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Sibylle Reinhardt - Politik-Didaktik
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Reinhardt, Sibylle:
Politik-Didaktik

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(Bücher frei Haus)

Dass die Demokratie mündiger Bürger bedarf, ist eine Voraussetzung für das gute Funktionieren derselben. „Demokratie-lernen“ sollte eigentlich nicht nur zum Bestandteil des Politik-Unterrichts gehören, aber besonders die Politische Bildung beschäftigt sich mit diesem Programm, wobei man heute nicht mehr von „Qualifikationen“ spricht, die man dabei erwirbt, sondern von „Kompetenzen“. Letzteres hat nämlich vor allem eine Output-Bedeutung, d.h., dass das Gelernte auch aktiv umgesetzt werden muss und nicht nur „eingetrichtert“ wird. Die Didaktik ist – in einer von vielen Definitionen – „eine nach bestimmten Prinzipien durchgeführte und auf allgemeine Intentionen bezogene Transformation von Gegenständen zu Unterrichtsinhalten“.

Emanzipation als Befreiung von Unmündigkeit

Das dabei vermittelte Wissen wird in normatives, fachwissenschaftliches, Alltags- und Berufswissen eingeteilt. In den Vorstellungen von didaktischer Transformation und fachdidaktischen Prinzipien werde die Idee des didaktischen Dreiecks (Sache – Lehrer – Lerner) aufgehoben und der Konkretisierung näher gebracht, schreibt Sibylle Reinhardt. Besonders „Fälle“ und nicht Fließschemata oder Organigramme von Institutionen würden zur Identifikation einladen, vom Alltagswissen kann also zu anderen Wissensgebieten übergeleitet werden. Der Lernprozess soll für die Lernenden erfahrbar werden. Schwierigkeiten in der Didaktik ergäben sich etwa bei der Erklärung der Diskrepanz zwischen verordneter Gleichheit und vorhandener Differenz (Geschlecht, soziale und regionale Herkunft, Lebenslauf, persönliche Identität, Beruf und Familienstand u.a.m.). „Ungleichheiten werden in der Gesellschaft als Vielfalt und Individualität positiv oder als Ungerechtigkeiten negativ bewertet.“ Eine politische Forderung nach der Veränderung der Rahmenbedingungen könnte daraus folgen, denn das demokratische System sei ja keine natürliche und damit unabänderliche Tatsache, schreibt Reinhardt, die gegen Verlust gefeit wäre, sondern es bedürfe der verständigen Mitwirkung seiner Bürger. „Ziel politischen Lernens ist es, dass die jungen Menschen die Werte und Institutionen ihrer Gesellschaft verstehen und die Bereitschaft entwickeln, sie frei und selbstverantwortlich anzuerkennen, sich für sie einzusetzen oder aber Veränderungen anzustreben.“ Emanzipation bedeute die Befreiung von Unmündigkeit.

Der Beutelsbacher Konsens

Der Beutelsbacher Konsens wurde in den Siebzigern in Baden-Württemberg auf einer Tagung im gleichnamigen Ort ausgearbeitet und dient seither als Grundlage einer Konsensbildung in der Didaktik. Auf drei Punkte der Grundprinzipien des Unterrichts konnten sich darin führende Pädagogen einigen: Überwältigungsverbot, Kontroverse als didaktisches Prinzip und die Betonung der Erreichung operationaler Fähigkeiten der SchülerInnen. Der erste Punkt sollte der Indoktrination der Schüler durch die Lehrer entgegen wirken und war wohl vor allem gegen die damals noch existierende DDR gerichtet. Kontrovers sei vor allem das Leben und deswegen müsse auch der Unterricht dementsprechend gestaltet werden. Schließlich müsse der Schüler in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie zu beeinflussen. Nicht Unterordnung und Gleichordnung sollte unterstützt werden, sondern das selbstbewusste Eintreten für eigene Interessen. Damit dies aber nicht allzu sehr in Egoismus abgleite wurde 1996 der dritte Grundsatz neu formuliert: „Der Schüler soll in die Lage versetzt werden, politische Probleme zu analysieren und sich in die Lage der davon Betroffenen hineinzuversetzen sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie er die Problemlösung im Sinne seiner Interessen unter Berücksichtigung der Mitverantwortung für das soziale Ganze beeinflussen kann.“

Sechs fachdidaktische Prinzipien

Im zweiten Teil des vorliegenden Praxishandbuchs, „Fachdidaktische Prinzipien und Methoden“ werden dann die Bedingungen und Methoden ausgearbeitet, die das Gelingen der obigen Prämissen und Ziele beinahe garantieren: sechs fachdidaktische Prinzipien müssten bei der politischen Bildung berücksichtigt werden. Konfliktorientierung, Problemorientierung, Handlungsorientierung, Fallprinzip, Zukunftsorientierung, Politisch-moralische Urteilsbildung. Jedes dieser sechs Prinzipien wird anschließend ausführlich erläutert. So stimmt die einschlägige Literatur etwa damit überein, dass Konflikte zunehmend als schöpferische Kraft wahrgenommen werden könnten. Die Gesellschaft wird als lernende, als sich entwickelnde aufgefasst und in einer dynamischen Bewegung gesehen. Die konstruktive Funktion von Konflikten entstehe durch ihre Regelung, nicht durch ihre Lösung (Gegensätze würden ja nicht beseitigt werden).

Konflikte als schöpferische Kraft

Diese Kanalisierung von Konflikten trage auch wesentlich zur Gewaltvermeidung bei, da man sich auf „Spielregeln“ einige. Sibylle Reinhardt erläutert dieses erste fachdidaktische Prinzip in ihrer Publikation auch mit einem konkreten Beispiel, dem Konflikt über die Ladenöffnungszeiten. Dazu verwendet sie einerseits Texte aus Zeitungen zum Thema, die hier in ihrer Gänze wiedergegeben werden, zweitens einen (deutschen) Gesetzestext aus dem Internet zu den Ladenöffnungszeiten und drittens eine von ihr selbst erstellte Konfliktanalyse, in dem sie das Thema in verschiedene Bereiche aufschlüsselt: Konfrontation, Analyse, Stellungnahme, Kontrovers-Verfahren, Generalisierung (strukturelles Problem?). Das Fazit für dieses fachdidaktische Prinzip: es gibt sowohl eine normative Dimension (Demokratie-Lernen und Streit-Kultur), fachwissenschaftliche Zugänge (sozialwissenschaftlicher Beitrag zur Arbeits- und Sozialpolitik), einen alltäglichen Zugang (Konflikte erlebt jeder jeden Tag und interessieren immer) und die Dimension des Berufswissens (Konfliktanalyse als Methode). Die anderen fünf fachdidaktischen Prinzipien werden von der Autorin ebenso sachlich und konkret ausgeführt und laden zur Nachahmung ein, jedenfalls stiften sie viele Ideen, wie man den politischen Unterricht besser gestalten kann.

Sibylle Reinhardt
Politik-Didaktik, Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II
Cornelsen Verlag Scriptor
ISBN: 978-3-589-22051-9
256 Seiten

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-11-30)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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