„I like watching you run, it’s like reading a poetry, like the lines in a poem“, meint der tote Jamie zu Adam, der den Mord an seinem Schulfreund aufklären möchte und bald die wahren Hintergründe von Jamie’s verschwinden herausfindet. Jamie Marks, der von seinen Klassenkameraden an der Schule gerne Mooney Mark (also etwa mondsüchtiger, verträumter Mark) genannt wird ist der Außenseiter, der für seine Brille und seine ganze Erscheinung von allen immer gehänselt wird. Ein Mädchen findet die Leiche ihres Schulkameraden an einem Fluss und die karge Landschaft und der Schnee schaffen eine Atmosphäre von verdichteter Teenage Angst, der man selbst in seiner Adoleszenz immer wieder ausgesetzt war.
Teenage Angst
Es ist eine Welt, in der es nur Mütter gibt, aber keine Väter. So auch bei Aaron und Adam, ihre Mutter sitzt seit einem Autounfall im Rollstuhl und wird ausgerechnet von der betrunkenen Freundin, der Verantwortlichen des Unfalls gepflegt. „I’m not going through anything“, schmettert der Sohn seiner Mutter vorwurfsvoll entgegen, denn auch wenn die Eltern immer glauben, Teenager würden ach so viel leiden, sie empfinden es gar nicht so und glauben tatsächlich, dass sie schon erwachsen, „reif“ und „fertig“ wären und ihre Probleme tatsächlich existierten und nicht hausgemacht sind. Teenage Angst beschreibt dieses Stadium der Entwicklung, in dem der Jugendliche wie in einer Puppenphase Angst davor hat, ein Schmetterling zu werden. Deswegen ist der Tod Jamie’s so tragisch, ein vergeudetes Leben, denn wer weiß, was alles aus ihm werden hätte können.
Sehen bei geschlossenen Augen
Der Regisseur von „Ruinen“ und die Produzenten von „The Place Beyond the Pines“ haben sich in diesem Horrorthriller um die Adoleszenz von Jugendlichen einer amerikanischen Kleinstadt auf eine famose Besetzung geeinigt, die sich im Laufe der Handllung zu einer „todessehnsüchtigen Horror-Ballade“ mit sehr viel „eigenwilliger Teenage-Angst“ entwickelt. Die stimmungsvollen Bilder wechseln sich mit nachhaltigen Einsichten ab: „Leg Dein Glück nie in die Hände von anderen, sie zerstören es immer.“, sagt Adam’s Mutter zu ihrem Sohn und er weiß, dass er es selbst herausfinden muss. Er muss selbst auf die Herdplatte greifen, um endlich wirklich erwachsen zu werden. „Close your eyes, there’s not much to see, but whatever you find, don’t let it go“, rät der tote Jamie seinem neu gewonnen Freund Adam, der ebenso wie Tracy, die die Leiche von Jamie am Fluss gefunden hatte, um ihn trauert.
Frances, die Mördertochter
Jamie, die Leiche ernährt sich von Worten und saugt diese auf. So muss Adam ihm immer wieder Worte in den Mund (!) flüstern, die dieser dann verzehrt als würde es um Lasagne gehen. Die ersten beiden Wörter, die er ihm „schenkt“ sind Murder und Sorrow. Er kokst die Wörter geradezu in sich hinein, Schmetterling ist ein anderes Wort, das Jamie richtiggehend verzehrt. Es schneit immer wieder auf die karge, eher braune Industrielandschaft einer typisch amerikanischen Provinzstadt. Man könnte sich das setting in Washington State vorstellen, oder in der Nähe von Seattle, so regnerisch sieht es in Adam’s Heimatstadt aus. In der Mitte des Films taucht auch eine andere Untote auf, Frances. Diese will Adam an den Kragen und verfolgt ihn bis zu seiner Mutter nach Hause. Bis zuletzt kann man sich diese Szenen auch als imaginiert vorstellen, also ein Film, der die inneren Ängste eines Jugendlichen, Adams, in Bilder fasst. Am Ende löst sich dann die ganze Geschichte aber in Wohlgefallen auf und natürlich weiß jeder, dass das das letzte Wort, das Adam Jamie in den Mund flüstert nur so lauten kann: …!
Carter Smith
Jamie Marks is dead – der Tod ist erst der Anfang
Donau Film im Vertrieb von Al!ve, DVD 97 min, Deutsch/Englisch,
Mit Morgan Saylor, Liv Tyler, Judy Greer, Cameron Monaghan
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-11-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.