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Literaturforum: Ricarda Junge - Kein fremdes Land


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 Thema: Ricarda Junge - Kein fremdes Land
LX.C
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 22.10.2005 um 14:28 Uhr

Ricarda Junge, 1979 geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und veröffentlichte mit "Kein fremdes Land" ihren ersten Roman. Sie erhielt bereits mehrere Literaturpreise, unter anderem auch für ihren 2002 erschienenen Erzählband "Silberfaden".

Tom ist in Deutschland aufgewachsen und lebt seit frühster Jugend in Philadelphia, USA. Er arbeitet als freier Journalist und wird durch eine befreundete Redakteurin an eine Reihe unerklärlicher Selbstmorde von alleinstehenden, jungen Müttern heran geführt, die alle in dem selben Hochhaus stattfanden, das sich in einem sozialen Brennpunkt Philadelphias befindet. Mit seiner Nachbarin Teresa, die Lehrerin ist und mit den Folgen eines Schülerattentats zu kämpfen hat, zieht Tom, mehr aus Langeweile und Perspektivlosigkeit als aus Liebe, in ein heruntergekommenes Haus, das Teresa von ihrer Mutter geerbt hat. Der Umzug in den beschaulichen Vorort Philadelphias, spießige und extrem konservative Gegend, soll für beide ein Neunanfang sein. Tom versucht sich abzulenken von seiner eigentlichen Liebe. Eine Liebe zu einer einstigen deutschen Schulfreundin, die alles andere als normal scheint. Ihr Name ist Maria, verkorkste Kindheit, psychische Störungen (faltet ständig Papierschiffchen), scheint ihrem brutalen Ex-Freund noch immer hörig, hat vergrößerte Büste und überlegt sich ständig, zwei Rippen entfernen zu lassen, für eine schmalere Taille. Zudem ist sie alles andere als liebevoll, man könnte sie eher als emotional verwahrlost und kalt beschreiben, die Liebe scheint für sie nur ein Spiel. Zum anderen versucht Teresa von ihrem Attentatstrauma wegzukommen. Doch die Vergangenheit wiederholt sich, Teresa wird erneut angegriffen, ausgerechnet von einer deutschen Schülerin, namens Christiane. Die Situation scheint sich zuzuspitzen, Teresa (gebürtige Amerikanerin) kann Christianes und Toms voneinander unabhängige Kritiken am amerikanischen Schulsystem überhaupt nicht nachvollziehen, dazu wächst die Eifersucht auf Maria. Auch die Selbstmorde lassen sich einfach nicht klären, was an Toms Nerven nagt. Schließlich wird er, der überhaupt kein Interesse hat, sich dafür auch noch einspannen zu lassen (auch wenn er Christianes Leidensweg noch am besten verstehen kann, da er ähnliches durchmachte), unfreiwillig zum Vermittler zwischen der deutschen Schülerin und Teresa. Doch wirklich ändern tut sich dadurch nichts, außer, dass nun auch noch seine Zuneigung zu Christiane zu wachsen scheint.

Es handelt sich hier grob gesagt um ein Buch zum Thema Sinnsuche, in dem die Protagonisten schwerlich bemüht sind, ihren Standpunkt in einem Leben aus Nähe und Kälte, Sehnsucht, Zerrissenheit und Angst zu definieren.
Der Roman fesselt durch eine latent düstere Stimmung, bei der man sich nicht so recht erklären kann, wo sie wirklich herkommt. Sie scheint allein durch Schreibstil und Wortwahl präsent und das Unterbewusstsein zu beeinflussen, denn eigentlich ist schönes Wetter in Philadelphia. "Kein fremdes Land" ist eines dieser Bücher, bei denen man auf den letzten Seiten immer langsamer wird, weil man nicht möchte, dass es ein Ende nimmt und mit ihm die durch Sozialisation und Gesellschaft zerrissenen und kaputt gespielten, aber dennoch so sympathischen Hauptprotagonisten im Regal verschwinden. Dabei erhebt die Autorin nie Vorwürfe, sondern stellt die Figuren authentisch als das dar, was die Umstände in diesem Land voller Widersprüche und Unbehaglichkeit aus ihnen machten.
Am Ende des Buches ist man im Grunde nicht schlauer als vor dem Buch. Denn die Autorin gibt keine vorgefertigten Antworten, weder auf inhaltlicher noch auf philosophischer Ebene. Selbst die banalsten Fragen, beispielsweise ob Teresa und Tom überhaupt eine sexuelle Beziehung haben oder nicht, bleiben bis zum Schluss unbeantwortet. Man hat einfach das gute Gefühl, als hätte man die Protagonisten ein Stück ihres Lebens begleitet und sich dann wieder ausgeklinkt, während die Geschichte ohne den Leser fortzufahren scheint.


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