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Lily Roth - 27.03.2017 um 18:26 Uhr

Wahre Liebe

„Verdammt, wer stört um diese Zeit“, rief er, während er sich mühsam in Bewegung setzte, in den Flur torkelte und die Wohnungstüre öffnete.

„Archie, ich kann es einfach nicht“, hauchte sie und Tränen schimmerten in ihren verweinten Augen, „ich vermisse dich so“. Angies Stimme drohte zu ersticken. Schluchzend umarmte sie ihren Ehemann. „Bitte verzeih mir! Ich liebe dich so sehr. Ich war so dumm. Ich habe überhaupt nicht gewusst, wie sehr ich dich liebe. Ich habe doch nur dich . . . „

„Dumme Göre,“ erwiderte er und löste sich aus ihrer Umklammerung, „du wolltest die Scheidung, nicht ich. Hätte wissen müssen, dass du bald wieder angekrochen kommst.“

Er ließ Angie die Koffer alleine hineintragen.

„Hab ich mich eben umsonst besoffen“, dachte er, und schlurfte wieder zurück zur Wohnzimmercouch, „auf meine alten Tage noch so viel Aufregung. Hätte auf meine Schwester hören sollen, ´der Altersunterschied´, hat sie gesagt, ´du bist ein Narr, wenn du glaubst dieses Püppchen liebt dich´, aber ich hab gesagt, die liebt mich echt, das ist was Ernstes, das ist nicht so, wie mit den anderen, diesen Nutten. Die ist nicht scharf auf´s Geld, die ist was Besonderes.“

„Was machst du da?“, fragte er ohne sich umzudrehen, „räumst du deine Fetzen wieder ein?“ Und grummelnd fügte er hinzu: „Die Arbeit hättest du dir sparen können. . .“

„Verzeihst du mir?“

Sie stand hinter ihm. Ihr heißer Atem elektrisierte seine Nackenhärchen.

„Oh, du kleines Biest,“ entfuhr es ihm, „komm her und trink einen Schluck mit mir.“

„Archie,“ seufzte sie, „heißt das wir sind wieder gut? Komm, sag es, sag dass wir wieder gut sind, bitteeeee. . . „

„Lass das, ich bin dafür zu müde und zu betrunken. Trink einen Whiskey, der kühlt dich ab.“

„Liebst du mich?“

Es klang nicht wie eine Frage. Angies whiskeyfeuchte Lippen berührten seinen Nacken.

„Sag, dass du mich noch liebhast! . . . Aaahhh!“

Ein einziger Griff beförderte sie unsanft über die Couchlehne nach vorne neben ihren Ehemann.

„Da gehörst du her!“, raunzte er sie mit rauer Stimme an, „genau da, an meine Seite. Und wenn du noch einmal so eine Scheiße baust, mach ich dich kalt. Du blamierst ja die ganze Innung.“

Stöhnend rappelte sie sich in eine sitzende Position.

„Jetzt ist mein Kleid zerrissen! Sieh nur!“

„Dann kannst du den Fetzen auch gleich ausziehen. Sieht sowieso besser aus.“

Angie schenkte Whiskey nach. „Ist es so besser?“, fragte sie während sie ihm das Glas reichte.

„. . . auf ex . . .“, meinte er lapidar, ihre Reizwäsche mit einem Grinsen quittierend.

„Hast du mich denn gar nicht vermisst?“

„Es gibt viele schöne Frauen“, log er und fummelte ungeschickt an ihrem schwarzen Spitzenbüstenhalter herum.

„Warte, ich mach das schon . . . „

„Ja, mach . . . Ich hol mal ne neue Flasche.“

Sie war nackt, als er zurück ins Wohnzimmer taumelte.

„Du Luder,“ stöhnte er und plumpste auf die Couch.

Er setzte die Flasche an.

„Beweg dein´ Arsch!“, röchelte er, „Mach mich an, verdammt, beweg dich du kleine Hure!“

Angie gehorchte. Lasziv stand sie auf und tänzelte in Stöckelschuhen im Zimmer herum.

„Ist dir auch so heiß?“ hauchte sie.

„Jaaahhh. . . guuut . . . du Biiiest . . .“, lallte er.

Angie kroch auf allen vieren in Richtung Balkon und wackelte einladend mit ihrem prallen Hintern.

„Wo bleibt mein Hengst“, rief sie neckisch, während sie die Balkontüre öffnete und nach draußen verschwand.

„Scheiß drauf,“ dachte er, „ich bin zwar alt aber nicht tot.“

Den Reißverschluß seiner Hose öffnend stolperte er in ihre Richtung.

„. . . etz paß ma´auf, . . . etzeigisssdia . . . du luudaaa . . .“

„Lass es uns am Balkon treiben, dann haben die Nachbarn auch was davon . . .“

„. . . schamlosss Weibsbild . . .“, keuchte er, als er sah, dass sie sich über die Brüstung lehnte.

„. . . los, zeig´s mir . . .“

Er schwankte hinter ihr, preßte sich an ihr verlockendes Hinterteil und hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest um nicht umzufallen. Lustvoll rieb sie sich an ihm und stöhnte.

„Oh Gott! Was ist das?“

Schlagartig versteifte sich ihr Körper.

„Was!?“

„Dort unten! Oh Gott! Dort unten!“

„Scheiß d´rauf . . . mach weiter . . . komm . . . „

„Dort unten liegt doch jemand!“

„Wasisss?!?“

„Dort unten! Am Boden! Da liegt ein Mensch!“

„. . . miadochegal . . .“

„Ist der tot?“

„. . . weaaa. . .“

„Na der Mann, der dort unten liegt. Jetzt schau doch mal! Schau doch!“

„Hysterische Kuh“, dachte er, erst will sie und jetzt wieder nicht.“

„Wir müssen die Rettung rufen! Oder die Polizei! Wenn der noch lebt! Schau!!!“

Mit all ihrer Kraft arbeitete Angie sich aus dem Griff ihres Mannes, der nun endlich auch nach unten spähte und trotz Dunkelheit etwas zu erkennen versuchte.

„. . . wo?. . . woisdawas? . . .“, murmelte er verärgert, „. . . scheiße, wo . . .?“

Er lehnte sich weit über die Brüstung. Ein wenig mußte sie nachhelfen, aber es war nicht allzu schwer. Dann rannte sie in die Wohnung, schnappte sich ihren Mantel, stürmte auf den Gang und läutete wie verrückt an sämtlichen Nebentüren.

„Oh Gott, was ist passiert?! Brennt´s?!“

Eine Nachbarin war bereits aufgescheucht, die nächsten folgten.

„Unten vor dem Haus liegt einer! Der ist runtergesprungen“, schrie sie und ihre Stimme überschlug sich. „Hilfe! Wir brauchen Hilfe! Vielleicht lebt er noch !“

Das Haus setzte sich in Bewegung. Nach und nach erschienen seine Bewohner in Morgenmantel und Pantoffel und versammelten sich um Archies Leiche.




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