Ein Buch, für das man starke Nerven braucht und das seinem Leser in einer spannenden Mischung aus Endzeitthriller (es erinnert ein wenig an Stephen Kings „The Stand“, auch wegen des Themas) und Krimi wenig bis gar keine Auswege lässt.
Der Titel macht sofort klar: hier geht es um ein tödliches Virus. Gegen das allerdings, was Louise Welsh, noch bevor sie von dem Zika-Virus etwas wissen konnte, beschreibt, erscheinen alle bisherigen Pandemien als zarte Lüftchen. Hier herrscht Sturm, und zwar einer, der alle hinwegfegen wird, ohne Ausnahme. Bis vielleicht auf Stevie Flint. Denn nachdem sie selbst das Fieber hatte und es wie durch ein Wunder überlebt hat, ist sie gegen das Virus resistent.
Stevie Flint ist von Beruf Journalistin, arbeitet aber bei einem Shoppingsender als Verkäuferin, die zusammen mit einer Kollegin stundenlang bestimmte Produkte gegen Provision anbietet.
Nachdem Louise Welsh in einem furiosen Prolog einen Tory-Abgeordneten, einen Hedge-Fonds-Manager und einen Priester beschrieben hat, die völlig überraschend und an verschiedenen Stellen amokhaft das Feuer auf unschuldige Menschen eröffnen (dieser Prolog wird bis zum Ende des Buches nicht mehr aufgegriffen, sodass man nicht genau weiß, welche Funktion das hat), lässt sie ihre Protagonistin Stevie Flint ihren neuen Freund Simon in dessen Wohnung besuchen, nachdem der sich tagelang schon nicht gemeldet und sie auch vorher schon oft versetzt hat. Doch statt ihn mit dem Ende ihrer Beziehung zu konfrontieren, findet sie seine Leiche. Obwohl es so aussieht, als sei Simon an dem Virus gestorben, wie schon so viele andere in den letzten Tagen, finden sich bald Hinweise, die darauf deuten dass Simon ermordet wurde.
Stevie beschließt mitten in einer Stadt und einem Land, in dem in der Folge des Virus die Zivilisation langsam aber sicher zugrunden geht sich auf die Spurensuche zu machen. Nicht nur in London, wo Stevie lebt, sondern auf der ganzen Welt breitet sich das Virus aus. Immer mehr Menschen erkranken, die meisten davon tödlich.
Und die Gesellschaft als Ganzes bricht auseinander. Sterbende ziehen sich zurück oder werden alleine gelassen, die Lebenden schotten sich ab oder sie feiern die große Untergangsparty als gäbe es kein Morgen mehr. London als Stadt voller Zombies – eine schauerliche Vorstellung, die Louise Welsh da beschreibt.
Es ist dieses Szenario, dieses Endzeitdrama, das Welsh parallel und immer mehr die eigentliche Krimihandlung überbietend beschreibt. Denn warum nach einem Mörder suchen, wenn gerade die Welt untergeht: "Das Leben war ein Rennen, das man nur verlieren konnte. Der Trick war, sich ein Ziel auszusuchen und darauf mit voller Kraft zuzuhalten, solange man konnte."
Das anspruchsvoll geschriebene Buch will ausloten, wie sich eine Gesellschaft am Rande des Abgrundes verhält, was noch zählt und welche Errungenschaften der Zivilisation noch Geltung haben.
Ihr Ergebnis ist nicht ermutigend. Es ist schrecklich. Das Buch aber spannend, wenn auch ohne wirkliche Lösung.
Louise Welsh, V5N6. Tödliches Fieber, Kunstmann 2016, ISBN 978.-3-95614-090-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-03-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.