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Alex Capus - Königskinder (Hörbuch)
Buchinformation
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Capus, Alex:
Königskinder (Hörbuch)

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(Bücher frei Haus)

Der neue kleine Roman von Alex Capus ist neben seiner witzigen Rahmenhandlung und der schönen Hauptgeschichte, die erzählt wird, vor allem ein sprachlicher Genuss. Man spürt die Freude des Autors am Fabulieren bei nahezu jedem einzelnen Satz, den er zu Papier bringt. Das Lesen macht Freude und ist abgesehen von der wunderbaren Unterhaltung, die dieses kleine Buch beschert, eine große Bereicherung für den Leser.

In der Rahmengeschichte fahren Max und Tina, ein erfahrenes Ehepaar, trotz gegenteiliger Wetterwarnungen mit ihrem roten Toyota Corolla während eines nächtlichen Schneetreibens eine Passstraße hinauf. Sie sind deshalb ein erfahrenes Ehepaar, weil sie sich gut kennen und einschätzen können, sich bei den wichtigen Dingen immer einig sind, und sich um Kleinigkeiten streiten können wie die Kesselflicker.

Das tun sie auch während der Fahrt durch die Nacht, jedenfalls solange bis sie endgültig von der Straße abkommen und im Straßengraben im Schnee stecken bleiben.

Um sich die Zeit bis zum Morgen, wenn die Schneeräumgeräte wieder im Einsatz sind, zu vertreiben, und vor allen um angesichts der Kälte wach zu bleiben, schlägt Max vor, eine Geschichte zu erzählen. Eine wahre Geschichte, dessen Rahmendaten er genau recherchiert habe.

Mehrfach in der Nacht wird er in seinem Erzählfluss von Tina unterbrochen, die immer wieder unlauteren Kitsch wittert, aber von Max jeweils eines Besseren belehrt wird.

Max (Alex Capus) erzählt nun eine alte Liebesgeschichte, die genau in den Bergen ihren Anfang nimmt, in denen sie stecken geblieben sind. Jahrhunderte liegt sie zurück und spielt in der Zeit kurz vor der französischen Revolution, eine Zeit des Aufbruchs und Umbruchs in Europa. Von diesen bevorstehenden Umwälzungen erfährt der Hirtenjunge Jakob nichts. Er kümmert sich um das Vieh eines reichen Bauern und ist mit den Tieren während des ganzen Sommers oben in den Bergen. Als er nach dem Sommer das Vieh nach unten ins Tal bringt, begegnet er nicht zum ersten Mal Marie, der Tochter des Bauern. Die beiden erleben so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, denn mehr als sich von weitem anschauen, können sie nicht. Der Bauer wittert diese zarte Annäherung sofort und will sie verhindern.

Jakob und Marie jedoch fliehen zusammen auf Jakobs Hütte und verbringen dort viele Tage. Die Knechte des Bauern kommen irgendwann dorthin und wollen Jakob an den Kragen. Der aber teilt ihnen mit, sie sollen dem Bauern sagen, er habe sich zum Kriegsdienst gemeldet und er brauche sich keine Sorgen mehr zu machen.

Acht Jahre von 1779 bis 1787 dient Jakob im Regiment Waldner und tut Dienst in Cherbourg am Ärmelkanal, wo es all die Zeit sehr ruhig ist und er von den sich in Europa anbahnenden großen Umwälzungen relativ wenig mitbekommt.

Marie indes wartet auf dem Hof ihres Vaters auf Jakobs Rückkehr, und lehnt alle potentiellen Ehemänner, die ihr Vater über die Jahre auf den Hof bringt, barsch ab.

An dieser Stelle bringt der erzählende Max Elisabeth, die Tochter des französischen Königs Ludwig XVI. ins Spiel. Sie ist unzufrieden mit dem Leben im Schloss Versailles und ringt ihrem Vater ein Landgut ab, auf dem sie Landwirtschaft betreiben will. Von allem das Beste, Hühner aus der Bresse , Schweine aus Flandern, Schlachtrinder aus Burgund, Arbeitspferde aus Brabant. Und Milchkühe aus der Schweiz, Freiburger Milchkühe. Und genau hier gibt es die von der mitten in der Nacht im Toyota Corolla zuhörenden Tina ungeduldig erwartete Verbindung.

Weil die Kühe in der Fremde kränkeln und keine Milch geben und wegen ihrer schmerzhaft entzündeten Euter brüllen, muss nach einem Freiburger Kuhhirten gesucht werden, der sich mit ihnen auskennt.

Jakob ist mittlerweile aus dem Dienst ehrenhaft entlassen worden und kehrt in sein Heimatdorf zurück. Marie, die sich vom Vater nichts mehr sagen lässt, geht mit ihm einen Sommer hoch in die Berge zu Jakobs Hütte und zu den Tieren, denn er nimmt seine alte Tätigkeit wieder auf. Sie verbringen dort glückliche Tage, bis Soldaten nach oben kommen, die Jakob mitteilen, er werde unten im Tal erwartet, es gebe einen wichtigen Auftrag für ihn.

Er soll sich auf dem Hofgut der französischen Königstochter um die Milchkühe kümmern. Gehorsam folgt er diesem Auftrag und lässt Marie zurück. Doch beide wissen, dass es nicht für lange sein wird. Tatsächlich lässt Elisabeth, die Königstochter, Marie bald nachkommen, denn sie hat gespürt, wie traurig ihr Helfer ist.

Sie erleben dort beide die bewegten Tage der französischen Revolution, wie sich das heruntergekommene und versiffte Schloss leert. Als irgendwann alles vorbei zu sein scheint, nehmen Jakob und Marie ihre Tiere und verlassen das Gut. Sie kaufen einen kleinen Bauernhof und haben zusammen ein langes und glückliches Leben.

In Rachel Cusk kürzlich im Suhrkamp Verlag erschienenem Roman „Kudos“ ist das Erzählen eine Art moderne Form von Beichte. Hier bei Capus ist das Erzählen eine Art von Daseinsversicherung gegen den Tod durch Kälte, der außerhalb des gestrandeten Autos droht. So ähnlich wie Sheherezade, die mit jeder Nacht und jeder neuen Geschichte ihr Leben verlängert.

Der wunderbare kleine Roman von Alex Capus ist ein literarisches Kleinod, kraftvoll und poetisch in der Sprache, lebendig, dicht und plastisch erzählt.

Eine warmherzige Erzählung, wie ein Märchen, und doch offenbar historisch verbürgt und genau recherchiert.

Die Hörbuchfassung seines letzten Buches „Das Leben ist gut“ hatte Alex Capus noch selbst eingelesen, wenig überzeugend wie ich damals fand. Nun hat der Hörverlag für das neue Buch den genialen Sprecher und Schauspieler Ulrich Noethen mit der ungekürzten Lesung beauftragt, die ihm wie bei so vielen anderen seiner Lesungen hervorragend gelungen ist. Er hat dieses wahre Märchen über eine Liebe, die viel überstehen muss, überzeugend und warmherzig interpretiert.

Alex Capus, Königskinder (Hörbuch), Der Hörverlag 2018, ISBN 978-3-8445-3103-9

[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-09-06)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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