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Klaus Bergdolt - Deutsche in Venedig
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Bergdolt, Klaus  - Deutsche in Venedig bestellen
Bergdolt, Klaus :
Deutsche in Venedig

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(Bücher frei Haus)

Den zweiten Akt seines „Tristan“ hatte Richard Wagner in der Lagunenstadt beendet und musste nun befürchten, vom österreichischen Militärgouverneur in Venedig an Sachsen ausgeliefert zu werden. Auf seinen Namen gab es nämlich immer noch einen Haftbefehl wegen revolutionärer Umtriebe und so verließ Wagner 1859 bald wieder die so liebgewonnene Stadt. Insgesamt sechsmal soll er die Lagunenstadt aber besucht haben und sein letzter Besuch, 1883, sollte sogar für immer und ewiglich dauern. Richard Wagner verstarb im Palazzo Vendramin-Calergi, dem heutigen Casinò, am Canal Grande, woran auch heute noch eine an der Außenwand angebrachte Tafel erinnert. Vielleicht wurde die Figur des Aschenbach in Thomas Mann’s „Tod in Venedig“ von Wagner inspiriert, sicher ist jedenfalls, dass die Deutschen eine mehr als tausendjährige Geschichte mit der Stadt auf dem Meer verbindet, so betont es der Autor, selbst langjähriger deutscher Venedigbewohner, Klaus Bergdolt, der einige Jahre Direktor des Deutschen Studienzentrums in Venedig, im Palazzo Barbarigo della Terrazza, ebenfalls am Canal Grande, war.
Nietzsche’s Glück
„Still davon, du Augen-Wunderweide! -mein Glück! Mein Glück“, dichtete Friedrich Nietzsche wohl unter dem Rialto in einer Gondel vorbeigleitend, denn sogar der als miesepetrig verschriene Philosoph hatte eine romantische Seite. Die Masse an Eindrücken wirkten auf ihn „schlagend“ und er fürchtete besonders in Venedig eine „Überreizung“, die seinen Nerven nicht gut bekommen würde. Frühling, Musik und Venedig waren für ihn nicht auseinander zu halten, und er träumte in Venedig sogar manchmal davon, „still und abseits wie ein Englein (zu) leben, kein Fleisch essen und alles vermeiden, was die Seele düster und gespannt macht“. Nietzsche schrieb in Venedig Gedichte, die der Autor, Bergdolt, durchaus im Range eines Goethes, Platens oder Rilkes sieht und weitverbreitet ist auch sein Ausspruch: „Wenn ich ein anderes Wort für Musik suche, so finde ich immer nur das Wort `Venedig´“.
…in der „deutschen Taubenfütterungsanstalt“
Die Fertigstellung der Eisenbahnbrücke 1846 brachte für die Venezianer vor allem einen seither nicht mehr abreißenden Touristenstrom und eine Überflutung der ganz anderen Art. Nicht mehr nur das gefürchtete acqua alta strömte nunmehr durch die verschlungenen Gassen des venezianischen Labyrinths, sondern auch immer mehr Bewunderer und „Archäologen der Wunder“, die die Serenissima wie keine andere Stadt der Welt zu bieten hat. Rainer Maria Rilke soll sich „blass und morbide“ gezeigt haben, aber „blass vor Erregung“. Gerhart Hauptmann bezeichnete Venedig als Termitenbau, Kokoschka soll viele seiner Bilder mit Blick auf die Dogana und die Giudecca gemalt haben, Stefan Zweig verfluchte den Markusplatz als „deutsche Taubenfütterungsanstalt“. Gemeinsam haben all diese Zeugnisse großer deutscher Männer und Frauen über Venedig, eine gewisse Abneigung gegen Touristen und Banausen, die die Stadt heimsuchen würden, einzig der Archäologe Ludwig Curtius findet geeignete Wort für die Beschreibung des Phänomens: „Denn wenn sich diese Leute auch etwas merkwürdig gebärden, so dringt doch ein Schimmer des Schönen in ihren dumpfen Seelen ein und keiner kann berechnen, was da in ihren Kindern einmal herauskommt.“

Der Schimmer des Schönen
Die deutsche Präsenz in der Lagunenstadt hat eine lange Tradition, die Klaus Bergdolt bis ins erste Jahrtausend zurück recherchiert hat. Der Markusdom, die berühmte Piazza sowie der Canal Grande begeisterten schon die mittelalterlichen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Aber auch Komponisten wie Händel und Wagner, Maler wie Dürer und Elsheimer, Architekten wie Schickhardt und Schinkel oder Schriftsteller wie Goethe und Platen arbeiteten eifrig an der Entstehung einer Legende mit, die durchaus auch ambivalent ausfallen konnte. Humboldt, Nietzsche, Rilke, Freud und Thomas Mann suchten am Rialto nicht nur die Kultur Venedigs, sondern stets auch den Widerspruch zu ihrer Heimat. Deutsche Kunst wurde dabei oft als „einfach, schlicht und ehrlich, die italienische als schwülstig“ empfunden. Klaus Bergdolt’s Publikation bietet erstmals in dieser Kompaktheit einen Überblick über die deutschsprachige Präsenz in der Lagunenstadt und Geschichten und Anekdoten von und über (nicht nur) prominente/n deutschsprachigen Besucher/n vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.

Klaus Bergdolt
Deutsche in Venedig
Von den Kaisern des Mittelalters bis zu Thomas Mann
2011, 304 Seiten, Flexcover
Format 13,5 x 21,5 cm
ISBN 978-3-89678-738-5
EUR 24,90 [D]

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-10-10)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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