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David Chauvel - Cosa Nostra V: Murder Inc
Buchinformation
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Chauvel, David:
Cosa Nostra V: Murder
Inc

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(Bücher frei Haus)

“Hinter seinem freundlichen Lächeln, seiner Leutseligkeit und dem ulkigen Lispeln verbarg Reles einen ungewöhnlichen Hang zur Brutalität. Er war tyrannisch, launisch, argwöhnisch. Und wenn er überhaupt zwischen Gut und Böse unterscheiden konnte, verband er nichts damit. So hatte er alles, was es zu einer erfolgreichen Karriere in der Unterwelt brauchte.“ Wer sich in dieser Kurzbiographie und Charakterbeschreibung wieder erkennt, sollte sich Sorgen um seinen Psychiater machen, denn der wird verzweifeln. In dieser hier so fachmännisch beschriebenen Person ist von niemand Geringerem die Rede als von „Kid Twist“, aka Abe Reles, der Kopf der unglaublichen, aber doch umso realer existierenden Verbrecherorganisation „Murder Inc.“: bei Auftrag Mord. David Chauvel und Erwan Le Saec lassen im fünften Teil der Cosa Nostra Saga beim Schreiber&Leser Verlag hinter die Kulissen einer der grausamsten Kapitel der amerikanischen Geschichte blicken. Kid Twist war ein besonders abgefeimter Mörder, denn er brachte es sogar fertig, seinen alten Spießgesellen Jake mit seiner eigenen Waffe umzunieten und das, nachdem sie sich gemeinsam in einer Bar ein paar Drinks genehmigt hatten. Nicht mal betrunken sollte man so einem trauen, aber diese Warnung kam wohl eindeutig zu spät.
„Namen kann ich mir schlecht merken, aber Gesichter vergesse ich nie.“, meint Lepke von der Brooklyn Connection zu Abe. Das dürft auch für Gangster eine gute Überlebensstrategie sein, denn sein Einfall kommt ihm leider zu spät, die „Schiesserei im Billardsalon“ wird später in die Annalen des Verbrechens eingehen und beim großen Geständnis von Kid Twist eine nicht unwichtige Rolle spielen. Die Murder Inc. war eine „gut geölte Tötungsmaschine für missliebige Kollegen. Die Maschine konnte überall im Land eingesetzt werden“ schreibt David Chauvel, „anfangs betrachtete man sie wie jede andere Killerbande in der Stadt, im Land. Dann wuchs ihr Ruhm mehr und mehr bis sie irgendwann die Größten waren.“ Was es dazu brauchte? Natürlich ein Schießeisen, aber viel mehr noch zählten Fähigkeiten wie Organisationstalent, Kaltblütigkeit und Belastbarkeit und „mitunter sogar Fantasie“, wie lakonisch vom Autor angemerkt wird.
Eine besonders perfide Episode der Geschichte, an die man wohl noch lange wird denken müssen, sollte man den Ausdruck je wieder ganz nebenbei und bedeutungslos verwenden können, war die so genannte „Ladies Night“. Am Höhepunkt ihrer Murder Inc. laden die Ganoven - wohl unter Einfluss von Alkohol oder ganz einfach aus Übermut - ihre Frauen zu einem fröhlichen „Autogrillen“ ein. Nur, dass in dem Auto ihre Opfer liegen und halbtot noch im von den Frauen angezündeten Wagen verbrennen. Ob so etwas wohl zusammenschweißt? „Und während das Auto ausbrannte, drängten sich die Frauen noch näher an ihre Männer“, schreibt Chauvel. Doch wer hoch steigt, wird auch tief fallen, so will es das Gesetz der Schwerkraft und im Falle von Kid Twist war es tatsächlich nicht nur sprichwörtlich so, doch das wird der liebe Leser natürlich erst am Ende dieser grausamen Geschichten um Mord und Totschlag erfahren.
„Hm…vielleicht ekelt dieses Leben mich an. Das Morden…ich kann das nicht mehr. Und bald werde ich Vater…ich will mit alldem Schluss machen.“ War das die Wahrheit, die Abe dem District Attorney da in seinem Büro auftischte? Oder nur eine weitere Finte des wohl verschlagensten Verbrechers der Dreißiger Jahre? Sein Gedächtnis funktionierte jedenfalls noch. Ganze 25 Notizblöcke wurden mit Abe`s Geständnissen gefüllt und er erinnerte sich sogar daran, was er bei den diversen oder vor den einzelnen Morden gegessen hatte. „Die beste Rinderlende, die ich in meinem Leben gegessen habe. Ich kann Ihnen das Restaurant nur empfehlen. Von außen sieht es nach nichts aus, aber die Küche ist göttlich.“ Auch ein Mörder kann die schönen Dinge des Lebens schätzen, man würde es nicht für möglich halten. Überhaupt scheint essen so eine Art Lieblingsnebenbeschäftigung gewesen zu sein, denn man verdient ja gut, als Mitglied der Murder Inc. Aber es gab natürlich auch viel zu tun. Auf die Frage, ob ihm, Abe, das töten denn nichts ausmache, antwortet er mit einer Gegenfrage: „Wie war es bei Ihnen, Herr Richter, als sie das erste Mal einen Todesbefehl unterschrieben?“ Beim ersten Mal ist man noch nervös, doch dann gewöhnt man sich bald daran. Aber der Richter hatte sich wohl wenig vorzuwerfen, denn er tötete ja keine Unschuldigen. Abe aber doch? Eigentlich nicht.
„Vom FBI zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt, saß dieser kleine Bursche mit dem Grinsen eines Lausbubs da. Er tat als hätte er einer Katze leere Konservendosen an den Schwanz gebunden.“ Das fehlende Unrechtsbewusstsein wird Abe „Kid Twist“ Reles aber schließlich auch zum Verhängnis werden. Denn es gibt eine Gerechtigkeit. Vor dem Tode.
Der dokumentarische Stil der Serie „Cosa Nostra“ wird nicht nur durch den sehr realistischen Zeichenstil ausgedrückt, sondern auch durch die S/W Dokumentationen im Anhang noch unterstützt. Man kann also durchaus etwas lernen von dieser Graphic Novel Serie, die sich ganz besonders um Realismus bemüht. In den Anmerkungen finden sich nicht nur Fotos der echten Verbrecher und Mitglieder der Murder Inc., sondern auch einige Erklärungen und Fußnoten zu den einzelnen Ereignissen, die in der Geschichte angesprochen wurden. Peter Falk soll in einer Verfilmung des Stoffes (1960) sogar mal den Abe „Kid Twist“ Reles gespielt haben. Die Vergewaltigung seiner erst 18-jährigen Freundin, die große Depression, das allgemeine Klima der wilden 20er sollen Abe zu dem gemacht haben, was er war. „Wäre die Murder Inc. eine Rockband gewesen, hätte sie in diesen Jahren ihre Glanzzeit gehabt…Die Jungs hatten ein so durchschlagendes, effizientes System entwickelt, wie das Fließband bei Henry Ford“, schreibt Cohen, einer der von Chauvel/Saec benutzten Quellen. Die beiden decken aber auch auf, dass es zwischen organisiertem Verbrechen und offiziellen Vertretern des Staates einige Überschneidungen gab, etwa zwischen Staatsanwalt und Bürgermeister New Yorks O`Dwyer. Auch der Mord an Kid Twist selbst legt einige Verstrickungen zwischen Halbwelt und Politik nahe.

David Chauvel/Erwan Le Saec
Cosa Nostra V: Murder Inc

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-08-14)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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