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Literaturforum: Gijs van Hensbergen - Guernica. Biographie eines Bildes


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Forum > Rezensionen II > Gijs van Hensbergen - Guernica. Biographie eines Bildes
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 Thema: Gijs van Hensbergen - Guernica. Biographie eines Bildes
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 11.12.2007 um 21:19 Uhr

Diese Nachricht wurde von Schreiber um 21:22:04 am 11.12.2007 editiert

POLITIK MIT DEM PINSEL
Gijs van Hensbergen, Guernica. Biographie eines Bildes
(Siedler Verlag, München 2007) 416 S., € 24,95
Dies ist die Geschichte einer Ikone des 20. Jahrhunderts - Picassos ´Guernica´ ist wohl das berühmteste Gemälde der Moderne, es ist d a s Antikriegsbild schlechthin und gilt für die UN als ein Sinnbild für das Ge-wissen der Welt. Am 26. April 1937 warfen 60 italienische und deutsche Kampfflugzeuge drei Stunden lang Brandbomben auf Guernica und verwandelten die baskische Stadt in ein Flammenmeer. Picasso nahm dies als Thema für eine Auftragsarbeit der Spanischen Republik: ein großformatiges Werk für den spanischen Pavillon auf der Weltausstel-lung 1937 in Paris. Bereits am 12. Juli 1937 konnte die Öffentlichkeit das Bild betrachten. Am 26. April 2007 jährt sich nun zum 70. Mal die Zerstörung von Guernica. Das Buch schildert u.a. auch die Odyssee des Bildes von Frankreich über Skandinavien nach England und Amerika und schließlich nach Spanien, wo es seit 1981 im Reina Sofia Museum Madrid hängt.
Es gibt eine makabre Anekdote: als im besetzten Paris ein deutscher Offizier Picassos Studio betrat, ihm eine Photographie des Bildes zeigte und fragte: "Haben Sie das gemacht?", gab Picasso zur Antwort: "Nein, das waren Sie!"Der eigentliche militärische Sinn der Bombardierung Guernicas konnte nie eindeutig geklärt werden: gerade die angeblichen Ziele - die Brücke über den Fluß Oca oder die Waffenfabrik in der Nähe oder das Parlamentsgebäude - blieben verschont! Jedenfalls wurde die Stadt zum Symbol für eine neue Dimension der Kriegfsfüh-rung in Bezug auf das Leiden der Zivilbevölkerung.
Die Komposition des Bildes war eine echte Herausforderung: die Maße 349 x 777 cm (ca. 27 qum!) waren vorgegeben. Picasso teilte die friesartige Länge wie ein Triptychon auf: in der Mitte aus seiner eigenen Ikonographie als Sinnbild des absoluten Leidens: eine sterbende Stute. Ansonsten bediente sich Picasso etlicher Motive christlicher Passionsikonogra-phie: etwa im linken Teil eine Art Pietà und im rechten Teil die Zahl 7 in Flammensymbolen. Ebenso tauchen Elemente des Kubismus auf, wie etwa die Hell-Dunkel-Kontraste. Hatte Picasso ursprünglich noch eine farbige Darstellung im Sinn, entschied er sich schließlich für die Grisaille-Technik: ausschließlich abgestufte Grautöne.
Die Figuren als Ausdruck von Picassos eigener Ikonographie haben teilweise eine mehrdeutige Symbolik. Taucht die Stute oft als (sexuel-les) Opfer des Stiers auf, so nimmt es hier die zentrale Position ein, die im traditionellen Triptychon Christus zukommt! Der Stier erhält vielfältige Interpretationen: die einen sehen ihn als Symbol für Franco bzw. den Faschismus, andere wiederum erkennen in ihm die wütenden Gesichtszüge Picassos. Letztendlich sind es gar nicht so viele Motive, aus denen das Bild komponiert wurde - u.a. erkennbar ein Krieger, eine fliehende und eine brennende Frau sowie eine Mutter mit Kind. Hier gibt es keine Helden und keinen Sieg des Guten - nur die pure Apoka-lypse. Das Bild ist die absolute Anklage gegen Krieg und Zerstörung, wobei Picasso die Geschehnisse eben nicht dokumentiert, sondern verallgemeinert.
Eine Kopie des Bildes hängt im Vorraum zum Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrats im Hauptgebäude der UNO in New York. Und dazu gibt es sozusagen eine weitere Anekdote: Auf Wunsch der US-Regierung wurde das Bild am 4. Februar 2003 verhängt, als der damalige US-Außenmin-ster Colin Powell mit CIA-Dias das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak beweisen wollte, um den US-Angriffskrieg gegenüber der Restwelt zu rechtfertigen. Dieser makabre Vorgang zeigte wohl die Angst vor der Aussagekraft von Picassos Bild. Freilich hätte man auch einen anderen Raum wählen können. In einem Interview am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Picasso u.a. geäußert: "Die Malerei ist nicht dazu erfunden, um Wohnungen auszuschmücken. Sie ist ein Instrument des Angriffs- und Verteidigungskrieges gegen den Feind."
Das vorliegende Buch beschreibt den Verlauf des Spanischen Bürgerkriegs und dokumentiert den 5-wöchigen Schaffensprozeß Picassos, sowie die Expo Paris. Danach war ´Guernica´ Teil einer Wanderausstellung durch Skandinavien, dann wurde es in England gezeigt und gelangte schließlich in die USA, wo es neben politischen auch künstlerische Auseinandersetzungen um das Gemälde gab. Etliche von Picassos Anhängern wurden vor McCarthys Ständigen Untersuchungsausschuß gegen Kommunistische Umtriebe geladen. Picasso hatte übrigens 1944 eine Erklärung mit dem Titel ´Warum ich Kommunist geworden bin´ veröffentlicht: "Mein Beitritt zur Kommunistischen Partei ergibt sich logisch aus meinem Leben, meinem Werk und verleiht ihnen einen Sinn." Die Ironie der Ge-schichte wollte es so, daß sich noch während des Franco-Regimes eine regelrechte Picasso-Begeisterung in Spanien entwickelte und in Barcelona ein Picasso-Museum eröffnet wurde. Und seit Beginn der 60er Jahre gab es nach Hensbergen folgendes Phänomen: "In immer mehr spanischen Büros und Wohnungen hing Guernica an der Wand."
Quasi als Zugabe schildert Hensbergen noch die Existenzbedingungen für Künstler unter Franco allgemein: trotz Zensur habe auch ein neuer, abstrakter Stil in der Malerei und generell sogar kritische Kultur exi-stiert. Zwar überlebte Franco Picasso um 7 Monate, aber er war inzwischen bettlägrig und hatte die Orientierung verloren. Nach vielfältigen Verhandlungen und Initiativen gelangte ´Guernica´ schließlich 8 Jahre nach Picassos Tod nach Spanien zurück. Hier hatten viele Leute das Gefühl, damit sei dem Land die Würde wiedergegeben worden - allerdings lehnte es die Regierung konsequent ab, das Gemälde in die Stadt Guernica zu bringen und dort auf Dauer auszustellen. Das vorliegende Buch beweist jedenfalls, daß auch Bilder eine Biographie haben können - und daß diese so spannend sein kann, wie eben Zeitgeschichte und Kunst sind.

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