Hier haben zwei Salzburger Germanisten gearbeitet, die es tatsächlich verstehen, in halbwegs zugänglichem „Zeitungsstil“ statt in jenem berühmt-berüchtigten Professoren-Chinesisch der verdienten Geisteswissenschaftler zu sprechen. Für einen ersten Überblick eignet sich das Buch sehr gut. Allerdings muss gesagt werden, dass wir es mit äußerst getreuen Handke-Jüngern zu tun haben. (Gleich zu Beginn wird vermerkt, wie lange der Autor jetzt schon nobelpreiswürdig sei.) In welch weit entlegenen geheimnisvollen Büchern der Menschheitsgeschichte dieser Pariser Kärntner sich überall herumgetrieben hat, von seinen wochenlangen Fußmärschen durch Alaska und Japan mal ganz abgesehen, in wie viele Gattungen er sich in Jahrzehnten enormer Produktivität eingeschrieben hat, Road Movie, Kriminalgeschichte, Märchen, Gebet, Heldenepos, Polemik, Autobiografie, Gedicht, Traumbuch, er wird es gar nicht mehr so genau wissen, dieser mönchische Weise (langer Mantel, hölzerner Stab, Schlapphut, es wird uns mitgeteilt). Professor Herwig Gottwald aber hat, wenn er nicht gerade über Stifter oder Kafka forschte, ganz exakt Schritt gehalten mit seinem Protokoll.
Kann Handke ein bestimmtes Buch nur im Winter und nur im spanischen Ort Soria und nur als Dankabstattung an Machado und nur mit einem Bleistift und nur bestimmter Länge, Härte und Zugespitzheit auf einem Papier besonderer Festigkeit zu einer bestimmten Stunde des Tages, in klarer winterlicher Höhenluft schreiben, dann lassen Gottwald und Freinschlag nicht das kleinste Brauenzucken einer Wertung solcher Angewohnheiten und Riten erblinzeln, sie verzeichnen das nur. Was dieser Meister tut, wird ohne tiefste Ursache wohl niemals geschehen sein! Von einem irgendwie nicht völlig geglückten Werk ist auch niemals die Rede. Nur über seine öffentlichen Aussagen auf Podien, damals zu Kriegszeiten, über Serbien und dessen Regime, hätte der Geschmerzte vielleicht vorher noch genauer nachdenken sollen, wird ganz zart angedeutet.
Das Buch ist nicht, wie man es wohl erwarten könnte, chronologisch entlang den einzelnen Handke-Werken geordnet, zu jedem eine halbe Seite oder fünf, vielmehr wandert es von der einen Handke’schen Stileigenschaft zur nächsten: Fragen und Antworten, Antithesen, nachgestellte Adjektive, Vorzukunft, Gegenwärtigkeit des Göttlichen, Dauern eines besonderen Augenblicks und so weiter. Ein weiterer Katalog sammelt alle zentralen Denkbegriffe Handkes. Als „Seher-Dichter“ (poeta vates), der, wie die Autoren mehrfach anmerken, in eine lange, glorreiche Traditionslinie deutscher „Schreib-Mystiker“ gehört (Klopstock, Novalis, Hölderlin, Nietzsche, George, Botho Strauß) als einer, der die große Wandlung erfahren hat vom Beatles-, Pop-, Langhaar-, US-Männerfilm-Popstar-Poet hin zur Wieder-Holung des Sakralen (dabei letztlich ohne tatsächliche christliche Religiosität, sehr wohl aber unter Anverwandlung katholischer Riten, Symbole und Sprache), macht Handke, wenn man diesen Begriffekatalog in aller Kürze aufzählt, unweigerlich einen um einiges reaktionäreren, elitäreren, selbstbeweihräuchernderen, humorfreieren Eindruck, als man ihn bei der anschließenden Lektüre von Handkebüchern dann empfängt. Dennoch ein Auszug aus der Liste: Langsamkeit, Wiederholung, Gehen, Gesang, Gerechtigkeit, Geheimnis, Müdigkeit, Volk, Ruck, Gesetz, Heil.
Zitat:
... Drittens sind viele Texte Handkes von einer besonderen Form der Bedachtsamkeit, von einer Verbindung zwischen Innerlichkeit und Außenwelt und von „Zauberkräften“ der Stille, der Ruhe und der „wundersamen Verwandlung“ geprägt. Viertens kennzeichnet viele Texte die Wertschätzung des unvoreingenommenen, offenen Schauens, zugleich nicht nur eine Offenheit, sondern auch ein Wille, die Welt „anders“ zu sehen. Fünftens erscheinen bei Handke Kinder als Boten und die Kindheit als Zeit einer besonderen Wahrhaftigkeit. Kinder treten oft an entscheidenden Stellen des Umbruchs bzw. der Verwandlung auf.
... Drittens sind viele Texte Handkes von einer besonderen Form der Bedachtsamkeit, von einer Verbindung zwischen Innerlichkeit und Außenwelt und von „Zauberkräften“ der Stille, der Ruhe und der „wundersamen Verwandlung“ geprägt. Viertens kennzeichnet viele Texte die Wertschätzung des unvoreingenommenen, offenen Schauens, zugleich nicht nur eine Offenheit, sondern auch ein Wille, die Welt „anders“ zu sehen. Fünftens erscheinen bei Handke Kinder als Boten und die Kindheit als Zeit einer besonderen Wahrhaftigkeit. Kinder treten oft an entscheidenden Stellen des Umbruchs bzw. der Verwandlung auf.
[*] Diese Rezension schrieb: KlausMattes (2014-10-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.