„Seitdem ich dich kenne (...)/singt hundertmal mir schöner die Nachtigall/(...)seitdem blüht ohne Dornen mir der Rosenstock...“. „Amióta...“ heißt das Gedicht im ungarischen Original aus dem diese Zeilen stammen und während man beim Lesen noch an die Wonnen der Liebe und des Frühlings denkt, wird jäh man mit der letzten Zeile aus den Träumen gerissen. Die Edition Sonblom hat in einer limitierten Sonderausgabe eine Textauswahl aus der zweisprachigen Werkausgabe des Autors mit dem Titel „Ein wilder Apfelbaum will ich werden. Gedichte 1916-1937“ publiziert, die eigens mit farbigen Radierungen/Originalgrafiken der Illustratorin Daniela Schlüter versehen wurden. Auch die vorliegende Ausgabe der Edition Sonblom ist zweisprachig und zudem mit einem Nachwort von Egon Ammann versehen worden.
Ungar ohne Heimat
Seinen Lebenslauf im eigenen Todesjahr zu verfassen ist ein Unglück, das wohl nur den ganz Großen dieser Welt beschieden ist. Dafür ernten sie Weltruhm und die Nachwelt spricht noch heute von ihnen, aber was nützt es, wenn sie nie die Wonnen dieser Welt genossen? Attila József wurde ganze 32 Jahre alt und das „Wunderkind“, das sich selbst nur als „Waisenkind“ wahrnahm, wuchs in einem Budapest vor den Kriegen auf und erlebte gerade mal den Beginn des Zweiten. Als er sich vor einen Güterzug warf umfasste sein Werk sieben Gedichtbände, Aufsätze, Polemiken, Aufrufe, poetische Texte. Aber er hatte auch gelebt: in Wien studierte er die Kommunisten und die Psychoanalyse, in Paris hatte er Kontakt zu anarchistischen Kreisen und in der Heimat schließlich bei der ungarischen Partei der Werktätigen, die damals auch noch eine solche war. „Er wollte seine Stimme für eine gerechtere Menschheit erheben“, schreibt im Nachwort Egon Ammann und war doch selbst auch von der Ungerechtigkeit der Welt betroffen, denn er lebte stets in Armut.
Heimat ohne Ungarn
„Er war das Elend, das er anprangerte, er war die Schönheit, er war die Leidenschaft, die er in seinen Gedichten beschwor, er liebte die Menschen um der Menschen willen und er liebte seine Sprache, das Land, Ungarn“, so Ammann. Neurasthenia gravis hieß die Krankheit unter der litt und die nur die Sprache heilen konnte. In einer letzten Verzweiflungstat, die wohl auf verschiedenste Kränkungen zurückging, setzte er seinen Gedichten ein Denkmal. Bartók soll ihm einmal gesagt haben, dass er das in der ungarischen Literatur sei, was dieser in der ungarischen Musik ist. „Nun fand ich Heimat, endlich, eigen/das Land, wo tadellos gelegt/wird meine Name mir überzeichnet,/ wenn mich begräbt, wer mich begräbt.“ Die bibliophile Ausgabe der Edition Sonblom ist eine wunderschöne Hommage an einen leider viel zu früh verstorbenen Dichter, dessen Stimme auch das heutige Ungarn wieder vernehmen sollte, denn Attila József steht heute neben den ganz Großen seiner Zeit, neben Brecht, Rilke, Jessenin, Pessoa, Machado, Kavafis, so Egon Ammann in seinem Nachwort, der wunderschön illustrierten Sonderausgabe der Edition Sonblom.
edition sonblom, Weiße Reihe – No. 4, Münster 2015
Attila József,
Reinen Herzens
– Gedichte, zweisprachig –
Hrsg.: Edda Baußmann & Annette D. Gresing
Übersetzung: Daniel Muth
Radierungen: Daniela Schlüter
Nachwort: Egon Ammann
Auflage: 300 Exemplare
80 S., Englisch Broschur, rote Fadenheftung
EUR 34,- (D) | Vorzugsausgabe mit Originalgrafik EUR 180,- (D)
ISBN 978-3-9815582-3-4
[*] Diese Rezension schrieb: juergen weber (2015-12-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.