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Rezensionen  
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Karin Duve - Taxi
Schon in ihrem 2003 ebenfalls bei Eichborn Berlin erschienenen ziemlich skurrilen Weihnachtsbuch "Weihnachten mit Thomas Müller", das mein Sohn, seit er etwa drei Jahre alt war, sehr liebt, hat es Karin Duve mit den Taxifahrern. Für meinen Sohn immer wieder unverständlich, verprügeln sie den kleinen Teddybär auf das übelste, als er gesteht, kein Fahrgeld zu haben, aber doch nach Hause möchte, weil ihn der Junge, dem er gehört im Kaufhaus vergessen hat. Auf dem Kofferraumdeckel der Taxis klebt die Forderung: "Todesstrafe für Taximörder".
Nachdem ich den Roman von Karin Duve gelesen habe mit dem Titel "Taxi" (in einem faszinierten und in den Bann gezogenen Ruck übrigens), ist mir diese Szene im Weihnachtsbuch verständlicher geworden. Sie beschreibt über 320, zu keinem Zeitpunkt langweiligen Seiten die Geschichte ihrer Protagonistin Alex Herwig. Ihre Lehre als Versicherungskaufrau hat sie abgebrochen und ist auf der Suche nach einer Arbeit zufällig (?) auf das Taxifahren gestoßen. Die dafür nötige Ortskenntnis in Hamburg, dort spielt der Roman, fehlt ihr, aber auch diese Hürde überspringt sie mit ihrem Charme und ihrem Durchhaltevermögen. Diese Eigenschaften sind es auch, die sie im Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen braucht und einsetzt.
Was ursprünglich ein Job war, wird für dreizehn Jahre ihr Broterwerb. Sie lebt von der Hand in den Mund. Mit ihren Beziehungen zu Männern verhält es sich ganz genauso. Die Beschreibung unbefriedigender Beziehungen und sexueller Abhängigkeiten und einer immer mehr ungeliebten und sie krankmachenden Arbeit ziehen sich durch das ganze Buch. Aber auch zahllose Begebenheiten mit unverschämten Fahrgästen werden geschildert und besonders hier merkt man dem Roman seinen autobiographischen Zug deutlich an, denn Karin Duve ist viele Jahre lang wirklich Taxis gefahren und weiß, wovon sie schreibt.
Karin Duve schildert ihre Protagonisten gnadenlos, sodass dem Leser eigentlich kein einziger bleibt, mit dem er sich auch nur ansatzweise identifizieren könnte. Kleine Helden sind das, die zu den Verlierern dieser Gesellschaft gehören, obwohl sie arbeiten bis zum Umfallen. Und doch ist der Roman keine Sozialkritik, sondern eine amüsante Lektüre. Karin Duve ist es wieder einmal gelungen, einen für sie typischen Roman zu schreiben, mit einem subtilen Humor, der einen fast auf jeder Seite schmunzeln lässt. Gleichzeitig ist das Leben der geschilderten Menschen auf eine Weise trostlos, wie der Zustand der meisten ihrer Fahrzeuge, dass einem das nackte Heulen kommen könnte.
Ein sehr empfehlenswertes Buch einer Autorin, die in kein Klischee passt obwohl sie in ihrem Buch genial mit allen möglichen spielt.
Karen Duve, Taxi, Eichborn 2008, ISBN 978-3-8218-0953-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-03-22)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.
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