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Aaron Jaffe - absolute(ly) Big Lebowski
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Jaffe, Aaron:
absolute(ly) Big
Lebowski

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(Bücher frei Haus)

Was macht einen Kultfilm eigentlich zu einem Kultfilm? The Dude, Bowling, White Russian und ein cooler Soundtrack? Ist das Rezept so einfach wie das Mixen des beliebten Lebowski-Drinks? Es kommt halt darauf an, wie man es macht, denn auch beim White Russian ist es nicht egal, wie man etwa die Sahne hinzugibt. Man muss sie „floaten“, also so, dass sie sich nicht mit den anderen Ingredienzien mischt, sondern erst im Mund des Trinkers von den anderen Zugaben (Kahlua, Vodka) durchdrungen wird. Aber natürlich gehen auch darüber die Meinungen auseinander, denn wer hat noch nie auf einer Party Milch statt Sahne in seinen White Russian Cocktail gemischt? Die ganz Klugen erwidern dann, dass es sich ja eigentlich um „Half&Half“ handelt, eine Mixtur aus Milch und Sahne, die es nur in den Staaten gibt. Spitzfindigkeiten führen dann zu Sektierertum, wer nun eigentlich „die reine Lehre“ vertritt, aber so ist das nun mal bei jeder Form des Kultes. Abhilfe bietet dabei „absolute(ly) Big Lebowski“ von Orange Press, denn hier erfährt man wirklich alles über den Dude, was man immer schon wissen wollte.

Humor durch die Hintertür
15 Jahre ist es schon her, dass The Big Lebowski (1998) das Filmgenre neu definierte und so haben die klugen Leute von Orange Press sich daran gemacht, das Mysterium des Films in elf hochkarätigen Essays zu untersuchen. In „absolute(ly) Big Lebowski“ gehen die elf Autoren allen Facetten des Filmes nach, angefangen bei Lookalike-Wettbewerben bis hin zu Analysen des Soundtracks, der wohl ebenso viel Kritik hervorgerufen hat, wie die richtige Art einen White Russian zu mixen. In „Glaube, Liebe, Creedence. Musik und die Suche nach dem Echten“ geht Diane Pecknold der Frage nach, warum eigentlich eines der wichtigsten Lieder vom Lebowski-Film sich nicht auf dem Soundtrack befindet: „Lookin‘ out my Back Door“ von Creedence Clearwater Revival ist nämlich sogar ein Chiffre für den ganzen Film, wie Pecknold aufdeckt, besonders wenn man bedenkt, dass das Lied nach einer Prostata-Untersuchung des Protagonisten gespielt wird, wird augenscheinlich wie subtil hier die Anspielungen sind und wer bei wem die vielbesagte „Hintertür“ öffnet.

Leo Trotzki und Jeff Lebowski
Eine besonders interessante geradezu psychoanalytische Lesart des Plots des Films bietet Craig N. Owens in „Über White Russian“ an. Der Teppich, der dem Dude gestohlen werde, spiele nicht nur die Rolle des vielzitierten Hitchcockschen McGuffin, sondern stehe eigentlich für das weibliche Geschlechtsorgan, da das englische „rug“ ein Slangausdruck dafür sei, worum sich die ganze Welt drehe. (Mit Lacan gesprochen ist der rug aber auch das objet petit a) Auch sein dauerndes Nippen an White Russians und der Milchschaum in seinem Bart sei ein mehr oder weniger dezenter resp. eigentlich plakativer Hinweis darauf, dass der Dude eigentlich Muttermilchersatzprodukte suche, da er sich weigere, erwachsen zu werden. Tatsächlich lebt der von Jeff Bridges verköperte Lebowski ein ziemlich verantwortungsloses Leben, das hauptsächlich aus Musik hören, rauchen und bowlen besteht. Owens führt neben dem Lenin-Zitat Lebowskis auch Leo Trotzki in die Diskussion über den Film ein, denn dieser verkörpere gleichsam den „White Russian“. Er habe als oberster General der Roten Armee gegen die konterrevolutionären Weißrussen gekämpft und sei nach Stalins Verfolgung in Mexiko, dem Ursprungsland des Kahlua ins Exil gegangen und dort schließlich ermordet worden.

Port-Huron, die Gegenkultur und der ganze Rest
„Ich war einer von denen, die die Port-Huron Erklärung verfasst haben…die ursprüngliche Port-Huron Erklärung, nicht diesen albernen Kompromiss.“, sagt Lebowski an einer Stelle des Films und natürlich ist man dadurch versucht, den Protagonisten als alten Linken oder Anhänger der Neuen Linken zu interpretieren. Auch Stacy Thompson schreibt im Beitrag „Der Dude und die Neue Linke“, dass Lebowski sogar im Film Lenin zitiert, nämlich mit „Finde heraus, wer davon profitiert, und…“. Lenin führt Lebowski also auf die richtige Spur, seinen Teppich wieder zurückzubekommen. „The Dude abides“ (Er besteht fort), das wohl meistzitierte Quote des Films will sagen, dass hier ein Lebensstil zu Ehren kommt, der auch zwanzig Jahre nach dem Höhepunkt der Blüte der Gegenkultur noch weiterlebt und so wird Big Lebowski nicht zum Abgesang auf das Versagen der Neuen Linken, sondern vielmehr zu ihrem Triumph, so Thompson. Der Dude verfolge eben seinen „eigenen `authentischen´ Weg zur Bedeutsamkeit“ und er sei in der Begrifflichkeit der Port-Huron Erklärung eben nicht faul, sondern auf der Suche nach einer neuen Definition von Arbeit. Mit dem Schwinden der Verbote, verschwinde aber auch das Begehren und so ist Lebowski auch ganz ohne Frau glücklich.

Der Film von Joel und Ethan Coen war zwar vorerst ein Kassenflop wird aber seither weltweit als Kultfilm auf vielen Partys und Festivals zelebriert. Beim 5. Lebowski Fest in Louisville, Kentucky, sprang der Funke auch auf die akademische Welt über und die US-amerikanische Intelligenzia beschäftigte sich – natürlich in einer Bowlinghalle – mit der neuen Subkultur. absolute(ly) Big Lebowski präsentiert 11 der Beiträge, die aus diesem Gedankenaustausch hervorgegangen sind. Es geht um Dekonstruktivismus und Postmoderne, Fluxus und Objektkult, die Linke und die Genderdebatte und natürlich um Bowling! Weitere Beiträge stammen auch von Jonathan Elmer, Aaron Jaffe, Judith Roof, Alan Smithee, Edward P. Comentale u.v.a.

Aaron Jaffe und Edward P. Comentale (Hg.)
absolute(ly) Big Lebowski
15 x 20 cm | 224 Seiten | Fadenheftung, zweifarbig, broschiert
€ 18,- (D) | € 18,50 (A) | SFr 24,90 (CH)
ISBN 978-3-936086-52-2

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-01-18)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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