zange entnehmen, weil er neulich - so wörtlich - zusammengeschissen worden sei, weil er es nicht getan hatte. Seitdem nehme er immer die Zange. Wie man sieht, hatte die Kundenbehandlung also eine gewisse Methode und zumindest partiell einen ihr nicht abzusprechenden Erfolg.

Ich kenne den Stand der Ermittlungen nicht, aber wer zu solcher verbalen Gewalt fähig ist (auch wenn sie in meinem Fall "nur" den Ton betraf), dem traue ich sehr gut zu, hemmungslos physisch zu werden.

Der Edeka-Supermarkt ist ein Brennpunkt der Alkoholiker-Szene am Bahnhhof Lichtenberg. In all den Jahren habe ich dort schon vieles gesehen: Wie ein Kunde morgens um 8 Uhr beim Kauf des ersten (?) Bieres an der Kasse vornüber umkippt und liegen bleibt, wie stinkende Penner beim Kauf der nächsten Schnapsflasche die Kasse für sich allein beanspruchen können, weil alle anderen den Geruch einfach nicht aushalten, wie vor der Filiale eine Frau auf allen Vieren kriecht und dabei wirres Zeug lallt, bis die Polizei sie mitnimmt... Streitereien, Schlägereien vor dem Bahnhofsgebäude.

Generell habe ich in Berliner Supermärkten, zufälligerweise immer im Osten, schon viele schräge Sachen erlebt. Dass Kassierer die Brötchen nicht kennen und im Zweifelsfall irgendein teureres Brötchen eintippen, ist dabei noch das harmloseste. Ich hatte einmal das Vergnügen mit einer Dame, die gleich ein ganzes Brot eingetippt hat und mir dann, weil sie genau wusste, wie unverschämt sie sich gerade verhalten hatte, die Aushändigung des Kassenzettels verweigerte. Ärger ist noch der Vorfall - dieses Mal geht es um einen Kunden - mit einem ostdeutschen Bauarbeiter, offensichtlich alkoholisiert und sehr unzufrieden mit seinem Tagesverlauf, der sich wütend vordrängelte, als ich an der Kasse stand. Ich hatte ihm zu viel Platz zwischen meinem und dem Einkauf des Kunden vor mir gelassen. "Wenn Du so viel Platz lässt" --- wumms! hatte er seine Artikel vor meinen auf das Förderband geknallt. Auf meine freundliche Nachfrage hat der Bauarbeiter, der in seinem roten Anzug ein metallenes Werkzeug stecken hatte, mit dem man sicher auch gut einen Menschen erschlagen konnte, ohne auf meine eigentlichen Worte einzugehen, extrem aggressiv reagiert und sich erkundigt, ob man mir schon einmal die Nase gebrochen hätte. Auf eine weitere Diskussion mit diesem Menschen habe ich verzichtet und mich innerlich auf das schlimmste, also einen physischen Übergriff, vorbereitet.

Lichtenberg ist übrigens ein Berliner Bezirk, in dem bei der Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen 2016 ungefähr 50% für extremistische Parteien, also die AfD sowie die SED/PDS-oder-wie-sie-sich-jetzt-gerade-nennt gestimmt haben.




ArnoAbendschoen - 09.10.2016 um 17:40 Uhr

Kenon, dort habe ich mich auch schon umgesehen, da für 2017 Umzug in die nähere Umgebung geplant ist. Mir ist zum Glück kein Leids widerfahren, doch ist die Konkurrenz an der Weitlingstraße schon wegen der Frischetheke erste Wahl.

Es mag sein, dass evtl. Ruppigkeit des Personals bei Edeka mitbedingt ist durch Unliebsames von Seiten eines Teils der Kundschaft. Ich las neulich, dass erst im Mai ´16 ein Überfall mit Eisenstange auf den Markt erfolgt ist und dabei zwei Sicherheitskräfte durch Messerstiche verletzt wurden.

Lobend muss ich erwähnen, dass es im Untergeschoss keine "Tauben in der Bäckerei" mehr gibt (s. Text vom 30.1.12 in der Sparte Prosa). Es ging da zeitweise noch wilder zu als von mir beschrieben. Einmal flog eine volle Limo-Dose vom Verkaufstresen Richtung Taube im Übergang zum Vorratsraum.

Was Erlebnisse und Eindrücke der von dir beschriebenen Art angeht, steht der Nordwesten der Stadt (Wedding, Reinickendorf, Spandau) Lichtenberg bestimmt nicht nach, eher im Gegenteil. Ich bin also schon ausreichend abgehärtet ...

Arno Abendschön




Kenon - 09.10.2016 um 18:17 Uhr

Es wird nicht lange dauern, dann gibt es in dieser Filiale einen neuen Zwischenfall. Ich war heute das erste Mal wieder bei Edeka einkaufen. Der Andrang am Sonntag ist oft so stark, dass die Security-Leute vor der Tür (mittlerweile zwei, teilweise gekleidet wie SEK-Kräfte) keine neuen Leute hineinlassen und sich draußen eine lange Schlange bildet, die man sonst nur aus DDR-Zeiten kennt - oder wenn die MoMA in Berlin ist oder ein neues Iphone erscheint. Hier ist zum einen das Problem, dass es offenbar einen großen Bedarf gibt, sonntags einzukaufen, aber nur wenige Märkte geöffnet haben dürfen - eben in Bahnhhöfen und die wie im Falle vom Edeka Lichtenberg, wo selbst sechs Kassen nicht genügen, die Massen abzufertigen, hoffnungslos überlastet sind. Das Sonntagsverbot für Kioske wird zum anderen im Kiez seit längerer Zeit mit härterer Hand durchgesetzt. Diesen Kiosken sollte man die Öffnung am Sonntag erlauben, bei Bahnhofssupermärkten könnte es eine gute Idee sein, ihnen den Verkauf von alkoholischen Getränken zu verbieten - ich bin generell kein Freund von Verboten, aber ich weiß aus Polen, dass das sehr effektiv sein kann. Dadurch würde der Edeka, vielleicht sogar der gesamte Bahnhofsbereich, für die durstige Problem-Klientel uninteressant werden.

Eben habe ich wieder einen Ladendiebstahl beobachten können. Ein Typ mit Kapuze hat sich im Schutze einer Regalecke ein Bierfläschchen in seinen Beutel gesteckt. Bei so großem Andrang fällt es nicht besonders auf. Vorn an den langen Schlangen der Kassen konnte man die beiden Security-Männer am Eingang stehen sehen. Einer von beiden lief in den Kassenbereich hinein und fing an zu brüllen: "Nutzen Sie auch die Kassen 4, 5 und 6". Das ist wieder an sich kein verwerflicher Satz, aber der Kommando-Ton war barbarisch. Es ist lange her, dass ich jemanden so kommunizieren hörte: Es war mein ehemaliger schreiend-brüllender Schuldirektor, von dem irgendwann bekannt wurde, dass er zuvor Stasi-Major war. Viele dieser Leute sind ja in die sogenannte Sicherheitsbranche gewechselt.

Die von den Bürgern neu gewählten Politiker werden diese Probleme sicherlich bald lösen...




ArnoAbendschoen - 09.10.2016 um 19:00 Uhr

Kenon, die Sonntagsöffnung bei den Edeka-Märkten in den Bahnhöfen Friedrichstraße und Südkreuz scheinen zu vergleichbaren Zuständen (auch Schlangen) wie in Lichtenberg zu führen, nach dem, was mir berichtet wird bzw. was ich von außen mitbekomme. Selbst vermeide ich strikt, diese Märkte sonntags zu betreten, nachdem ich einmal das schauderhafte Gewühle im Edeka (Friedrichstraße) erlebt habe.

Ja, kein Alkoholverkauf in Bahnhöfen!

Arno Abendschön




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