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--- Radikal modern - Architekturausstellung in Berlin

ArnoAbendschoen - 01.06.2015 um 17:53 Uhr

Nach ihrer Sanierung ist die Berlinische Galerie, das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, seit Ende Mai wieder zugänglich. Unter den neuen Sonderausstellungen ist die größte die über „Planen und Bauen im Berlin der 1960er Jahre“. Hier erwartet den Besucher eine Fülle von Fotos, Modellen, Dokumenten und Texten. Anhand zahlreicher ausgewählter Projekte wird die Entwicklung des Bauens damals in beiden Stadthälften in den Grundzügen dargestellt. Man sieht vieles, das allgemein bekannt ist – zwischen Breitscheidplatz und Alexanderplatz, vom Märkischen Viertel bis zum Steglitzer Kreisel und der Gropiusstadt -, es wird jedoch mit noch weiteren Materialien vertieft, seien es nicht realisierte andere Entwürfe oder Grundrisse oder historische Fotos, auch vom Baugeschehen selbst. Im Übrigen ist die Ausstellung so breit angelegt, dass auch ein Versierter für ihn noch gänzlich Neues entdecken kann.

Tatsächlich waren diese Jahre äußerst produktiv, nicht nur quantitativ vom reinen Bauvolumen her, Architektur und Ingenieurskunst erwiesen sich auch in Bezug auf Form und Funktion als ausgesprochen innovativ. Die schiere Masse, die Hinwendung zu Megastrukturen war dem seinerzeit immensen Bedarf geschuldet, das oft aufregend Neue ergab sich aus dem Einsatz neuer Materialen oder Techniken. Weder vorher noch nachher dürfte sich das Bild der Stadt in so kurzer Zeit so stark gewandelt haben. Wie es im Detail ästhetisch oder funktional bewertet wird, ist eine andere Frage. Beispiele belegen, dass mancher Architekt damals gern anspruchsvoller gebaut hätte. Auf der anderen Seite sind Berlin zum Glück manche kreativen Ideen wie z.B. rollende Gehsteige, Pilzhäuser, Riesenhügelhäuser und ähnliche Gräuel erspart geblieben. Ein weiterer skurriler, nicht realisierter Einfall von damals: primitive Gründerzeitwohnungen mit Rucksack-WCs oder Rucksack-Nasszellen, wie Balkone an die Fassade geklebt, aufzuwerten.

Häufig werden in der Ausstellung Vergleiche zwischen dem gleichzeitigen Bauen im Westen und dem im Osten Berlins gezogen. Dabei ergibt sich für jenes Jahrzehnt mehr Nähe als Distanz in den Auffassungen, Zielen und Ergebnissen. Die DDR hatte sich vom Neoklassizismus verabschiedet und suchte den Anschluss an die zeitgenössische internationale Architektur. So haben z.B. das Haus des Lehrers und die Kongresshalle daneben ihre Vorbilder in Oskar Niemeyers Brasilia. Womackas Wandfries an Ersterem allerdings verdeutlicht den fundamentalen Unterschied in der Ausschmückung (Kunst am Bau).

Wer noch nicht erschöpft ist, kann anschließend die neu präsentierte Dauerausstellung des Museums im Obergeschoss ansehen. Die Sammlung ist durch Stiftung und Schenkung noch attraktiver geworden (darunter ein wunderbarer Leistikow: „Aus der Mark“). Oder man kann den lange vergessenen Expressionisten Benno Berneis entdecken.

Die Ausstellung „Radikal modern“ ist noch bis zum 26.10.15 zu sehen, geöffnet Mittwoch bis Montag 10 – 18 Uhr (Alte Jakobstr. 124 – 128, nächste U-Bahnstationen Hallesches Tor oder Kochstraße, auch Bus M 29).




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