Rezension in: Karfunkel, Zeitschrift für erlebbare Geschichte, August/September 2002, Heft 41, S. 71
Maike Vogt Lüerssen: 40 Frauenschicksale aus dem 15. und 16. Jahrhundert
Wie verlief das Leben der Frauen zur Zeit der Renaissance? Weitab von jeder romantisch-romanhaften
Idealisierung ist die Geschichtswissenschaftlerin Maike Vogt-Lüerssen, die sich bereits seit 1987
intensiv mit "Alltags- und Frauengeschichte" befasst, dieser Frage nachgegangen. In vierzig prägnanten, dennoch detaillierten Portraits beleuchtet sie auf knapp 280 Seiten, jeweils mit Schwarz-Abbildungen, die Situation der Frauen aller Gesellschaftsschichten. Begabte Herrscherinnen wie manche Habsburg-Tochter oder Katharina von Medici, unglücklich Liebende wie Johanna die Wahnsinnige oder heldenhaft Verehrte wie die Jungfrau von Orleans erscheinen neben tatkräftigen Reformatorenfrauen wie Katharina von Bora oder Wibrandis Rosenblatt. Legenden um die angeblich verderbte Lucrezia Borgia oder die falsche Heilige Anna Laminit werden ins rechte Licht gerückt. Die Schicksale der Gemahlinnen und Töchter Heinrichs VIII. finden ebenso Erwähnung wie das derjenigen, die ihm einen Korb gab: Christina von Dänemark. Neben der ersten Frauenrechtlerin Christine de Pizan, der erfolgreichen Malerin Sofonisba Anguisciola und der begehrten Kurtisane Veronica Franco, haben auch Frauen wie Barbara Holper als Mutter Albrecht Dürers oder Elsbeth Binsenstock, Gattin des Malers Hans Holbein d. J., ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen. Eines wird bei diesem Reigen deutlich: Auch in dieser Epoche waren die Frauen stärker, als mancher Mann dies wahrhaben wollte. Oft mit stählerner Energie, bewältigten sie ihren Alltag als Pfarrersfrauen oder Politikerinnen und brachten dabei noch eine große Kinderschar zur Welt. Währenddessen vergnügten sich ihre Männer bei der Jagd, mit ihren Geliebten oder zogen sich ins Studierstübchen zurück. Gestern nicht anders als heute, blieb die Hauptlast aller Pflichten meist an den Frauen hängen. Allerdings erhielten sie dazumal selten Anerkennung, wurden im Gegenteil oft gedemütigt und von Ehemann oder Schwiegervater - siehe Agnes Bernauer - beiseitegestoßen, wenn sie unerwünscht wurden. Ertränkt, gefangengenommen, ihrer Güter beraubt, ihres Rufes ruiniert - viele zerbrachen daran, viele kämpften unbeirrt weiter für ihre Rechte.
Der Autorin ist ein interessanter Bilderbogen dieser Epoche gelungen, der immer wieder zum Nachschlagen einlädt und zudem nützliche Tips für weiterführende Literatur enthält. Allerdings sollte der Leser des Englischen mächtig sein, da die Originalzitate nicht übersetzt wurden.
Verlag Emst Probst, ISBN 3-935718-19-5 für 29 Euro. dame
[*] Diese Rezension schrieb: Ernst Probst (2002-08-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.