Gewalt und Gegenwalt, genannt: Rache
„E quisto è per ti“, sagt Vito Corleone in sizilianischem Dialekt zu dem alten gewordenen Don, der einst seinen Vater, seine Mutter und seinen Bruder ermorden ließ. Der von Roberto de Niro gespielte „junge“ Corleone“ schlitzt dem Paten den Bauch auf und hinterlässt noch ein paar weitere Leichen auf seinem Weg zurück nach Amerika. Von dort ist er extra gekommen, um seine Rache zu haben, an dem Mann, der auch für sein Schicksal verantwortlich ist: Männer wie er erzeugen Männer wie ihn. Im zweiten Teil der Mafia-Trilogie wird die Entwicklungsgeschichte Don Corleones, der im ersten Teil von Marlon Brando so unvergesslich dargestellt wird, nacherzählt und Robert de Niro spielt ihn so sympathisch, dass man nicht umhin kommt, sich auch ein kleines bisschen mit ihm zu identifizieren und klammheimliche Freude über seine Rache zu empfinden. An und für sich macht er ja auch gar nichts Schlechtes: er sorgt nur dafür, dass seine Familie überleben kann, beginnt mit kleinen Einbrüchen, wo er vorerst nur Teppiche erbeutet und weitet sein Unternehmen immer mehr aus, bis er an die Grenzen von Don Tommasino stößt. Dieser ist der örtliche Capo in Brooklyn, wo Vito mit seiner Familie lebt und in einer karnevalesken Szene ermordet er auch diesen Don, weil er mehr als 30 Prozent seiner Einnahmen für sich will. Vito Corleone ermordet ihn kaltblütig vor seiner eigenen Wohnungstüre und so übernimmt er bald ganz Brooklyn und die Ehrerweisungen gelten von nun an ihm. Gewalt erzeugt Gewalt und so endet die Spirale niemals.
Eines Tages wirst auch Du mir einen Gefallen tun…
Die Menschen kommen zum Paten, um ihm ihre Probleme zu schildern und von ihm Genugtuung zu bekommen. So beginnt auch der erste Teil der Trilogie, in dem Vito Corleone (Marlon Brando) ein Kätzchen streichelnd in seinem Bürosessel thront und Empfang hält. Er hört sich alles an, während draußen, im Garten vor seinem Haus, die Hochzeit seiner Tochter gefeiert wird und er erwartet sich nichts anderes als Respekt und wer ihm diesen nicht zollt, dessen Bitten werden abgelehnt. „Erzähl mir bloß nicht du seist unschuldig, denn das beleidigt meine Intelligenz und macht mich sehr zornig.“ Vito Corleone macht die ganze Zeit über einen gekränkten Eindruck, seine Mundpartie ist nach unten gezogen, als hätte er zu viele Amphetamine erwischt oder es liegt doch an den Wattebauschen, die man Marlon Brando eigens für diese Rolle des Dons in die Backenknochen gestopft hatte. „Du darfst niemals jemanden, der nicht zur Familie gehört, spüren lassen, was du denkst.“ Eine weitere Weisheit des Alten, die die Familie über alles andere stellt. Wer Respekt zollt, wird belohnt: „Poi, un giorno, mi dovresti fare un piacere, ma finchè non arrivera quello giorno, accetilo come un regalo, questo piacere…“. Eines Tages wird auch der Leichenbestatter dem Don einen „Gefallen“ tun müssen.
Wenn die Erde und die Herzen brennen
Vito Corleone, der Don, stirbt noch im ersten Teil an den Folgen eines Attentats und sein Sohn Michael rächt ihn, indem er die beiden Urheber in einem Restaurant in Brooklyn während einem Kalbfleisch-Essen erschießt. „Hüte dich davor, deine Feinde zu hassen: das trübt deinen Urteilssein“, diese Weisheit bekommt vor allem der Erstgeborene zu spüren, denn Santino, der vorerst der Nachfolger des Don wird, wird bald ebenfalls erschossen und bald sind die Verräter überall. „Der, der die Nachricht für das Treffen überbringt, ist der Verräter“, dies bewahrheitet sich eigentlich in allen drei Folgen des Paten, denn die Corleones haben keinen leichten Stand mehr, gelten sie doch als altmodische Mafiafamilie, die mit den modernen Zeiten nicht mithalten will und Drogenhandel verabscheut, Glücksspiel und Erpressung aber für die eher harmloseren Verbrechen dieser Zeit hält. Was wäre ein Mafiafilm ohne die Liebe? Natürlich spielt auch sie eine große Rolle, einmal zwischen Michael und seinen beiden Frauen, dann wieder zwischen Cousin und Cousine in Teil 3 und wenn Anthony, der Sohn von Michael, mit der Stimme von Nino Rota singt: „Brucia la luna n'cielu/E ju bruciu d'amuri/Focu ca si consuma/Comu lu me cori/L'anima chianci/Addulurata/Non si da paci/Ma cchi mala nuttata/(…) Cchi siti d'acqua idda/E ju siti d'amuri” kommen selbst dem Padrino die Tränen: So wie der Mond im Himmel brennt, brennt meine Liebe, das Feuer verzehrt sich, wie mein Herz sich nach dir, so wie sie Durst hat nach Wasser, dürste ich nach deiner Liebe.“ Vielleicht stimmt es ja doch, dass das einzige was am Ende bleibt, die Kinder sind: „Der größte Reichtum der Welt sind die Kinder“, das weiß auch Michael, besonders wenn sie das Ergebnis einer großen Liebe sind.
Die Oper als Schauplatz der Inszenierung des Todes
Michael, der fast ein Jahr nach Sizilien ins Exil geht - er hat immerhin einen Polizisten erschossen - muss also bald wieder das Land seiner Herkunft verlassen, dabei gelten diese Szenen des Films als die schönsten. Schafe vor griechischen Tempeln, schöne geheimnisvolle Frauen, karge Landschaften, aber viel Herzlichkeit wird in diesen Bildern vermittelt. „Wie kann ein so schönes Land, so viel Grausamkeit hervorrufen und erzeugen?“, fragt einer der Leibwächter Michaels und gerade er ist es, der Michael später verrät, eine Autobombe zündet, durch die Michaels schöne junge Frau stirbt. Der jüngste Sohn Corleones übernimmt nach Santinos Tod also das Familienunternehmen in Amerika und führt es zu neuer Größe und im dritten Teil schafft er es auch fast, die Familie respektabel zu machen, da sie sich in die Vatikanbank und Immobilien einkaufen und so fast das erreichen, wovon schon sein Vater, Vito, geträumt hatte: ein normales Leben. Im dritten Teil spielt sich auch eine der besten Szenen der gesamten Trilogie ab. Im 1997 für den Film zufälligerweise gerade fertig renovierten Teatro Massimo di Palermo, das vom Architekt Giovanni Battista Filippo Basile 1874 erbaut wurde, kommt es zum genialen Showdown, quergeschnitten mit der „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni, die im Film auch in dem berühmten Ohrbiss von Vincent Mancini (Andy Garcia) schon zitiert wurde. Im Massimo soll Michael Corleone von einem gedungenen Mörder des konkurrierenden Mafiabosses Altobello ermordet werden. Diese letzte Szene des Films nimmt sehr viel Raum ein und ist an Dramatik kaum zu überbieten, es erinnert vielleicht auch ein bisschen an Tarantinos „Inglorious Basterds“-Kinoszene, auch Tarantino bedient sich natürlich gerne der Filmgeschichte und liebt Zitate. Aber im Paten 3 ist der Aufbau der Handlung unvergleichbar dramatischer und geradezu atemberaubend und wenn am Ende Michael Corleone doch noch überlebt und sein stummer Schrei durch die Nacht hallt, ist man fast versucht, darin einzustimmen. Keine Kulisse hätte wohl besser für diesen Abgesang auf die Mafia dienen können und ist in sich ja gerade auch wieder eine Geschichte über die Mafia selbst. Das Theater wurde – nach 23-jähriger Bauzeit – wieder eröffnet, es ist heute wieder Italiens größtes und Europas drittgrößtes Opernhaus, hat 3.200 Sitzplätz, aber es war, gerade wegen der Mafia, Ironie der Geschichte, seit 1974 geschlossen. Es sollte ein starkes Signal gerade gegen die Mafia sein, genauso wie Coppolas Trilogie, die vielleicht noch viel mehr zur Legendenbildung beigetragen hat als beabsichtigt war, sollte es aber auch zum Symbol des Kampfes gegen die Mafia werden.
Der Pate 1-3 Die Trilogie
Francis Ford Coppola
Paramount Pictures
1972, 1974, 1990
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-03-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.