Barry Eichengreen gilt als einer der renommierten Analytiker der Weltwirtschaft. In diesem sehr umfangreichen und für Laien nicht leicht zu lesenden Buch vergleicht er die große Depression und die anschließende Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 mit der jüngsten Finanzkrise von 2008, ausgelöst durch die Pleite der Lehmann Bank und bis heute nachwirkend.
Sicher haben die Erkenntnisse über die damaligen Ursachen die handelnden Personen nach 2008 beeinflusst. Eichengreen weist zum Beispiel darauf hin, das Ben Bernanke während seines Studium die Weltwirtschaftskrise 1929ff. ausführlich analysiert habe und deshalb mitverantwortlich zeichnete, dass 2008 ff. die Finanzmärkte in nie gekanntem Umfang mit Liquidität versorgt worden, quasi zum Nulltarif bis zum heutigen Tag.
Bei den Ursachen ähneln sich die beiden Krisen - wenn auch teilweise erst auf den zweiten Blick. So beschreibt Eichengreen den Immobilien- und Aktienboom mit ihren Auswüchsen von damals und heute und erläutert z. B., warum der Euro - wie damals der Goldstandard - die Probleme noch verstärkte und in andere Länder übertrug.
Eichengreen beschreibt aber auch die Unterschiede. So ist das Finanzsystem komplexer und globaler geworden, wobei z. B. das Schattenbankensystem der Hedgefonds und die Emittenten von Derivaten neue Probleme hervorgerufen haben, für die die Historie keine Lektionen bereithalten konnte. Daher warnt Eichengreen auch davor, die Vergangenheit zu vorschnell als Quelle bei der politischen Entscheidungsfindung heranziehen. Auch wenn in Krisen schnell gehandelt werden muss, bewahrt dies nicht vor sorgfältigen Analysen.
Barry Eichengreen, Die großen Crashs 1929 und 2008, FBV 2015, ISBN 978-3-89879-890-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-10-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.