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Olivier Adam - Am Ende des Winters
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Adam, Olivier:
Am Ende des Winters

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(Bücher frei Haus)

Versandendes Glück und bleibende Sehnsucht

Glück und Leid liegen nahe beieinander, sagt man oft lapidar.

Was aber der Franzose Olivier Adam in seinen neun Geschichten an innerer Bewegung, Melancholie, Verlorenheit und dennoch kleinen, zarten Glücksstreifen der Hoffnung vor Augen führt, zeigt die Innensicht der Sehnsucht nach Glücks und die Zerbrechlichkeit all dessen, was wir unter Glück verstehen in ganz alltäglicher und dennoch wunderbarer Weise.
Eine Zerbrechlichkeit, der er teils schleichend auf die Spur kommt, die er aber ebenso in ungebremster Massivität verloren in den Raum zu stellen versteht.

Der Lehrer, der nur mehr müde und verloren seinen entgleitenden Alltag betrachtet, ob verschiedener Vorkommnisse bereits länger vom Dienst freigestellt wie ein unbeteiligter Beobachter die Abläufe des alltäglichen Lebens um sich herum betrachtet und in Melancholie versinkt. Als der Filmstar seiner Kindheit und Jugend verstirbt, gibt es kein Halten mehr, wären da nicht seine beiden Töchter, deren schlafende Schönheit ihn berührt und zu guter Letzt doch wieder seiner Frau entgegen zum Leben führt.

Bereits gefundenes Glück kann verloren gehen im alltäglichen Ablauf eines genormten Lebens in einem austauschbaren Reihenhaus und findet doch seine Quelle in der Familie. Eine Quelle, die nicht selbstverständlich sprudelt, die immer wieder im Sand des Lebens zu versiegen droht.

Ein Versiegen, das in einer anderen Geschichte unrettbar geschehen ist. Der Tod des eigenen Kindes, welcher Satz könnte das Verlorene besser beschreiben als jener der Mutter: „Alle Leben, nur Jeff und ich nicht“.
Ohne in Plattitüden abzufallen, mit einer sensiblen, treffend kurz gehaltenen Sprache beschreibt Olivier Adam die rettungslose Verlorenheit der Mutter. Wie in allen Geschichten des Buches in der Ich-Form erzählt. Wie nebenbei lässt er präzise treffende Bilder einfließen, das Haus des Paares ist ein solches Bild des inneren Seelenzustandes. Geschlossene Fensterläden, ein überwuchernder, fernhaltender Garten, subtil wird so verdeutlicht, dass nicht nur in der äußeren Hülle des Hauses höchstens noch vegetatives Leben anzutreffen ist.

Eine beständig mitschwingende Verdeutlichung der Verflechtung von Zuwendung und melancholischem Abschied, die sich bei Olivier Adam nicht nur auf das Bild der Familie mit kleinen Kindern reduziert. Auch den Abschied von der Mutter aus erwachsener Kindessicht zeigt er im Leben einer Frau und das kleine Glück am Rande in der Silvesternacht, nur für den Augenblick, schnell wieder ohne Worte verschwunden und dennoch ein beruhigendes Moment.

Alle Geschichten besitzen die gleiche hohe sprachliche Qualität.
Ohne Weitschweifigkeit, immer auf den Punkt gebracht, mit großem Wortschatz versehen versteht es Olivier Adam, einen emotionalen Unterstrom in seine Erzählweise zu setzen, der die Verlorenheit seiner Personen in ihren alltäglichen Erledigungen und Begebenheiten verdeutlicht.
Dem Innenleben der jeweiligen Erzählperson entsprechen die äußeren Räume, in denen Adam seine Geschichten ansiedelt. Das verrammelte Haus, das Neon hell, kalt erstrahlende Geschäft der Silvesternacht, der Innenraum eines Taxis, das austauschbare Reihenhaus eines austauschbaren Lebens, das den Alltag nicht mehr erträgt oder auch das im wahrsten Sinne des Wortes überschwemmte Haus, das in den Strömen des Wassers die Ströme der Trauer des kleinen Jungen symbolisiert.

Beständig schwingt die Sehnsucht nach gemeinsamem Glück mit, gerade an den eindrücklichen Stellen des Buches, an denen der Verlust der unbelasteten, familiären Gemeinschaft bedrückend in den Raum tritt.
Wunderbar geschrieben die zarten Möglichkeiten neuer Zuwendung in der Geschichte über die Annäherung des neuen Freundes der Mutter an den kleinen Sohn einige Jahre nach dem Unfalltod des leiblichen Vaters und nach dem kürzlich Tod des geliebten Hundes. Eine Annäherung so, wie der Mann die Wasserzuleitungen abdreht und somit der Überschwemmung des Hauses Einhalt gebietet.

Olivier Adam gelingt es, aus dem alltäglichen Leben heraus in dichter Atmosphäre die Sehnsucht nach Glück und die Gefährdung gefundenen Glückes durch Verlust oder einfaches versickern im Alltag präzise und in wunderbarer Sprache zu schildern. Müde und melancholisch, dennoch aber den Horizont noch im Blick, so werden in diesem Buch die Träume von erfülltem, familiären Leben wachgehalten oder wieder wachgerufen.

Wunderbar.

[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-06-12)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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