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Literaturforum: Pianders treibende Kraft


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 Thema: Pianders treibende Kraft
excessus
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 30.06.2009 um 03:48 Uhr

Pianders treibende Kraft

In einer Zeit, wo Betonwüsten die letzten Träume ersticken, erzählte man das Märchen von Piander, dessen Mutter eine starke Eiche war und an einem Ort stand, wo Baukräne den Horizont säumten und Licht nur von Wolkenkratzer- scheiben gespiegelt auf die Straßen fiel. Auch die Vögel konnten ihre Nester nur in Dachrinnen und Antennenmasten bauen, doch fanden einige Glückliche ihr Heim im dichten Gezweig von Pianders Mutter.

Piander wiegte sich schläfrig an seinem Zweig und lauschte dem Gesang der Vögel.
Plötzlich kam ein starker Windstoß, und der trennte Piander von seiner Mutter. Er flog davon und segelte im Wind hin und her. Es war schön und angenehm, so zu fliegen, und er kam sich so frei und ungebunden vor und malte sich die herrlichsten Landeplätze aus. Irgendwo auf einer Wiese, umrandet von vielerlei blühenden Blumen und Sträuchern, wollte er sich niederlassen und gen Himmel wachsen.
Doch eine erneute Böe erweckte ihn aus seinen Tagträumen und trug ihn über all seine erhofften Ziele hinweg auf einen Fußballhartplatz, der gerade neu asphaltiert wurde, weil einige Keimlinge ihn in ihrem Lebensdrang von unten her durchbrochen hatten. Piander sauste direkt in die große Schaufel eines Baggers. Niemand war da, der ihn beachtet und herausgezogen hätte, denn alle waren nur auf ihre Arbeit programmiert. Er ging er dem sicheren Grab entgegen, wurde abgeladen, mit Kies überschüttet und zugeteert.
Nun war alles finster um ihn her. Er hörte nur noch das Dröhnen und Stampfen der Maschinen, aber auch das wurde immer leiser, bis es allmählich ganz verstummte. Piander war nun ganz und gar isoliert. Er suchte zunächst etwas Wasser und Nahrung zum Keimen, denn er wollte leben und sich entwickeln, heraus aus seinem einsamen Kerker zum warmen Sonnenlicht.
Diese Vorhaben schien unmöglich, aber Piander war jung und voller Tatendrang. Er überlegte nicht lange, sondern spreizte seine winzigen Wurzeln aus und schob sie in den Erdboden, gut verteilt. Da Piander ganz allein war, konnte er die Nahrung, die der Boden hergab, voll für sich verwerten, und so wuchs er langsam aber stetig durch die Erde nach oben, bis der Kies kam. Wie sollte er sich durch diese schwere Kiesschicht einen Weg bahnen?
"Ich muss es wagen, ich hab ja nichts zu verlieren, wer wagt gewinnt," sagte sich Piander und kämpfte weiter. Es war äußerst mühselig, und oft kam er tagelang überhaupt nicht voran. Aber Piander musste es auf jeden Fall ständig versuchen, etwas weiter zu kommen, denn er wollte hier unbedingt heraus. Dann stieß Pianders zartes Köpfchen an den ersten harten Stein. Er drückte und drängte, stupste und schubste fleißig gegen die schweren Steine und arbeitete sich an dem ersten vorbei, biss auf die Zähne und schaffte auch den zweiten und den dritten, und durch diese Erfolgserlebnisse ermuntert und bestärkt, bohrte Piander sich allmählich Stein um Stein seinen Weg.

Der Wille zum Leben war die treibende Kraft, deshalb bewegte sich Piander unaufhaltsam voran, bis er an der Asphaltdecke kam. War das die Endstation?
Nein, das durfte einfach nicht sein, denn nun spürte er schon die Wärme der Sonne und das steigerte seine Antriebskräfte nochmals sehr. Nun war es nicht mehr weit zum Licht; so viel hatte er schon hinter sich gebracht, da wird er jetzt auch das letzte Stück noch meistern.
Abermals ballte Piander seine Kräfte und drückte unaufhörlich mit brennendem Eifer Stunde um Stunde, Tag um Tag ein winzig kleines bisschen, aber stetig und unaufhaltsam nach oben, denn sein Ziel war es,
in der Sonne zu blühen.
Piander hörte und spürte am Tage immer das Getrampel der Fußballspieler, aber er ließ sich durch nichts mehr aufhalten. Er wollte nach oben und hämmerte mit seinem zarten Köpfchen immer und immer wieder so lange gegen den harten Asphalt, bis dieser aufsplitterte und zerbrach.
Jetzt konnte Piander durch ihn hindurchwachsen, um seine Blätter und Blüten zu entfalten. Schon streckte er seine Knospen aus dem Asphalt heraus. Das war der schönste Moment seines bisherigen Existenzkampfes, das war nach so viel Anstrengung nun ein großartiger Lohn. Als Piander zum ersten Mal die warmen, wonniglichen Sonnenstrahlen auf seinem Haupt spürte, fühlte er sich wie neu geboren, und alle Mühen und Entbehrungen waren vergessen. Es war eine unsagbare Freude, er konnte sich so richtig entspannen und träumte vor sich hin.

Doch der Standort ist äußerst schlecht, Piander steht mitten auf einem Fußballhartplatz, folglich rollt der Ball und trippeln die Spieler immer wieder über ihn hinweg. Er leidet kolossal, es ist nicht mit Worten zu beschreiben, es ist die Hölle. Immer wieder tappen sie über Piander hinweg oder kicken ihre lederne Kugel über ihn hinüber, sie nehmen keinerlei Rücksicht, sie knicken ihn so häufig um, dass er nur noch des Nachts, wenn die Sterne freundlich blinzeln, seine Ruhe hat. Dann träumt er von der Fee, die ihn hier herausholt und wegträgt zu seinesgleichen an einen von der Natur für ihn vorgesehenen Ort. Dort will er sein, wo man ihn liebt und er aufblühen kann als Oase für Menschen, Eichhörnchen und Schmetterlinge und er seinen Blütenstaub über das ganze Land zu verstreuen vermag.
Sie wird kommen, die Vögel zwitschern es Piander eifrig zu, und dadurch bekommt er die Kraft, die Unerträglichkeiten seines harten Alltags zu überleben.
Herbststürme ziehen auf, die Spieler kommen seltener, es wird einsamer um Piander, und nur die Regentropfen leisten ihm noch Gesellschaft. Bald bedeckt ihn der Schnee und es wird ganz dunkel um ihn herum, "Ist da noch jemand," denkt er und schwebt hinüber in Morpheus Traumgefilde.

Ausgelassenes Kindergeschrei, fröhliches Vogelgezwitscher, warme Sonnenstrahlen, ein farbenprächtiges Pflanzenmeer. “Träume ich?”, überlegt Piander überrascht und voller Freude. Ein alter Mann sagt lächelnd zu seiner Frau: "Schau mal Schatz, dieses wunderschöne Bäumchen. Wer hat uns das hierher gepflanzt?“
Piander hat es geschafft, all seine Visionen, die er nie aufgegeben hat, sind in Erfüllung gegangen. Er wiegt sich froh und zufrieden in den sanften Sommerwinden seiner neuen Heimat hin und her. Das Gefühl der Unendlichkeit des klaren, blauen Himmels umschließt ihn. “Sie ist schön, diese harmonische Welt meiner Pflanzengeschwister!” jubelt Piander, in einen jungen Baum verwandelt, überglücklich. Seine Wurzeln suchen sich ihren Weg durch den frischen Erdboden, seine Blätter treiben zahllos der goldenen Sonne entgegen, die ihren Lauf über ihm vollendet, während er sich in die Höhe reckt. Seine Äste und Zweige sind voller Leben, Käfer, Schmetterlinge, Vögel fühlen sich auf ihnen zu Hause. Verliebte Paare finden in seinem Schatten ein vertrautes Plätzchen für die Stunden des Glücks.

In der Abenddämmerung scheint der Mann im Mond,
mit der Sphärenmusik aller Sterne und sämtlicher Lichtgeister der Nacht,
uns allen ein liebliches Schlummerlied zu singen.

“Dies ist das Märchen von der treibende Kraft,
durch eisernen Willen hat Piander es geschafft,
und ist Dein Los auch noch so schwer
gib niemals auf, setz´ Dich zur Wehr,
glaub’ fest an Dich, kämpf’ wie ein Stier,
verzweifle keinesfalls an Dir,
denn selbst in finstrer, toter Nacht
ist da ein Stern, der Dich anlacht,
so lass den lichten Sternenschein
auch in Dein Menschenherz hinein
und alles was dahinter steckt,
wird durch den Traum in Dir geweckt.”


Lieber das Unmögliche möglich machen, als das Mögliche unmöglich.
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