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Vince Gilligan - Breaking Bad - Staffel 3
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Gilligan, Vince:
Breaking Bad - Staffel 3

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(Bücher frei Haus)

„La famiglia es todo“, sagt der mexikanische Gangsterboss zu seinem Neffen, nachdem er seinen kleinen Bruder fast in einem Bierkühler ertränkt hätte. „You gonna try harder to save your brother“, heißt es in der englischen Übersetzung und der Neffe hat eine Lektion gelernt: wer seinen Bruder bedroht, der bedroht ihn, auch wenn dieser ihm vorher sein Spielzeug zerstört hat. Nun wünscht er sich nicht mehr seinen Tod, sondern wohl eher den seines Onkels. Die Szene ist ein genialer Auftakt zur dritten Staffel der TV-Serie „Breaking Bad“, der das in den Mittelpunkt rückt, was wohl auf beiden Seiten des Gesetzes das Wichtigste zu sein scheint: die Familie. Alles Gute und alles Unheil der Welt kommt nämlich aus ihrem Schoß, wie der Zuseher bald zu verstehen beginnt.

„(…) because he is a man.“
Dass „Familie“ auf der Seite der Verbrecher eine große Rolle spielt, zeigt auch das folgende Zitat von Gus Fring, der offiziell der Chef der Hühnerrestaurantkette „Los Pollos hermanos“ ist, aber nebenbei auch eine Wäscherei (mit dem schillernden Namen „Lavanderia Brillante“) mit Drogenlabor betreibt. „When you have children, you always have family. They will always be your priority, your responsibility. And a man, a man provides. And he does it even when he's not appreciated or respected or even loved. He simply bears up and he does it. Because he's a man.“, meint er, „Gus“, the „man“. Seine Ideologie wird von Walter White dankbar angenommen und so zieht er einfach wieder in „sein“ Haus ein, ob Skyler, seine noch nicht geschiedene Ehefrau, das will oder nicht, denn er will weiterhin der provider bleiben, auch wenn Skyler inzwischen mit ihrem Boss Ted Beneke schläft. Und Walt’s Strategie geht auf, denn auch wenn er anfangs gar nicht willkommen ist, wird sie schließlich doch weich und gewöhnt sich so an ihn, dass er auch bald wieder die gemeinsame Tochter Holly wickeln darf. Am meisten freut sich natürlich sein Sohn, der immer auf seiner Seite ist, weil Skyler ihm nicht die Wahrheit über seinen Vater sagen will. Das wird zwar mit ihrer Therapeutin besprochen, sie weigert sich jedoch, es zu tun. Lieber akzeptiert sie es, für Walter junior die „bitch mother“, als dass er entdecken würde, dass sein Vater ein Drogenproduzent ist.

„A man`s gotta do, what a man`s gotta do“
Die Art wie in Albuquerque alle miteinander irgendwie verstrickt sind, die Interdependenzen zwischen Unternehmern und dem organisierten Verbrechen, selbst die indirekte Verwandtschaft zwischen dem Hauptschuldigen, Heisenberg, und dem Verbrechensaufklärer Hank Schrader von der DEA werden offengelegt und bloßgestellt. Als Walt’s Schwager von den beiden mexikanischen „Zwillingen“ fast ermordet wird und im Krankenhaus landet, bieten Walter und Skyler Marie, der Frau von Hank, die Finanzierung der Arztkosten an. Marie musste schon zuvor dasselbe mitmachen, wie Skyler mit Walt. Hank sprach nicht mit ihr über seine Probleme, und ihr Klagen („I want to get involved“ ) wurden von ihm bestenfalls ignoriert. A man`s gotta do, what a man`s gotta do. Und das führt uns direkt zur Diskussion um das konservative Frauenbild, das die Autoren von „Breaking Bad“ in ihrer Serie vermitteln. Im Wesentlichen gibt es nämlich zwei Frauentypen: die Ehefrau, verkörpert durch Skyler und Marie, und die Liebhaberin, verkörpert durch Jane, die Tochter des Vermierters von Jesse. Aber auch sie scheint eine kontrollsüchtige „bitch“ zu sein, wie uns die Macher von „Breaking Bad“ zu verstehen geben.

Das Kartell, der Anwalt und New Mexiko
Eine Episode der dritten Staffel beginnt mit der Werbung über die chickens von „Los pollos hermanos“ und zeigt dann im Anschluss wie Walter und Jesse das Meth abwiegen und verpacken. Konsum und Kapitalismuskritik im praktischen Kleinformat, das macht nicht nur dem Zuseher Spaß, sondern sichtlich auch den Machern von „Breaking Bad“, die sich in ihrer genialen TV-Serie nicht nur an (ihren eigenen) Ehefrauen, sondern auch an den amerikanischen Krankenversicherungsanstalten und dem organisierten Verbrechen zu rächen wissen. Nicht nur der Plot, sondern auch die Kameraführung und Musikauswahl sind etwas vom Feinsten, was das amerikanische Fernsehen je zu bieten hatte. Wenn etwa die mexikanische Volkskultur mit einem Song der sogenannten Narcocorridos, die stets Lobpreisungen auf Drogenbarone singen, zu Beginn einer Episode eingebaut werden, um die Narration über Dr. Heisenberg weiter zu überliefern, dann zeugt das nicht nur von guter Recherche, sondern auch einem verdammt guten, wenn auch sarkastischen Humor. Als eine ähnliche Referenz an das Klamaukkino der Marx-Brothers mag auch die schon in Season Zwei eingeführte Figur des jüdischen Anwaltes Saul Goodman gelten, der sich seine Identität so zurechtzimmert wie es ihm für seine Klienten gerade passend erscheint. Saul Goodman, der eine Gummiversion der Freiheitsstatue auf seiner Anwaltskanzlei angebracht und Werbespots im Fernsehen schaltet, um dieser auch stets neue Klienten zuzuführen, ist der Inbegriff Amerikas: die Las Vegas Version eines Rechtsvertreters, der alles jedem und jeder verkauft, selbst seine eigene Herkunft. Die Gummi-Freiheitsstatue, die von der Kamera als dehnbar und sich im Wind drehend präsentiert, ist dafür nur ein allzu gutes Symbol.

„Just totally kafkaesque“
Bei einer der in der Serie gezeigten Therapiegruppensitzungen von Jesse erzählt dieser, er würde in einer Wäscherei arbeiten, einem „corporate laundromat“, was ja nach objektiven Kriterien auch stimmt. Seine Arbeit dort sei „totally kafkaesque“, das macht er auch seinen Gangbrüdern, die er als Meth-Verkäufer in die Therapiegruppe eingeschleust hat, glauben. Eine der genialsten Szenen, in der in Breaking Bad mit einigen dramaturgischen Kniffen gearbeitet wird, ist die Szene vom Überfall auf Hank durch die beiden mexikanischen Zwillinge. Hank sitzt im Auto und bekommt zuvor noch einen Anruf, dass er gleich ermordet werden wird, was die Szene noch mysteriöser macht. Die eine Kugel, die Hank das Leben rettet und aus der Hemdtasche des einen Zwillings rausfällt, wurde zuvor schon gezeigt. Die Pointe wurde schon beim Schutzwestenkauf vorbereitet und wird in einer dramatischen Szene zur Perfektion geführt. Als der Zwilling die Axt holt, um Hank mit einem langen quälenden Tod zu martern, gelingt es diesem, die Kugel in die beim Schusswechsel in die Nähe gefallene Pistole einzuführen und seinem Widersacher in den Kopf zu schießen. Kurz sieht man, wie die Kugel das Gehirn aus der kahlgeschorenen Schädeldecke rausdrückt, was uns zu den vielen verschiedenen Todesarten führt, die in Breaking Bad gezeigt werden.

“Your meth is good Jesse, as good as mine.“
Jesse weigert sich, als er im Krankenhaus landet, weil Hank ihn gestellt hat, jemals wieder mit Walter zusammenzuarbeiten, da er durch ihn alles verloren habe, seine Familie, seine Freunde, seinen „Job“, seine Freundin Jane, seine Gesundheit. Er sei komplett von allen und allem verlassen, alles nur wegen ihm, Mr. Heisenberg, der alle und alles manipuliere, wie es ihm gefällt. Noch weiß Jesse gar nicht, dass Walter in jener Nacht - als Jane Margolis (Krysten Ritter), seine Freundin an ihrem Erbrochenen erstickte - zugegen war und nicht nur ihren Tod, sondern auch den Tod vieler anderer, die im großen Aircrush von Albuquerque umgekommen sind indirekt mitverursacht hatte: der Vater von Jane war der unglücklich Fluglotse, der ob der Trauer über seine tote Tochter die Kontrolle verlor. Als Walt Jesse in seiner Wut im Krankenhausbett zurücklässt, sagt er ihm zum Abschied: „Your meth is good Jesse, as good as mine.“ Die Art und Weise wie er es betont, erinnert stark an „math“, also mathematics, und ist eine ironische Hommage an diese Redewendung, denn einer der zählen kann, der taugt etwas. In „Breaking Bad“ bedeutet es, einer der meth herstellen kann, der taugt etwas und so gibt Walt Jesse zu verstehen, dass er doch zu etwas zu gebrauchen sei. Zumindest kann er ein ebenso gutes meth herstellen wie Walt, aber vielleicht ist das nur ein Trick, denn schließlich will er ja nur seinen Schwager retten, den Jesse ansonsten hochgehen lassen würde. Und er kriegt ihn dann auch genau damit `rum, und Jesse gibt sein altbekanntes „right on“, ein Slangausdruck für „Gut, weiter so“. Das „dreamteam“ ist wiedervereint und wieder gibt es nur ein einziges gemeinsames Interesse: die tonnenweise Produktion von meth, zur Stärkung des eigenen angeknackten Selbstwertgefühls.

Viele Todesarten und keine Hochzeiten
Als Jesse aus dem Krankenhaus entlassen wird, wird jener, der seinen dortigen Aufenthalt verursacht hat eingeliefert: Hank Schrader. Breaking Bad lebt vor allem auch von seiner Liebe zum Detail, etwa wenn Walt die Toasts schneidet, von denen er immer die Rinde entfernt, so wie er es für Domingo gemacht hat, den er in der ersten Folge so grausam mit einem Fahrrad-Bügelschloss ermordet hatte. Oder wenn der Chief Officer der DEA über die Zwillinge kommentiert: „They had an Axe. Cartels tend to be dramatic“. Oder wenn es wieder einmal von Walt oder Jesse heißt: „It might be time to talk options“. Das bedeutet in Breaking Bad jemanden umzubringen. Und Todesarten gibt es wahrlich viele in Breaking Bad: zwei Männer werden mit einem Auto überfahren, drei direkt in den Kopf geschossen, einige vergiftet, einem anderen wird mit einem Teppichmesser die Kehle durchgeschnitten, andere in Säure aufgelöst, vergiftet, explodiert, erschossen oder erstickt. Aber vielleicht kommt es in Season Four doch noch zu einer Hochzeit?

Sony Pictures Home Entertainment
BREAKING BAD – SEASON THREE (Vince Gilligan)
Deutsch/Englisch

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-10-06)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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