Markowski druckste ein wenig herum. Vielleicht wollte er es auch nur spannend machen. Obschon, er hätte wissen müssen, daß mir nicht danach war. Schließlich ging es um meinen Kopf und nicht um seinen. Dann endlich, langsam und bedächtig wie es seine Art nun mal war, kam er raus mit der Sprache: "Ich will es kurz machen, Herr Schulz, Sie werden künftig, so leid es mir tut, halt ohne auskommen müssen." Ohne Kopf wollte er sagen, doch das Kind beim Namen zu nennen, war ihm dann wohl doch zu peinlich, dem feinen Herrn Doktor Markowski, schließlich hatte er die Suppe mir eingebrockt. Von einem harmlosen Eingriff war die Rede gewesen, und was war herausgekommen dabei? Man hatte mir tatsächlich den Kopf amputiert. Eine Schande ist das. Ich werde mir wirklich überlegen müssen, ob es vielleicht nicht irgendwie doch angebracht wäre, ihn zu verklagen, den Herrn Markowski. Andererseits bin ich nun mal ein friedliebender Mensch, dem nichts ferner liegt, als wegen jeder Kleinigkeit gleich vor Gericht zu ziehen. So was bringt nur Ärger, und am Ende kommt häufig dann ohnehin nichts dabei raus.
"Ohne Kopf also", sagte ich mühsam beherrscht, ein wenig stolz darauf, wie gut es mir gelang, meinen Ärger zu verbergen. "Ich weiß nicht, wie das gehen soll."
"Ach was", wischte Markowski meinen Einwand beiseite, fast schien er, ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, ein wenig ungehalten. "Es gibt nun wahrlich Schlimmeres, Sie schaffen das schon." Dann schickte er noch einen kleinen Scherz hinterher, über den auch ich herzlich lachen musste: "Unter Kopfschmerzen werden Sie künftig ganz gewiss nicht mehr leiden."
Da hatte er nun auch wieder recht, dachte ich und musste innerlich noch immer schmunzeln, als ich, kopflos zwar, doch guter Dinge, in wahrlich recht aufgeräumter Stimmung die Klinik verliess.
Den Menschen auf der Strasse schien mein Zustand keineswegs besonders ins Auge zu stechen, hier und da nur, so wollte mir scheinen, trafen mich erstaunte Blicke. Vielleicht aber war es nur pure Einbildung, die mich dies denken ließ. Denn - ich wollte es nun wirklich wissen - als ich einen Mann nach dem Weg fragte, gab er mir Auskunft ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Lisbeth freilich, die gute, wie sollte es anders sein, war fürbass erstaunt, als sie meiner ansichtig wurde, was andererseits - da will ich ganz ehrlich sein - nicht weiter verwunderlich war, schließlich hatte ich mich seit Monaten nicht blicken lassen. So entschloss ich mich kurzerhand, ihre Blicke zu ignorieren, gab mich unbefangen und machte keck die Probe aufs Exempel.
"Ich bin´s, ja wirklich und wahrhaftig, sag´ nur nicht, ich hätte mich verändert." Sicher, ein wenig übertrieben klang das schon, doch war die Situation, das bitte möge man mir zugutehalten, schließlich alles andere als normal.
"Nun ja", entgegnete Lisbeth mit gewohnt spitzer Zunge, "schöner bist du, was soll ich sagen, bestimmt nicht geworden."
Wir bumsten dann noch ein bisschen. Das ging sehr gut auch ohne Kopf, wenngleich - ich mache keinen Hehl daraus - ich nicht so richtig bei der Sache war. Lisbeth, der dies, was ich durchaus verstand, doch einigermassen missfiel, meinte darauf - und das fand ich halt nachgerade, Sie werden mir beipflichten, beinahe schon fast infam -, mich fragen zu müssen, wo in drei Teufels Namen ich meinen Kopf nur hätte.
Ihre Worte, so bar jeden Mitgefühls, trafen mich zutiefst. Das sagte ich Lisbeth auch, ganz frank und frei - man soll aus seinem Herzen keine Mördergrube machen -, und ich sagte ihr auch, dass rein mental gesehen, ich momentan zumindest wahrhaftig nicht auf der Höhe war.
"Kopf hoch", meinte Lisbeth da nur, "das wird schon wieder."
Auf den Heimweg traf ich dann einen Mann, der, oh Wunder, mein Schicksal teilte. Auch ihm fehlte jener Körperteil, der mir durch missliche Umstände abhanden gekommen war. Natürlich kamen wir ins Gespräch, war der eine doch begierig darauf, zu erfahren, wie der andere sein kopfloses Dasein ertrug und wie überhaupt es so weit gekommen war, dass ihm nun fehlte, was landläufiger Meinung zufolge doch eigentlich ziemlich wichtig war.
Als Menschen, die wussten, was sich gehörte, stellten wir einander vor. "Schulz", sagte ich, "Dietmar Schulz." Und er darauf: "Angenehm, Möller mein Name, Möller, Horst." Dabei wies er diskret just dorthin bei mir, wo ich schmerzlich, nein, das nicht wirklich, vermisste, was auch er nicht mehr besaß. "Markowski", sagte er dann. "Hab´ ich recht?"
"Sie haben", erwiderte ich, woraufhin wir beide lauthals lachen mussten, das Lachen schier kein Ende mehr nehmen wollte, zu komisch aber war das auch.
Während wir noch immer um Fassung rangen, fiel mir auf, dass Herr Möller anstelle des, nun ja, Sie wissen schon, einen Trichter trug, mit ziemlich breiter Öffnung oben. Zugegeben, das stand ihm gut, und ich kam nicht umhin, ihn zu fragen, was es damit auf sich habe.
"Den Trichter meinen Sie?" Möller gab bereitwillig Auskunft über Sinn und Zweck desselben. "Ungemein praktisch, das Ding, macht die Nahrungsaufnahme fast zum Vergnügen. Und sehen Sie hier", Möller neigte sich ihm ein wenig entgegen, "abgeschlossen wird er oben durch einen Deckel. Bei schlechtem Wetter einfach unverzichtbar."
Ich war beeindruckt, fragte, ob ich den Trichter einmal anfassen dürfe.
"Aber sicher doch, er sitzt ganz fest, Sie können ruhig rütteln daran." Möller machte es ihm vor. "Sehen Sie? Ganz fest. Gute Arbeit hat er da geleistet, ausnahmsweise mal."
"Markowski?" fragte ich.
"Markowski", sagte Mòller.
Zum Abschied schüttelten wir uns die Hände. "Also dann", sagte ich, "es war nett, mit Ihnen zu sprechen."
"Ganz meinerseits", erwiderte Möller. "Man sieht sich. Und nur nicht den Kopf verlieren."
Was für ein Traum, dachte ich. Womit nur habe ich das verdient. Dann rief ich mir den Termin ins Gedächtnis. Markowski, Doktor Markowski, Hals, Nase, Ohren. Er wollte mir die Polypen entfernen. Ich entschied mich dagegen. Besser ist besser.
"Ohne Kopf also", sagte ich mühsam beherrscht, ein wenig stolz darauf, wie gut es mir gelang, meinen Ärger zu verbergen. "Ich weiß nicht, wie das gehen soll."
"Ach was", wischte Markowski meinen Einwand beiseite, fast schien er, ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, ein wenig ungehalten. "Es gibt nun wahrlich Schlimmeres, Sie schaffen das schon." Dann schickte er noch einen kleinen Scherz hinterher, über den auch ich herzlich lachen musste: "Unter Kopfschmerzen werden Sie künftig ganz gewiss nicht mehr leiden."
Da hatte er nun auch wieder recht, dachte ich und musste innerlich noch immer schmunzeln, als ich, kopflos zwar, doch guter Dinge, in wahrlich recht aufgeräumter Stimmung die Klinik verliess.
Den Menschen auf der Strasse schien mein Zustand keineswegs besonders ins Auge zu stechen, hier und da nur, so wollte mir scheinen, trafen mich erstaunte Blicke. Vielleicht aber war es nur pure Einbildung, die mich dies denken ließ. Denn - ich wollte es nun wirklich wissen - als ich einen Mann nach dem Weg fragte, gab er mir Auskunft ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Lisbeth freilich, die gute, wie sollte es anders sein, war fürbass erstaunt, als sie meiner ansichtig wurde, was andererseits - da will ich ganz ehrlich sein - nicht weiter verwunderlich war, schließlich hatte ich mich seit Monaten nicht blicken lassen. So entschloss ich mich kurzerhand, ihre Blicke zu ignorieren, gab mich unbefangen und machte keck die Probe aufs Exempel.
"Ich bin´s, ja wirklich und wahrhaftig, sag´ nur nicht, ich hätte mich verändert." Sicher, ein wenig übertrieben klang das schon, doch war die Situation, das bitte möge man mir zugutehalten, schließlich alles andere als normal.
"Nun ja", entgegnete Lisbeth mit gewohnt spitzer Zunge, "schöner bist du, was soll ich sagen, bestimmt nicht geworden."
Wir bumsten dann noch ein bisschen. Das ging sehr gut auch ohne Kopf, wenngleich - ich mache keinen Hehl daraus - ich nicht so richtig bei der Sache war. Lisbeth, der dies, was ich durchaus verstand, doch einigermassen missfiel, meinte darauf - und das fand ich halt nachgerade, Sie werden mir beipflichten, beinahe schon fast infam -, mich fragen zu müssen, wo in drei Teufels Namen ich meinen Kopf nur hätte.
Ihre Worte, so bar jeden Mitgefühls, trafen mich zutiefst. Das sagte ich Lisbeth auch, ganz frank und frei - man soll aus seinem Herzen keine Mördergrube machen -, und ich sagte ihr auch, dass rein mental gesehen, ich momentan zumindest wahrhaftig nicht auf der Höhe war.
"Kopf hoch", meinte Lisbeth da nur, "das wird schon wieder."
Auf den Heimweg traf ich dann einen Mann, der, oh Wunder, mein Schicksal teilte. Auch ihm fehlte jener Körperteil, der mir durch missliche Umstände abhanden gekommen war. Natürlich kamen wir ins Gespräch, war der eine doch begierig darauf, zu erfahren, wie der andere sein kopfloses Dasein ertrug und wie überhaupt es so weit gekommen war, dass ihm nun fehlte, was landläufiger Meinung zufolge doch eigentlich ziemlich wichtig war.
Als Menschen, die wussten, was sich gehörte, stellten wir einander vor. "Schulz", sagte ich, "Dietmar Schulz." Und er darauf: "Angenehm, Möller mein Name, Möller, Horst." Dabei wies er diskret just dorthin bei mir, wo ich schmerzlich, nein, das nicht wirklich, vermisste, was auch er nicht mehr besaß. "Markowski", sagte er dann. "Hab´ ich recht?"
"Sie haben", erwiderte ich, woraufhin wir beide lauthals lachen mussten, das Lachen schier kein Ende mehr nehmen wollte, zu komisch aber war das auch.
Während wir noch immer um Fassung rangen, fiel mir auf, dass Herr Möller anstelle des, nun ja, Sie wissen schon, einen Trichter trug, mit ziemlich breiter Öffnung oben. Zugegeben, das stand ihm gut, und ich kam nicht umhin, ihn zu fragen, was es damit auf sich habe.
"Den Trichter meinen Sie?" Möller gab bereitwillig Auskunft über Sinn und Zweck desselben. "Ungemein praktisch, das Ding, macht die Nahrungsaufnahme fast zum Vergnügen. Und sehen Sie hier", Möller neigte sich ihm ein wenig entgegen, "abgeschlossen wird er oben durch einen Deckel. Bei schlechtem Wetter einfach unverzichtbar."
Ich war beeindruckt, fragte, ob ich den Trichter einmal anfassen dürfe.
"Aber sicher doch, er sitzt ganz fest, Sie können ruhig rütteln daran." Möller machte es ihm vor. "Sehen Sie? Ganz fest. Gute Arbeit hat er da geleistet, ausnahmsweise mal."
"Markowski?" fragte ich.
"Markowski", sagte Mòller.
Zum Abschied schüttelten wir uns die Hände. "Also dann", sagte ich, "es war nett, mit Ihnen zu sprechen."
"Ganz meinerseits", erwiderte Möller. "Man sieht sich. Und nur nicht den Kopf verlieren."
Was für ein Traum, dachte ich. Womit nur habe ich das verdient. Dann rief ich mir den Termin ins Gedächtnis. Markowski, Doktor Markowski, Hals, Nase, Ohren. Er wollte mir die Polypen entfernen. Ich entschied mich dagegen. Besser ist besser.