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Literaturforum: 3 Kurzgeschichten (The big bottle...ect)


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 Thema: 3 Kurzgeschichten (The big bottle...ect)
klaasen
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 28.03.2010 um 16:14 Uhr

The big bottle
...Knallhart sagte er dem Leben Adieu

Sie schaute mich an. Ich lag mit halbgeöffneten Augen abgewrackt im Bett. Keine Zeit dafür, die Kleider auszuziehen. Keine Zeit dafür, das Telefon abzunehmen. Keine Zeit für irgendwas. Keine Zeit, um zu sterben. Keine Zeit, um meinen Feinden zu entfliehen. Sie werden kommen und mir den Hals umdrehen. Sie werden mir lachend das Leben nehmen. Und dann werden sie mich einzementieren und als Accessoire unter den Zement mischen. Keine Suche nach mir wird erfolgreich sein. Ich werde als Verschollener ohne Grabstelle, ohne ein würdiges Begräbnis in der Zeit verschwinden. In der Zeit, in der sich alle Ermordeten wieder sehen und sich über ihr vergeudetes Leben zuckend ihre Augenlieder schminken, um vom Dreck abzulenken. Dem Dreck, der an ihren Augenwimpern klebt und, vom langen Schlaf vergessen, nicht abgewaschen wurde. Ich schaute zurück. Noch immer in meinem süchtigen Verlangen nach ihr. Sie wusste, ich werde nach ihr greifen. Werde sie öffnen und mit einem Schluck leeren. Sie kannte mich genau. Konnte ihr nichts vormachen. Sie war mein zweites Ich. Meine innere Stimme. Mein Abgrund!
Mein Feind! Ich raffte mich auf und nahm sie. Streichelte sie. Gab ihr einen Kuss und führte lange Gespräche mit ihr. Ich umarmte sie und tanzte mit ihr. Dann schlug ich sie. Schlug sie gegen die Wand und verfluchte sie ein für allemal. Es klopfte an die Tür. Ich konnte mich nicht bewegen, war wie gelähmt und starrte schweißgebadet zur Tür. Sie traten sie ein, die Tür, die ich mit Stühlen und Tischen verbarrikadiert hatte. Kamen und holten mich. Brachen mir das Genick und begruben mich zusammen mit meiner Liebe, meiner Flasche, meiner big bottle.

©klaas klaasen



Bist du einsam heute Nacht?

”Bist du einsam heute Nacht?”, fragte er sie und becherte sein abgestandenes Panaché hinunter.
”Wieso? Sehe ich so aus? Tut mir Leid, dass wir auseinander gegangen sind!”, kratzte ihre Kehle, sichtlich vom Alkohol gezeichnet, ihm entgegen.
“Lass deine Erinnerung doch zurückschweifen an den Ort, wo wir uns kennen lernten und an den strahlenden Sommertag, als ich dich küsste und dich mein Sweetheart nannte,” sagte er und sah sie an.
”Das hättest du wohl gerne, was? Ist dein Herz mit Schmerz gefüllt?”, brüllte sie, etwas aus der Rolle gefallen und leicht nach vorne kippend, „soll ich wieder zurückkommen? Starrst du schon auf deine Türschwelle und stellst dir mich dort vor? Kannst du lange auf die Tür schielen. Mich wirst du nur noch auf der Klingel mit den Buchstaben, zum Mitschreiben ´Blondie ist weg!´“, bestaunen können. „Ha, ha, ha!”
”Ich frage mich, ob du einsam bist heut Nacht? Du weißt, jemand sagte einmal ´die Welt ist eine Bühne. Und jeder hat eine Rolle zu spielen.´ Deine Rolle ist es, zu mir zurückzukommen. Das Schicksal ließ mich verliebt spielen, mit dir -als mein Sweetheart. Der erste Akt war, als wir uns kennen lernten; ich liebte dich auf den ersten Blick. Du hast das Drehbuch so geschickt gelesen und hast nie ein Stichwort verpasst. Dann kam der zweite Akt, du schienst dich zu verändern, hast dich seltsam verhalten. Und warum? Ich habe es nie erfahren!” sagte er etwas melancholisch und schnippte mit dem Finger. ”Gib mir einen Wodka Tonic, Tom.”
„Und was ist mit deinen Lügen, he? Wie oft hast du mich belogen, Charlie? Wie oft saß ich alleine zu Hause. Und wenn du dann einmal da warst, hast du dir mit billigem Fusel den Kopf zugesoffen. Ja, ja, bist ein Avantgarde-Schriftsteller. Und als Schriftsteller darf man sich die Birne zuschütten und auf seine Frau einprügeln. Gehört zu einem Schriftsteller-Leben dazu. Haste doch gesagt. Musst ja was zu schreiben haben. Da ist so `ne verprügelte Frau was Tolles. Kommt gut rüber in deinen Trash’s!” sagte sie und sah ihn, von den Schuhen angefangen, nach oben hin an.
”Du hast gelogen, als du gesagt hast, du liebst mich. Und ich hatte keinen Grund, dir zu misstrauen. Aber ich würde mir eher weiterhin deine Lügen anhören, als ohne dich zu leben. Nun ist die Bühne leer. Stehe ganz dort, von Leere umgeben und wenn du nicht zurückkommst, betrete ich jetzt die Bühne. Dann können sie den Vorhang herunter lassen!” sagte er, nahm sein Glas und ging Richtung Bühne.
”Bravo, bravo, das war eine gelungene Charlie-Reiter-Vorstellung. Bravo! So kenn ich meinen Charlie. Hoch dramatisch und weinerlich, der Charlie. Wie wir ihn alle kennen. Und du,Tom, bist sein Grabmüller. Wirst ihn dann wohl auch begraben. Mit dem ganzen Gift, den du ihm Abend für Abend ausschenkst, bist du doch ohnehin eine Art Fährmann!”schrie sie Tom an und verlor dabei ihr Gleichgewicht und fiel um. Dann zog sie sich am Hocker hoch und schaute zur Bühne, wo sich Charlie auf einen der dort stehenden Stühle setzte und zu singen begann: ”Sag mir Liebste, bist du einsam heut Nacht? Schweift deine Erinnerung noch zurück an einen strahlenden Sommertag, als ich dich küsste und dich mein Sweetheart nannte?”
Sie schaute ihn an. Trat für einen kurzen Augenblick in die verlorene Zeit ein, und ein leiser warmer Schauer durchfuhr ihren Körper. Dann fiel ein Schuss.
Wie gelähmt stand sie da, schaute zur Bühne und dachte an seine letzten Worte:
”Nun ist die Bühne leer, stehe ganz dort von Leere umgeben. Und wenn du nicht zu mir zurückkommen willst, dann können sie den Vorhang herunter lassen.“

©klaas klaasen


Barfly

Wenn ich Vergnügen suche, gehe ich nicht in eine Bar. Wenn ich mich vergnügen möchte, bleibe ich zuhause, oder suche mir ein nettes Mädel und spiele Körperbrett.
Wenn ich eine Bar aufsuche, dann, weil ich unglücklich bin und alles Unglück dieser Welt mitnehme und es in einem Glas runterspüle - dieses Drecksgefühl. Die Gewissheit `ich trinke Giftiges´ wirkt belebend und führt mich aus der realen Welt in einen Traum. Als Kind erhoffte ich mir vom Alkohol den Sprung zum Mann sein zu `ersaufen´. Fast überall glaubt man, dass Hemingway ein großer Trinker war. Dem war gar nicht so. Louis Bromfield hingegen war ein Meistertrinker. Ein Zitat von Bertolt Brecht kam mir auf meinem Weg durch die Bars, die ich in meinem Leben aufgesucht habe, immer wieder in den Sinn. Es lautet: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Bromfield, so habe ich mir sagen lassen, betrat die Bars schon angetrunken. Aber er verhielt sich immer sehr anständig, sehr gut erzogen. Leider wurde ich zu einer Zeit geboren, in der Menschen anscheinend, wenn sie getrunken hatten, das Wort Anstand nicht kannten. Schlägereien oder Beschimpfungen waren an der Tagesordnung. Ich für mein Teil war ein guter Beobachter und ging auch dazwischen und versuchte Streit zu schlichten. Was mir leider nicht hoch angerechnet wurde. Ich wachte dann meist mit einem Veilchen am anderen Morgen auf. Zurückgeschlagen habe ich nie.
Doch - einmal schlug ich zurück. Ich kam spät abends in eine Bar in Bremen. Seeleute saßen mit ihren tätowierten Ankern und Brautgesichtern auf den Armen an der Bar. Ich bestellte mir etwas zu trinken. Mein Nachbar, ein Koloss, früher wohl mehr Schaumschläger als ein Boxer, der er gewesen zu sein vorgab, fing an, eine Frau zu belästigen. Ich versuchte, ihm klar zu machen, dass er es gefälligst zu unterlassen habe, Frauen in meiner Anwesenheit zu belästigen. Die Folge war ein Schlag auf mein Auge. Ich dachte, das Auge sei weg, fühlte nur ein großes schwarzes Loch, dort wo ursprünglich mein Auge war, und krabbelte unter die Tische, um mein Auge zu suchen. Ich dachte, es sei herausgefallen und müsste irgendwo dort, wo die Beine sich unter den Tischen kreuzten,liegen. Ich fand es aber nicht. Nachdem ich den Schock einigermaßen überwunden hatte, kam der Koloss erneut auf mich zu. Diesmal schlug ich zurück und traf seine Kinnspitze. Er fiel um wie ein gefällter Baum. Alle in der Bar kamen auf mich zu, und einer hob mich auf seine Schultern. Dann trug er mich auf die Straße hinaus und sang. Alle kamen hinterher und sangen mit. Ein Fest wurde geboren.
Der Koloss von Rhodos zählt zu den Weltwundern. Ich war für sie heute Nacht das Weltwunder. Der Koloss aber lag noch immer langgestreckt, ohnmächtig am Boden. Ich besorgte mir ein Stück rohes Fleisch und legte es mir aufs Auge.


©klaas klaasen


ich bin ein hut weil ich meinen kopf nicht finde
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