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Rezensionen


 
William E. Bowman - Die Besteigung des Rum Doodle
Buchinformation
Bowman, William E. - Die Besteigung des Rum Doodle bestellen
Bowman, William E.:
Die Besteigung des Rum
Doodle

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(Bücher frei Haus)

Nun ja.
Die Engländer, ihre stiff upper lip, ihr englischer Humor. Nun ja.

Der Engländer liebt es, in Büchern zu schwelgen, die auf zurückhaltende, nüchtern sachliche Art das heldenhafte Gelingen eines minuziös geplanten Unternehmens protokollieren. Wobei der eigentliche Vorteil, welcher durchs Gelingen erreicht wird, ein eher illusionärer sein sollte. Nicht ums Gewinnstreben, sondern um Ehrgefühl und gemeinsame Hartnäckigkeit in der Mannschaft soll es gehen. Sehr gut sind snobistische Männerbünde, die aus einer Ansammlung mehr oder weniger lebensunfähiger, soweit es das Werktagsleben betrifft, Sonderlinge zusammengesetzt werden, die sich aber magisch ergänzen für diese eine Sache.

Der Engländer liebt es, wenn sein Sportsfreund wieder und wieder zurückgeworfen wird auf die masochistische Restsubstanz seines Ichs, dabei aber nicht eine Sekunde die Maske der Gelassenheit fallen lässt, sich weiter benimmt, als sei nichts Großes passiert. Dieses gilt für den englischen Humor so ähnlich auch. Auf keinen Fall darf zugegeben werden, dass etwas daneben ist. Vielmehr sieht man sich gegenseitig kurz in die Augen und schluckt die Lachsalve in den Bauch hinunter.

Bowmans Werk entstammt der Epoche des weltweiten Nationalstaat-Armdrückens auf dem Sektor Bergsteigen, den fünfziger Jahren. Die Franzosen hatten den Annapurna, die Deutschen den Nanga Parbat, die Engländer den Mount Everest, die Italiener den K2. Der Everest wurde 1953 bezwungen, drei Jahre später erschien Bowmans fiktive Expeditionsbeschreibung einer Rum-Doodle-Besteigung.

29.028 Fuß war der Everest hoch, Bowmans Rum Doodle nun 40.000 ½! 12.192 Meter, wahrlich der höchste Gipfel dieser Erde, wenn auch, durch widrige Umstände verleitet, die Crew sich letztlich auf dem North Doodle wiederfand, dem falschen, leider niedrigeren Berg - und nur ein einziger Verirrter, versehentlich, den richtigen der beiden Doodles geschafft hatte.
Niemals, wird berichtet, habe William Bowman einen Berg außerhalb des britischen Archipels bestiegen. (Sie erreichen gute tausend Meter.) Aber der Tonfall dieses „Reise-Sachbuchs“ und die angesprochenen Herausforderungen seien dermaßen authentisch ausgeführt, sagt man, dass einige passionierte Kletterer bis zur Seite soundso gelesen und nicht gemerkt hätten, dass es sich um ein komisches Buch handelt.
Sei dem, wie ihm sei.

Fakt ist, dass inzwischen nicht nur ein Restaurant im Zentrum Kathmandus auf den Namen Rum Doodle hört, sondern seit den Jahre 1960 auch eine Felsspitze in der Nähe von Mawson Station, im australischen Antarktis-Territorium. Als die Zeitung „The Guardian“ eine Liste der 1.000 Bücher, die jedermann lesen sollte, zusammenstellte (übrigens angeführt von „Wer die Nachtigall stört“, „Stolz und Vorurteil“, „1984“ und dem „Mann ohne Eigenschaften“), hatte sie dafür Unterabteilungen wie „Krieg“, „Lage der Nation“, „Ich und Familie“, „Liebe“, „Science Fiction“, „Krimi“ vor Augen. „Rum Doodle“ bildete einen der Peaks in der Sektion „Komisches“. Der Grund, warum ich mir das Buch besorgte. (Von dem ich zuvor, wie der Rest Mitteleuropas, noch nie etwas vernommen hatte.) Was aber stellt Reiseautor Bill Bryson (sein „Appalachian-Trail-Wanderbuch ist mit Robert Redford unter dem Titel „Frühstück mit Bären“ verfilmt worden) im Vorwort schon klar: „Das komischte Buch, das Sie in Ihrem ganzen Leben lesen werden.“
Nun. Nun.

Manche fanden früher Herbert Hisel komisch, manche selbst den derzeitigen Woody Allen noch immer. Manche vielleicht auch Karl Dall. Oder Helge Schneider oder die Cindy von Marzahn. Mal soll „Felix Krull“ komisch gewesen sein, mal „Fack ju Göthe“, wenigstens der erste Teil. Ich meine, ja sicher, bei „Drei Mann in einem Boot“ vergehen auch erst einmal zig Seiten ohne jede Bootsfahrt, sondern mit krassen Anekdoten aus dem Vorleben dieser Themseruderer. Man kann sich ja einigen: W. E. Bowmans „Die Besteigung des Rum Doodle“ hat viel zu schaffen mit einem (aus einer Reihe verschiedener) Monty-Python-Komik-Rezepte. Monty Python, die waren doch wirklich englisch und auch sehr komisch.

Wenn ein Team aus genau den Leuten zusammengestellt wird, die dann jeweils immer einen Bock schießen, wenn ihre Disziplin gefragt ist, kann man solches wohl komisch nennen. Ein Expeditionsführer, vor dem keiner Respekt hat. Ein Wissenschaftler, der die Messgeräte crasht. Ein Fotograf, der alle Negative verliert. Ein Scout, der sich auf jedem Spaziergang verirrt. Ein Dolmetscher, der die falsche Sprache erlernt hat und mit dieser Kenntnis jene übersetzt, die er nicht beherrscht. (Die Gebirgsbewohner sind Bauchredner; sie erzeugen Laute im Magendarmtrakt.) Ein Arzt, der laufend krank, und ein Heldendarsteller, der meist zu müde ist, sich von seiner Liege zu erheben.

Zitat:

Auch die Fauna war uns eine ständige Freude. Natürlich war der Sündenbock allgegenwärtig, gleichermaßen die Plattitüde und der Gemeine Langweiler. Das dickfellige Faultier war häufig anzutreffen, und nach Einbruch der Dunkelheit habe ich gelegentlich schleichende Schatten gesehen, die Burley als den Elenden Galgenstrick identifizierte. Shute zeigte mir an einem Nachmittag, in großer Erregung, ein höchst suspekt aussehendes Wesen, von dem er meinte, es sei ein räudiger Hund. Burley beteuerte, das sei auf keinen Fall ein räudiger Hund, sondern ein haariger Schandfleck, aber das kann auch einer seiner seltsamen Witze gewesen sein. Burleys Humor ist recht dürftig entwickelt. Eines Tages erzählte er mir, er werde von einem lauernden Verdacht verfolgt, was offensichtlich absurd war. Aber er ist ein guter Kerl.

Von London aus wurden 30.000 einheimische Träger verpflichtet, von denen am Ende immer noch 3.000 zum Einsatz gelangen. Man rechnet mit einem 500 Meilen langen Anmarsch, der mit diversen Nachschublagern gesichert werden muss, wobei genug Träger für die Nahrung der anderen Träger mitlaufen müssen. Aber diese Träger sind es dann auch, die jede Wand schaffen, alle willig auf irgendeinen Berg im Nebel tragen (ohne Sauerstoffgeräte!) und dazwischen noch aus den Partys in den Gletscherspalten retten, bei denen die Engländer sich mit dem mitgeführten Champagner warm halten.

Alles, da der Unterschied zum Komischen unter den Deutschen, mit einer rigiden Weigerung, auch nur ein einziges Mal, nur mit einem Halbsatz zu erwähnen, dass man als Publikum auch mal lachen dürfe. Alles ist so professionell englisch vorbereitet, wird so was von anständig englisch entknotet, wenn es sich verwickelt hat, dass, englisch heißt ja keineswegs leichtfertig, von einem lustigen Buch letztlich doch nicht die Rede sein kann.
Nun ja. Nun ja. Komisch also nicht. Aber auf jeden Fall höchst englisch.

[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2016-09-28)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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