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Literaturforum: Es muss wissenschaftlich aussehen


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 Thema: Es muss wissenschaftlich aussehen
Kenon
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 25.11.2021 um 21:35 Uhr

In einem abgelegenen Wald irgendwo im Osten lebt schon seit vielen Jahren eine kleine Schweinebande, welche die menschliche Sprache erlernte und mit dieser zu ihrem Unglück auch die Langeweile: die Schweinebande konnte sich aufgrund ihrer besonderen Begabung einfach nicht mehr damit begnügen, nur Schweinesachen zu machen, daher entschloss sich eines der vorwitzigeren Schweine dazu, ganz einfach wie ein Mensch ein Forschungsinstitut, das Studienaufträge annimmt, zu gründen. Geschäftstüchtig wie es war (und weiterhin ist), richtete es gleich eine Telefonnummer ein, unter der Interessenten Studien auch heute noch beauftragen können. Das Erstgespräch folgt stets einem schmalen aber strikten Leitfaden, dieser hat sich in der Praxis bewährt, weil er den Prozess schnell und in der Regel gleichfalls erfolgreich einleitet. Ruft ein Interessent unter der Nummer an, meldet sich ein diensthabendes Schwein mit den folgenden Worten: ”Schweineinstitut Freies Forschen, Guten Tag! Sie wünschen eine Studie zu beauftragen? Was soll denn dabei herauskommen?”. Bei so viel Entgegenkommen werden sich die Interessenten mit den Schweinen im Institut meist rasch einig. Eines Tages aber wird der ganze Schwindel, da er nicht besonders gut verborgen wird, sicherlich auffliegen!

Studien gehören zum wissenschaftlichen Handwerk, Wahlen zu demokratischen Gesellschaften. Nicht immer geht es sauber dabei zu. Je nach Profession und Interessen legendär bis abgenutzt ist zum Beispiel Walter Ulbrichts Ausspruch: “Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben”, den er im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Bezirksverwaltungen im Nachkriegsberlin tätigte. Ähnlich läuft es bei russischen Referenden – und das quasi in langer Tradition – ab, womit die Verallgemeinerung als gerechtfertigt erscheint, beispielsweise als die Krim von Russland im März 2014 völkerrechtswidrig besetzt wurde: Da durften sich all jene, die man überhaupt wählen ließ und die gegen einen Anschluss waren, nur zwischen zwei schlechten Optionen entscheiden. Eine Ja-/Nein-Auswahl gab es nicht: Die Krim konnte dem Referendum nach nur Russlands großem Magen einverleibt werden. Es gibt also, wie wir alle wissen, Wahlen, die ihren Namen nicht verdienen – und es ist ja auch bekannt, was einem in den russisch beherrschten Gebieten widerfährt, wenn man es wagt, seinen Dissens mit solchen “Entscheidungsfindungen” öffentlich zu machen. Selbst wenn ich hier der Anschaulichkeit wegen Russland als Beispiel gewählt habe, sind solcherlei Gebaren natürlich nicht auf dieses Land beschränkt und in der einen oder anderen, stärkeren oder schwächeren Form fast überall auf dem Globus zu finden.

So, wie es unfreie, unfaire und manipulierte Wahlen gibt, werden auch nicht-ergebnisoffene Studien, wie sie in der kleinen Geschichte zur Einleitung dieses Artikels thematisiert worden sind, durchgeführt – in der Regel sicherlich nicht ganz so plump; die Sozialwissenschaften scheinen mir dafür besonders anfällig, was sicherlich daran liegt, was sie überhaupt “messen” können und was für sie als faktisch gilt. Menschlich ist das bis zu einem gewissen Grad durchaus nachvollziehbar: Wir alle haben Interessen, die wir gern durchsetzen wollen, zum Beispiel, wenn wir bestimmte, feste (politische) Ansichten haben, auf schnellen aber unverdienten Ruhm aus sind oder gar die eigene Existenz vom Ergebnis einer Studie abhängt. Allerdings ist es – dem Kontext entsprechend – doch unlauter bis schäbig, wenn man absichtlich voreingenommen forscht und so genau die Ergebnisse produziert, von denen man selbst oder ein Auftraggeber am meisten hat, welche einer ehrlichen Methodenprüfung aber nicht standhalten können. Wird mittels eines Fragenbogens geforscht, ist es wichtig, was wen wie gefragt wird und wie man die Antworten absichert, um ein halbwegs verlässliches, aussagekräftes Ergebnis zu bekommen. Das richtige Entwerfen eines Fragebogens ist eine komplexe Wissenschaft für sich, die man erlernen kann und beherrschen muss – man kann es sich aber auch einfach machen. Linguistische Studien, die zum Ziel haben, die Gendersprache zu rechtfertigen, kommen beispielsweise gern mit Fragen daher wie: “An welches Geschlecht denken Sie, wenn Sie das Wort Fußballer hören”. Die Antwort, die darauf dann gegeben wird, bestätigt die “Forscher” in ihrer “Annahme”, das generische Maskulinum würde hauptsächlich als männliche Personen bezeichnend wahrgenommen werden, dabei vergessen sie, dass sie eine synthetische Laborfrage gestellt haben, die außerhalb des Labors niemand jemandem stellen würde – es sei denn, er möchte das Labor nachspielen – außerdem mag die Frage nach dem Geschlecht vor allem nur für die Forscher von Belang sein … Ähnlich verfährt die etwas dämliche Geschichte vom “Sohn im OP-Saal”, die gern eingesetzt wird, um Ungläubige zum Gebrauch der Gendersprache zu bekehren. Abgesehen davon, dass sie absichtlich ein emotionales Setting aufbaut, verschweigt die Geschichte lange spezifische geschlechtliche Ausdrucksweisen um dann am Ende mit einem Paukenschlag auf eine leere Blechbüchse zu triumphieren: “Seht Ihr, das generische Maskulinum taugt ja gar nichts”.

Es gibt viele Methoden, um das Ergebnis einer Umfrage in die gewünschte Richtung zu lenken. Stellen wir uns eine Institution A vor, die in ihrem Wirkungsbereich den Zustand B bei allen ihr angehörenden Personen herstellen möchte, weil sie diesen für sich als absolut erstrebenswert und nicht verhandelbar gesetzt hat. Die Institution A befragt nun die ihr angehörenden Menschen mittels eines Fragebogens, inwieweit der Zustand B für jeden persönlich bereits erreicht ist. Antwortet man, dass dieser noch nicht erreicht wurde, darf man davon ausgehen, somit der Institution A ein Mandat erteilt zu haben, verstärkt auf dessen Erreichung hinzuwirken. Antwortet man wahrheitsfremd, dass der Zustand B bereits erreicht wurde, bestärkt man die Institution A lediglich in ihrem Glauben, bisher die richtigen Mittel angewandt zu haben, damit sich alle wohl fühlen, dabei kann es ja sehr wohl sein, dass eine Person C den Zustand B gar nicht als erstrebenswert erachtet. Dieses aber wird durch den Fragebogen nicht erfasst. Person C darf nur den Status Quo bestätigen oder indirekt mehr Mittel zur Erreichung von Zustand B einfordern. Vielleicht ein wenig überspitzt formuliert kann so ein voreingenommenes Fragen, das selbst nicht hinterfragt werden darf, für sensible Gemüter bereits eine Form psychischer Gewalt darstellen.

Was möchte ich meinen Lesern – vielleicht auch gerade jenen, die vorzugsweise nur die letzten Zeilen eines Textes lesen – zusammengefasst mitgeben? Nicht mehr als ein paar ganz ordinäre Worte:

Was auf den ersten Blick demokratisch aussieht, muss nicht demokratisch sein.
Was auf den ersten Blick wissenschaftlich aussieht, muss nicht wissenschaftlich sein.

Deswegen gilt wie fast immer:
Schau genau!

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