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-- Aesthetik
--- Derek Jarman: Caravaggio - Rezeption und Revision

ArnoAbendschoen - 29.12.2019 um 12:11 Uhr

Anfang 1987 kam der damals neue Film des Briten Derek Jarman erstmals in deutsche Kinos. Die Kritiken waren ausnahmslos, so schien es mir, voll von enthusiastischem Lob. Ich sah die Malerbiographie an einem Montagabend und notierte mir danach: „… lebendiger Kunstfilm … vollkommen authentische Bilder … atemberaubend schön …“ Zweiunddreißig Jahre später lasse ich mir den Film auf DVD kommen (Edition Salzgeber) und kann meine frühere Begeisterung nicht mehr nachvollziehen.

Möglich, dass ich „Caravaggio“ damals in deutscher Synchronfassung gesehen habe. Inzwischen ziehe ich Originalfassungen mit Untertiteln vor. Diese hier ist eine – und sie befremdet mich auf Anhieb: römischer Barock und dann alles Reden in British English, abgestuft von Oberschicht bis Gosse, seltsam anzuhören. Überhaupt nicht romanisch auch die meisten Physiognomien, eher angelsächsisch bis keltisch. Das steigert den Verfremdungseffekt. Dass so der Anblick von Tilda Swinton als Lena und noch mehr der von Sean Bean als Ranuccio eine leichte Antipathie in mir hervorrufen, ist vielleicht mein Problem – aber wie es ist um die Schauspielkünste von Nigel Terry als Caravaggio bestellt? Er scheint hier als Hauptfigur nur über zwei Mienen zu verfügen: die gönnerhaft lächelnde und die leidend tief betrübte. Caravaggios innerer Monolog, der wenig kunstvoll laufend neben der Filmhandlung assoziiert und phantasiert, kommt wie ein Mix aus englischer Romantik und W.H. Auden daher. Er zeugt wie der ganze Streifen von stark zum Ausdruck drängendem Kunstwillen. Die reichlich im Film eingestreuten Anachronismen (Taschenrechner, Schreibmaschine, Motorrad, Zigaretten usw.) wirken wie allzu absichtsvolle Gags. Sie fanden beim Publikum seinerzeit auch viel Beachtung.

Das Grundprinzip der Filmstruktur ist zunächst einleuchtend: Verknüpfung von Lebenssituationen mit gemalten Bildern. Das komplizierte Verhältnis von Bildproduktion, sei es für ein Gemälde oder den Film, zur Sinnproduktion in der erzählten Filmhandlung analysiert überaus tiefschürfend der Kunsthistoriker Klaus Krüger in einem der DVD als Bonusmaterial beigegebenem Vortrag. Nur dass mich bei aller Aufklärung darüber das Ergebnis dieser angestrengten Kunstübung ästhetisch dennoch nicht befriedigt. All die Anachronismen, das Spiel mit Filmzitaten, mit Garderoben unterschiedlichster Zeiten, mit technischem Gerät aus jüngster Zeit oder zzt. des Drehs schon wieder überholtem, es stellt ein willkürliches Sammelsurium dar. Gewiss wird so ein traditionelles biographisch-cineastisches Herangehen an einen Stoff wie diesen konterkariert, doch aus der Zertrümmerung entsteht nichts formal überzeugend Neues. Ist es am Ende ein Film über Vergeblichkeit von Kunst oder von Leben überhaupt?

In der zweiten Hälfte des Films wird jenes Grundprinzip überlagert und fast schon durchkreuzt von einem trotz allem zunächst konventionell erscheinenden Dreiecksverhältnis. Aber so wie alle Nebenfiguren undeutlich bleiben, so auch die Psychologie dieses Trios. Die schwangere Lena – von wem schwanger? - verlässt Caravaggio und Ranuccio, die, wie sie erklärt, einander genügten. Sie wird Scipiones Geliebte. Ranuccio ertränkt sie bald darauf im Tiber und gibt als Motiv gegenüber Caravaggio an, er habe die Frau für sie beide, den Maler und sich selbst, umgebracht. Dafür wird er nun von Caravaggio erstochen. Das Seelendrama hinter diesem blutigen Schauerkurzroman wird nicht einmal an-, geschweige denn ausgeleuchtet.

Verdankt sich der seinerzeitige Erfolg des Films der Übereinstimmung mit dem Zeitgeist der 1980er Jahre, dem Geist der Postmoderne, eines ästhetischen "anything goes" usw.? Ist uns Jarmans „Caravaggio“ einfach fremd geworden, da wir selbst uns in einer seitdem sehr veränderten Welt neu zu orientieren haben? Gegen diese Annahme spricht immerhin eine negative Kritik von damals, die ich entdeckt habe. Wolfgang Limmer fand schon 1987 in einer „Spiegel“-Rezension die Schwachpunkte heraus (Titel: „Klappbilder, homoerotisch“). Er monierte dort das Überwiegen von reinen Posen, den „platitüdenreichen Kommentar“, konstatierte, es umgebe „eine fröstelnde Kälte diese Hitzigkeit … Nichts stimmt in den Beziehungen der Lustsubjekte untereinander.“ Und zu den Spielereien mit Anachronismen: „Jarman hat sich dabei was gedacht, vermutlich irgendwas mit universal. Ich habe nichts dabei gespürt.“ Mir geht es heute ebenso.




Kenon - 10.02.2020 um 23:39 Uhr

Es ist schon länger her, dass ich den Film geschaut habe und an Filme kann ich mich sowieso nicht besonders gut erinnern, von daher wäre Schweigen für mich sicherlich die bessere Wahl. Mir scheint es so, als hätte der Regisseur Caravaggio-Gemälde filmisch nachzeichnen wollen. Das ist ganz nett, aber ich muss es eigentlich nicht gesehen haben.



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